E R S T E - E R F O L G E



Von diesem Tag an trafen wir uns fast jeden Tag. Wir sahen uns mehrere zum verkauf stehende Pferde an, wobei ich Daniels nette Eltern kennen lernte. Auf der Fahrt zu den verschiedenen St�llen paukten wir die gesamte Theorie f�r das Kleine Reitabzeichen. Schon nach kurzer Suche fanden wir das ideale Pferd f�r Daniel: einen sechsj�hrigen Fuchswallach mit einem kleinen Stern und zwei wei�en Fesseln vorn, kr�ftig gebaut, gut bemuskelt mit gutem Sprungverm�gen. Nur der gro�e Kopf gefiel mir nicht ganz, allerdings muss ja nicht jedes Pferd einen solch eleganten Kopf und K�rperbau haben wie mein eigenes. Camiro hie� der gro�e W�rttemberger.
Am dritten Ferientag bezog er seine neue Box. Ferien, das hie� sechseinhalb Wochen schwimmen, faulenzen, und nat�rlich reiten, reiten, reiten.
Ganz gem�tlich radelte ich also zum Stall. Als ich die Zufahrtsstra�e entlang fuhr, wieherte mir Aischa bereits sehns�chtig von der Weide entgegen. Sie stand dort mit den Schulpferden und -ponys, wie ich mit Herrn Ruben ausgemacht hatte. Sie sollte Gesellschaft haben. Als ich den Zaun �ffnete um sie herauszuf�hren, musste ich h�llisch aufpassen, dass keines der anderen Pferde entwischte. Da, Sami trippelte direkt hinter Aischa her und lie� sich durch kein Rufen wegscheuchen. Ich konnte ihn nicht abdr�ngen, da ich in der einen Hand Aischas Strick und in der anderen den Zaungriff hielt. Also legte ich Aischa das Seil auf den Hals und gab ihr einen leichten Klaps auf den Hintern. Bed�chtig trottete sie in Richtung Stall. Bevor Sami ihr folgen konnte, schloss ich vor seiner Nase den Zaun.
"Aischa!"
Sofort blieb die Hellfuchsstute stehen und blickte sich nach mir um. "Wo bleibst du denn so lange?", schien sie zu fragen.
"Okay, kannst weiterlaufen," sagte ich ihr, als ich sie erreicht hatte. Gehorsam ging sie in ihre Box und trank mit gro�en Z�gen. Das Wetter war seit Wochen unver�ndert sch�n, nur ab und zu mit einem kleinen abk�hlenden Schauer.
"Ist die immer so brav?", lie� sich eine bekannte Stimme aus der Nachbarbox vernehmen. Daniel putzte sein neues Pferd.
"Hi, Dani! Meistens schon, nur einmal ist sie abgehauen und wieder zur Weide gerannt."
"Wie hast du das blo� hin gekriegt?" Daniel sch�ttelte den Kopf. "Allm�hlich kommt mir das nicht wie eine normale Pferd-Reiter-Beziehung vor, eher wie..."
"...eine typische M�dchenfreundschaft," vollendete ich grinsend den Satz.
"Du sagst es. Ob das mit uns eine M�nnerfreundschaft wird, Camiro, was meinst du?" Der Fuchs spielte aufmerksam mit den Ohren als er seinen Namen h�rte. Ich griff ebenfalls zu Striegel und Kard�tsche um Aischas dreckverklebtes Fell wieder auf Hochglanz zu bringen. Die zerzauste M�hne entwirrte ich mit den Fingern, der Schweif war zum Gl�ck eingeflochten, nur die Bandage hatte mal wieder eine W�sche n�tig.
"Reitest du Camiro heute noch?"
"Erst lasse ich ihn in der Halle laufen; er ist gestern nicht rausgekommen. Ich wollte ihn erst an die neue Umgebung gew�hnen." Er klinkte den F�hrstrick am Halfter ein. "Die Halle ist gerade frei."
Ich schloss Aischas Boxent�r. "Warte, ich komm mit."

