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Äußerstextremekelarroganter Schnösellulatsch! Sonne in sechs Gigajahren vom Pluto: Lavaköchelnd karmesin, leicht breitgeschwemmt von atmosphärischer Linse. Ei ja tatsäch: N Sonnenfleck blankäugig sichtbar. Chinesische Chronik tausendnochwas nach Weihnachten: Ein Ei war vor der Sonne zu sehen. Ein Eierkopf! Braucht sich nix einbilden, dass ich mich ne Stunde - Ach!was! dreißigminütig, mehr niemals! Wär noch schöner. Kohlige Wolkenbarren über nukleare Glut, der falsche Rote Riese blakt. Gealterte Sterne rußen. Titanoxid. Ein Eierkopf. Iss türlich schick, dass er Bilder malt. Raumbilder mit dem Lichtgriffel: Muss mann erstmal drauf kommen. Sollte nur nich so kaltschnäuzschnippisch. Hikari hat'S gut. Die weiß gar nicht, was das ist: Herz-Schmerz. (Glaub ich. Oder? Würd sie ja mal fragen. Vielleicht? Aber fühlt sich komisch an, wenn kore jmd. erst so drei-vier Wochen. (Jaja: N Monat in Curiepolis. Ganz schön lang. Ganz schön kurz. Mit der Zeit isses hierzuland wie mit dem Stadtplan: Strecke von Ah nach Ui umso länger, je kleiner die Schritte.) Würd mich mal gern mit Hikari drüber - aber vielleicht würd'S sie bis auf die Knochen schockieren, oder sie mag mich dann nicht mehr oder lacht mich aus? Hikari dekoriert eine Sandburg mit Muscheln, zartkrummer Sichelmondschatten, die Sonne sitzt wie'ne schläfrige Gans aufm Horizont, und der Pazifik atmet atmet.) Cosmo Tannhäuser, das mal'n Name. Das passt überhaupt nicht. Vladimir, der müsste Vladimir heißen, und als Nachname sowas südosteuropaußerirdisches mit lauter Konsonanten. Cosmo. Tannhäuser? Da denkt musume doch an'n charmanten Hühnen mit blonder Mähne, der einen auf 'ne Bootsfahrt einläd, im Ruderboot auf'm sommerlichen Weiher zwischen goldgrünen Kastanien - djewuschka streckt die Füßchen ins Wasser... brrr, kaltkalt, und gelbgrüne Algen schwimmen drin, aber im Augustnachmittagstraum leuchten die wie feinstes Protaktinium. Ich hab Protaktinium immer schon gemocht, ganz sicher mein Lieblingsmetall, glänzt wie Gold, aber nicht so unnütz wie Gold: Im schnellen Neutronenspektrum ganz solider Spaltstoff. Und die protaktinschimmernden Algen plätschern um die Füßel, bleiben zwischen Zehen hängen, und kore kichert pausenlos und der richtige Cosmo Tannhäuser - also: der, der so ist, wie Cosmo Tannhäusers sein sollen! der rauscheblonde liebenswerte Hühnencosmo, nich dieser künstlich-künstlerische Hühnercosmo, der sich zu rasieren vergisst - der würde einem was vorlesen, vielleicht Carroll. Oder Fouqué. Ganz sicher Fouqué, wär ja so ne Art ritterlicher Ritter. Was der Cosmo - jaja, der real-hiesige, der mit Kaffeeflecken auf der Cordhose, bei dem kore nie weiß: hat er mich jetzt beleidigt? Oder nich? Isses n Kompliment?? - was der Kerl jetzt gerade wohl treibt. Nochn Schnitzchen Sonne, die Nacht ergießt sich übern atmenden rumorenden Pazifik, sprühbunte curiepolitanische Nacht aus Neon Argon Krypton Xenon Radon Eisen Kupfer Kohlenstoff Mangan Wolfram Titan Protaktinium Americium. Blaue türkise rosarote farngrüne bernsteinweiche Fäden Strahlen Gewebe Pagoden Röhren Flächen aus Traumlicht, Stufe über Stufe, Gebirge über Vorgebirge von Plasmaphosphemen, flimmernd bis in kühle klare Höhen steigend, wo stetig ewiger Märzwind bläst. Dieses trübsinnige Brathähnchen von patzigem Künstlerschnösel soll sich mal vom Dreideedrucker seiner Wahl eine geschmackvollere Gürtelschnalle kreieren lassen. Das Ding, das er um'n Bauch hat, passt zu nem texanischen Lastkraftwagenfahrer und nicht zu einem Aristokraten. (Die Zouzou ist ja irgendwie irrsinnig optimistisch: Mit ihrem "wir sind alle Aristokraten, Curiepolis: das meint Aristokratie ohne Unterschicht, dass sie die Unterschicht für notwendig hielten, besiegelte das Ende der europäischen Aristokratie" - aber hat irrsinnigerweise auch recht. Find ich. Selbst der Cosmo Tannhäuser. Hat was Aristokratisches. Also tief drunter. Kore müsst es vorholen, müsst ihn polieren, veredeln - ihn in den blonden Ruderbootritter umwandeln, der er sein könnte. Oder immerhin sollte.) "Na, Prinzessin, denken wir grad an die bösen Männer, was?"

Ssn das für eine?? Geht's noch und bitteschön undsoweiter??

Neben mich - na, wohl nich absichtlich geschlichen: Halbschühchen machen ja keinen Radau aufm Sand. (Den hamm sie künstlich aufgeschüttet, vom Meeresboden hochgeschneckt mit riesigen robotischen Förderbuddlern, aber die Form der Bucht ist schon anmutig geschwungen - oder? vielleicht n Tick zu anmutig: Kore sieht und sieht'S zugleich nicht, dass alles künstlich.)

"Hast was gegen Künstliches? Bist hier in Curiepolis. Gewöhn dich dran."

Gedankenlesen oder so? Hat die'n experimentelles Implantat oder sowas unterm - Ui-hui! was für'n Rotschopf. Ne Sonneneruption! Reinste Explosion von'm Gigatonnenschöpflein... "Hab nix gegen Künstliches." Vielleicht auch nur besonders klewwer im Deuten von Gestik. Oder Mimik. Oder sowas.

"Spricht für dich." Pflanzt sich ungefragt neben mich. Hikari kruschtelt dieweil an ihrer Sandburg - merkt die nicht, dass sie im Dunkeln sitzt?? Hikari ist ja immer lustig, manchmal geradezu unheimlich-lustig. Was hat'n die Explosionsschöpfige mit ihrer Bluse - naja, klar: SO. Kann man die auch knoten. Muss kore drauf kommen: Ne Bluse als Bikini sehen. Na bong. Der Kopf hat sowas Vogelartiges fast. Hübscher Vogel, klar-und-zugegeben, n eleganter Vogel geradezu, vielleicht n Sperber. Ne Sperberin, kleines Raubvögelchen mit unentzifferbaren Gedanken. Sperberköpfchen ruckt rüber und hackschnäbelt: "Du sollst die Technologie mehr lieben als die Natur."

"Ich mag eigentlich beides!" - hu. Hikari plötzlich direkt neben uns. Aus der wird djewuschka nimmer schlau. Nimmerschlau. Wenn ich ne Märchenfigur wär, ich hieße: Prinzessin Nimmerschlau. Hachhach. "Wir sind Annika und Hikari, heißt du'n?"

Dya Rienzi. Ja, das n rechter Raubvogelname. Wie die sich fläzt. Hände hinten abgestützt, und jetzt pfeift sie irgendne Melodie. Würd ja sagen: Nich alle Tassen im Schrank, wenn es hier überhaupt jemanden gäbe, bei dem die alle da drin sind. Mich eingerechnet. Tihi.

"Bist wohl grad angekommen, nich?"