Kaum, dass Daniel das Halfter loslie� schoss der rote Fuchs los, buckelte, keilte aus und umrundete mit wehender M�hne und Schweif die Bahn.
"Wie kann der bei der Hitze nur so rennen!", st�hnte ich und wischte mir den Schwei� von der Stirn. Das Thermometer z�hlte �ber drei�ig Grad - im Schatten!
"Nachher gibt's ein Gewitter, vorher m�chte ich gern fertig sein," erkl�rte Daniel und hob eine Longierpeitsche auf, die neben ein paar aufgestapelten Cavalettis lag. Jetzt schwang er sie zischend durch die Luft um so sein Pferd anzutreiben - mit zweiseitigem Erfolg: der Fuchs riss erschrocken den Kopf hoch, rollte mit den Augen und galoppierte unruhige ganz an die Bande gedr�ngt. Daniel hob nochmals die Peitsche, da legte ich meine Hand auf seinen Arm.
"Halt! Leg die Peitsche weg!"
Er guckte mich verst�ndnislos an, gehorchte jedoch. Ich holte tief Luft um mich zu beherrschen.
"Merkst du nicht, dass Camiro Angst vor dem langen Stock hat?" Toll, was er da angerichtet hatte, dachte ich, wagte aber nicht ihm das zu sagen. "Lass mich mal, ich versuch's mit Join-Up."
"Was-up?"
"Join-Up. Setz dich hin und bleib ruhig."
Langsam schritt ich in die Mitte der Bahn. Auf einmal sp�rte ich weder die Hitze noch den den R�cken runterrinnenden Schwei�; ich war voll und ganz auf das ver�ngstigte Pferd konzentriert.
Camiro hatte sich in eine Ecke zur�ckgezogen, bereite jederzeit wieder die Flucht zu ergreifen. Ich lie� ihm einige Minuten Ruhe, blieb einfach mit h�ngenden Armen stehen. Bald wanderte er neugierig herum, beschnupperte die Hindernisstangen an der Wand und die zwei gro�en Spiegel.
"Okay, Junge, dann wollen wir mal."
Ich nahm eine aggressive Stellung ein und fixierte Camiros Augen mit den meinen. Dazu schwenkte ich die Arme, trieb ihn von mir weg. Sofort fiel er in einen schnellen Galopp. Ich war nun seine Leitstute und lie� ihn nicht anhalten, wenn er wollte, sondern erst als er Unterwerfung und Vertrauen zeigte drehte ich mich von ihm weg. Aus den Augenwinkeln sah ich ihn nach einer Weile mit gesenktem Kopf auf mich zukommen und mich an der Schulter anstupsend.
"Braver Junge," sagte ich leise und streichelte ihn auf der Stirn und am Hals, mit der flachen Hand und ruhigen Bewegungen, ohne Hast. Ebenso ruhig forderte ich ihn zu einem Spaziergang kreuz und quer durch die Halle auf. Zwischendurch hielt ich an, ber�hrte jeden Zentimeter Fell und hob nacheinander alle vier Hufe auf. Schlie�lich kehrten wir zu Daniel zur�ck, der noch immer auf den Cavalettis sa�, ungl�ubig den Kopf sch�ttelnd.
"Lass ihn dich beschnuppern und streichle ihn," riet ich ihm und beobachtete jeden seiner Handgriffe. Vertrauensvoll schnoberte der Fuchs seinem Besitzer ins Gesicht.
"Na bitte, geht doch." Ich seufzte erleichtert. "Geht doch ein bisschen spazieren, aber halte ihn nicht fest, Daniel!"
Stolz, dass das Join-Up die gew�nschte Wirkung erreicht hatte, lief ich beschwingt zum Stall um einen zweiten Anbindestrick zu holen. Zun�chst wollte Daniel mich f�r verr�ckt erkl�ren, als ich ihn aufforderte Camiro ohne Sattel und Trense, nur mit zwei Anbindestricken am Halfter zu reiten.
"Lerne deinem Pferd zu vertrauen und es vertraut dir. Vertrauen gegen Vertrauen, das ist mein Grundsatz. Aber wenn du nicht willst... Hilf mir mal rauf."
Es gestaltete sich als reines Vergn�gen den gro�en Fuchs zu reiten. Er war solide ausgebildet und reagierte auf jeden Schenkeldruck und jede Gewichtsverlagerung. Besonders sein Trab war ein Traum an Schwung und Raumgriff, ohne dass ich je das Gef�hl hatte ihn auch nur eine Sekunde nicht unter Kontrolle zu haben!
"Jetzt will ich auch mal!", sagte Daniel nach einer Weile.
Ich lenkte Camiro in die Mitte und rutschte den weiten Weg vom Pferder�cken runter.
"Keine Angst?"
"Angst? Was ist das? Hier gibt es nur Vertrauen!"