"Ja, woher weißt du'n das?" Faszinierend schaurig, wie'n kleiner wilder Raubvogel.

"Annika hat sich schon prima eingewöhnt!" - Hikari, enthusiastkichrig. "Annika gefällt'S bei uns prima!"

"Gefallen - klar, wenn'S ihr nich gefiele, wär sie gar nicht erst hergekommen. Eingewöhnt - türlich noch nicht. Sieht kore doch. Sieht n Maulwurf auf Ketamin."

Dya die Sperberin. Schüttelt ihre Explosion siegessicher. Will die uns nur triezen? Oder? Zieht die Knie an, armedrumgeschlungen und Köpfel träumwandlerisch draufgelegt. Schaut n Tick versöhnlicher.

"Mach dir nix draus, Eingewöhnen issn langer Prozess. Manchen gelingt's nie. Dazu braucht's Vollzugsebenenwechsel. Du operierst auf einer bestimmten Vollzugsebene, und die nennst du Realität. Wenn du deine Vollzugsebene frei wählen kannst - dann bist du in Curiepolis angekommen. Neuromathematische Freiheit."

"Was ist denn das?"

Die Rotschöpfin grrrrzt sich lang im Sand, kichert ne Halbminute lang undurchsichtig. Dreht sich auf die Seite und zupft sich die Strümpfe. Hat sie vergessen, dass wir da sind? Schmunzelt plötzlich, schaut jetzt geradezu freundlich. "Mach dir da keine Sorgen. Ich helfe dir. Wie nennt ihr eure Forschungsgruppe?"

"Ähem. Haben uns geeint auf 'Brigade Lise Meitner'."

"Schicker Name. Gefällt mir. Habt ihr eine Anführerin?"

"Nee, eigentlich... brauchen wir ne Anführerin?"

"Türlich. Jetzt habt ihr eine. Wie wollt ihr ohne Anführerin je die neuromathematische Freiheit verstehen. Gehen wir Eis essen?"

 

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"Seht'n ihr dS? Mir grad was aufgefalln" – Annika. Hikari: "Wass'n?" Annika: "Happy Few = wir, die Curiepolitaner! Wenn kore hier querstadtein spalierzierlicht: The Beautiful People, all-über-All. Wenn ich'S vergleich (mit Hinterföhren, Hannover, ezetterä!) – Graupelbiss der Hässlichkeit fehlt." Dya: "Stört'S dich? S doch klar: N Australopithecus S schöner als ne Amöbe, n Homo Sapiens schöner als'n -pithecus, und n Curiepolitaner viel schöner als'n Sapiens, vor allem, da by-Design && nich durch blindes Darwingebastel." Annika: "Sicher, versteh' ich, && nee, stört mich nich – m Gegenteil –, S nur so: Gehirn gewöhnt sich dran. An Hässlichkeit, mein ich! In Deutschland: Hier'n neunzichjährger Flaschensammler; dort'n kranker Mensch im Rollstuhl; hier ne bucklige Oma; da n Dementer mit Sabber ausm Mundwinkl. Nervensystem wappnet sich, bildet so ne Art Pufferzone gegen's Elend. Hierzulande braucht'S keine Pufferung mehr, jeckliche Wahrnehmungen dürfen ran ans Innerst-Seelische... ei, glaub, ch mach mich nich klar..." (Hikari: "Doch-doch, schon!") Annika: "SO!: In Curiepolis benötigt musume kein Mitleid! Das'ΔS hier so überflüssich wie Steinkohle im Aktiniden-Zeitalter." Dya stolz(ierend): "Weil der Wissenschaftlich-Industrielle Komplex ihm'n zureichenden Grund entzogen hat;meint: menschliches Leid, das Mitleid macht, ist, loko Keimbahn, weggemolekülschnippt." Annika: "Ja, && S fühlt sich – ungewohnt an." Dya: "Hoff ich! Niedeernd schmeißt hier ihre Träumungen hinter die Welt, merx dir."

 

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