Zwei Wochen sp�ter bestritten Aischa und ich unser erstes Turnier. Ich hatte f�r den Einfachen Reiterwettbewerb und die E-Dressur gemeldet. Bereits am Freitag duschte ich mein Pferd und flocht die M�hne ein. Ich brauchte daf�r fast doppelt so lange wie Nicki, aber irgendwann musste ich es schlie�lich auch mal k�nnen. Daf�r sah Aischa, die bei der Prozedur erstaunlich still gestanden war, noch h�bscher aus. Nicht erst heute bemerkte ich, dass sie ein wenig eitel war und es genoss versch�nert zu werden.
Fr�h um halb sieben verluden wir Aischa in Nickis H�nger. Sie selber war in Urlaub und hatte mir ihren H�nger zur Verf�gung gestellt. Transportgamaschen und Decke strahlten um die Wette vor Sauberkeit; ich hatte sie einfach in die Waschmaschine gesteckt und mit Goldfaden meine Initialen auf den dunkelblauen Stoff gestickt.
So fr�h am Samstag Morgen waren nur wenige aus den Federn gekrochen, Mama fand auf Anhieb einen guten Platz f�r den H�nger. Gemeldet hatte ich bereits gestern Abend per Telefon, also richtete ich gleich mein Pferd. Daniel, der zum Zuschauen gekommen war, half mir dabei, kratzte die Hufe aus und zupfte ein paar vergessene Heuhalme aus der geflochtenen M�hne. Ich wickelte indessen die Schweifbandage auf und entwirrte die langen goldwei�en Str�hnen. Mama wischte mit einem Tuch �ber das gl�nzende Fell. Aischa stand mit hoch erhobenem Kopf da und schickte ab und zu ein helles Wiehern zu den nach und nach eintrudelnden Konkurrenten.
Um acht, eine halbe Stunde vor Beginn der Pr�fung, schritt Aischa am langen Z�gel �ber den Abreiteplatz. Zu dieser fr�hen Stunde wehte ein k�hles L�ftchen und der blaue Himmel lie� die sp�ter aufkommende Hitze erahnen. Ich wiederholte gerade die Vorhandwendung, als Daniel atemlos von der Meldestelle gerannt kam.
"Du bist als Neunte dran. Clarissa als vorletzte. Insgesamt sind 19 Reiter am Start."
"Danke f�r die Info!" Clarissa aus unserem Stall startete mit dem Schulpferd Tamara ebenfalls in der E-Dressur.

Als ich in das Dressurviereck einritt sp�rte ich einige Sekunden lang Nervosit�t in mir aufsteigen, unterdr�ckte sie jedoch schnell.
"Wir schaffen das schon," wisperte ich Aischa zu und trabte an. Bis sich die Richter auf die Wertnote des letzten Paares einigten, konnte ich nochmals in Ruhe die Aufgabe, die ich auf eigenen Wunsch auswendig ritt, durchgehen. Endlich, das zustimmende Zeichen. Z�gel ordnen, Sitz korrigieren und im Arbeitstempo auf die Mittellinie abwenden. In den Augenwinkeln erhaschte ich Mama und Daniel, der das V-Zeichen machte. Sieg, nein, das erwartete ich nicht, aber eine Platzierung schon. L�chelnd gr��te ich und trabte schwungvoll an. Ohne Fehler bew�ltigten wir das Trabprogramm und ich wurde noch sicherer. Aischa spitzte die Ohren und lie� im Galopp den Schweif im Sommerwind wehen. L�cheln! L�cheln bringt oft Punkte, ermahnte ich mich in Gedanken. Aischa l�uft gut und im Galopp hast du immer einen besseren Sitz. Hoffentlich sahen die Richter das auch so. Nach dem Gr��en am Schluss ritt ich ungeduldig auf den Abreiteplatz vor einen Lautsprecher um auch ja das Ergebnis mitzubekommen.
"Das Ergebnis f�r die Nummer 145, Aischa geritten von Maike Kramer: 6,9."
"Super, mein M�dchen!" �berschw�nglich umarmte und lobte ich meine Stute. Nun kamen die Gl�ckw�nsche meiner Freunde und sogar Herr Ruben hatte meine Vorf�hrung gesehen. Er lie� sich normalerweise eher am Spring- als am Dressurplatz sehen. Egal welchen Platz ich am Schluss bekommen w�rde: ich war hochzufrieden und spielte mit dem Gedanken Marion Ritter anzurufen um ihr von Aischas Verwandlung zu erz�hlen. Doch dann verwarf ich den Gedanken wieder. Schlie�lich stand Aischa ja angeblich bei einer Freizeitreiterin.
"Wenn nur vier besser sind als du, wirst du platziert," rechnete Daniel gerade und riss mich damit aus meinen Gedanken. "Bis jetzt bist du noch vorne."
"Bis jetzt, wohlgemerkt!"

Es blieb spannend bis zum Schluss. Mama hatte ein Programmheft gekauft und notierte zu jedem Ritt die Wertnote. Zwischendurch ging ich zur�ck zu Aischa um sie zur Siegerehrung zu holen. Bisher stand ich noch immer auf Platz eins, es folgten jedoch noch f�nf Ritte. Bald knackste es im Lautsprecher und die ausdruckslose Stimme nannte die Nummern der Platzierten: 144 war auch dabei, ebenso wie Clarissa mit Tamara. Das sah ich gar nicht gern, denn sie war eine �berhebliche Reiterin mit einer harten Hand.
"Wir kommen nun zur Siegerehrung... einer Dressurpr�fung der Klasse... E... Es siegte..." Nimm mal nen Sprachkurs, damit's flie�ender geht, dachte ich. "... die Nummer 223, Masur, geritten von Sabine Maler mit der Wertnote 7,2. Herzlichen Gl�ckwunsch. Der zweite Platz geht an die Nummer 144, Aischa mit Maike Kramer mit der Wertnote 6.9. Dritter wurde..."
Zweite beim ersten Turnier! Das war einfach fantastisch! Stolz guckte sich Aischa um, sie merkte, dass der Applaus ihr galt.
Bei der folgenden Ehrenrunde befreite sie sich kurz vom Z�gel und keilte fr�hlich nach dem Hintermann aus, der ihr zu dicht auf die Pelle ger�ckt war. Clarissa war mit 6,5 F�nfte geworden.
Daniel und Mama wollten diesen Erfolg sofort im Reiterst�bchen feiern, doch ich wehrte mit den Worten "man soll den Tag nicht vor dem Abend loben" ab und verschob die Feier. Schlie�lich stand noch das E-Springen mit Tamara aus. Der einfache Reiterwettbewerb fand am Sonntag um halb elf statt.

Nach einem gem�tlichen Imbiss, dem Zuschauen bei einem A- und einem L-Springen sattelte ich Tamara, legte ihr die Gamaschen und den Martingal an und musste mir w�hrenddessen hundert mehr oder weniger gute Ratschl�ge von Clarissa anh�ren. Da sie vor mir dran war, ritt sie Tamara auch ab, da hatte ich wenigstens Ruhe. Die ersten zehn Reiter konnte ich mir noch anschauen, bevor ich selbst aufs Pferd steigen und ein paar Probespr�nge machen musste.
Gel�st und ohne Lampenfieber ritt ich in den Parcours ein. Er war mittelschwer mit einer zweifachen Kombination. Gr��en, angaloppieren, erster Sprung, zweiter. Tamara und ich waren gut aufeinander abgestimmt und nahmen m�helos ein Hindernis nach dem anderen. Ich musste mir das Lachen verkneifen, als das Ergebnis erneut 6,9 hie�.
"Du kommst wohl nie �ber die 7,0-Marke!" l�sterte Daniel.
Zur Siegerehrung musste Aischa herhalten, die sehr �berrascht war eine blaue Schleife angesteckt zu bekommen ohne �berhaupt gesprungen zu sein.
Abends wurde nat�rlich gefeiert, nur Daniel musste leider nach Hause. Er war am n�chsten Tag wenigstens ausgeschlafen, was f�r ihn von wesentlichem Vorteil war.




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