Nachrichten: April 2017

Inhalt

...lackschwarz und sterndiamantübersät: 29. April 17

In Wald und Nacht ‒ in Frohnau halt ich Wacht!: 24. April 17

Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt: 22. April 17

Blaulustig-vogelfreier Nachmittag: 22. April 17

Kaffee at 5 o'clock in the morning: 20. April 17

Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon des Osterfestes erste Feierstunde? 16. April 17 (Ostersonntag)

Leseproben-Sammlung "Curiepolis zum Kennenlernen": 13. April 17

Nächtliches Geflüster von Aprilregentropfen: 12. April 17

Träger Wind schiebt jene Wölkchen aus einem Sternbild ins andere; 9. April 17

Samtene Frühlingsnacht: 4. April 17

 

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...lackschwarz und sterndiamantübersät: 29. April 17

Beim Nachüberarbeiten des Vergil/Tlön-Kapitels stoße ich immer wieder auf Stellen, die mich nicht zufriedenstellen: Das bedeutet Um-, bzw. gelegentlich Neuschreiben. Bei dem Einschub, der die Jugend Plurabelles im Busland schildert, ist letzteres der Fall. Ich fand den ursprünglichen Text ‒ eher unbeholfene Prosa über Bücher und Modelleisenbahnen ‒ nicht sonderlich interessant, und zwar nicht nur, weil das Eisenbahnthema bereits andernorts in großem Umfang entwickelt wird.

Es musste ein neuer Einschub her! Wie es aussieht, entsteht doch noch ein klassisches Kunstmärchen als fest verdrahteter Bestandteil der Tlön-Episode.

„Bin'n echt busländer Mädel, tihi!“; behäbig fliederschwirrende Jahre zwischen Ortschnüpfchen, Bushaltestellensitzbankfahrplänmülleimerblumenrabattstiefmüttkroküssgladioljupiternelken, Sommerfeldern unterm zerwindkrafteten Staubhimmel, winternden Schneekrustknarrziergängen mit Sir Henry, dem Familienbassett, durch Hohlwege, unter kristallsprühenden Froststernen: Morgen vierzehnter Nabeltag. Vorfreudig klopfende Wärme in Bauch Adern Nachthimmelaugen – Sirius blanklohendes Magnesiumfeuer im Süden, Beteigeuze glühzwinkert durch Schwarztannicht; es hat, gerade als der Spätnachmittag in tintenblaue Schattenschwaden zerfiel, aufgehört zu schneien, dann ist der Himmel aufgerissen, erst im ungeheuren Orangeviolettbrand des Wintersonnenuntergangs erschauernd, dann lackschwarz und sterndiamantübersät. Sir Henry wirbelt jippt schnappt, dicke Dampfbälle ausschnauzend, in zuckergusshaftem Riesenschneegemass links rechts des Weges, der sich tief in eines der busländschen Mischwäldchen hineinwindet, Schachfigurenbäume starrschweigend in kaltdunstiger Luft.

[...]

Schneller-näher, über Stock&Pilz&Moos – flieht das Licht, regenbogen-irrlichtern?, nee: wächst-wärmer-heller-warumundhell, pfirsichbunt, lilienlaternen, Pluras Herz pocht wie der Waldboden – „Musik: S schien, Bäume, Sträucher, Pilzkappen, humusduftiges Erdreich selbst! erzeugten sie, vibrierten, bebten. Je näher ich kam, desto klarer, lauter“ – kehliges Geklopf wie von Riesentrommeln, aus hohlen Stämmen geschnitzt – an-abschwellendes Gebrumm Gefauch Geraune, Planetenatem – Schwirren, Zirren, schwebender Libellengesang ohne Worte – Ahnung von heldenhaftem Schmetterdonner, kurz vorm strahlenden Ausbruch wieder verdämmernd – Hauchen und Girren, Sausen und Säuseln, rasend dröhnendes Hammerstakkato und feinstes Verlöschen gläserner Noten! „Ich staunte: Gar nicht über die Musik an sich – die schien mir zum unerklärlich-plötzlichen Frühlingseinbruch dazuzugehören – sondern! wie wohlklingend sich alles zusammenfügte: Tausend Klänge verschmolzen zu tiefem Beben, das alles und mich erfasste, mit glucksendem Glück durchströmte.“

Hütte: Hochaufgestelzt auf'm Pfeiler – nein: Hühnerbein mit Klauenfuß – nee: seltsam verwachsenes Baum-Etwas – oder: enormer Pilz? Worauf sie steht, S's schwer zu entscheiden, deutlichjedoch: 1 Hütte, von der spitzgiebligen Bauart, Grundriss semi-unregelmäßiges Polygon – verzerrtes Fünf- oder Sieben- oder Elfeck, mglw. auch völlig andere Eckenzahl, Winkel, die ihr Spitz-Stumpfsein launisch von Blick zu Blick ändern – sehrhochdürrer Schornstein, Dach spitzstruppig wie'ne Teufelskiefer bei Sturm, & aus'm gotisch-schlanken Butzenfenestrara laternts traulich pink & golden (auch'n bissel flaschengrün und safran und ocker, türkis und blutkirschhaazworegionsch...) & vor der Tür pendult die Sturmlatern – das Haus rotiert, dreht sich irrwitzig um sich selbst; so dass selbst der Sir Henry sich auf die Hinterläufe hockt, andächtig schweigend – „d.h. nee: Ich! drehte mich – war mir da plötzlich sicher, vollständig wie nur was – axiomatisch gewisser-maßen-wiss – ich und die Welt und alle Sterne, Nebel, Galaxien, Hubblekugeln außenum, drehten drehten sich rotterten gorkicht im Gemank – („Ab'm gewissen Abstand dann-wohl: überlicht?“ „Ja, warum nich. Denk an'n Lichtkegel, den man superlumenquick über'n fernen Mond penduln lässt“) – dieses Stelzenhaus: Einzigstes überhauptweitundbreitinjeglicherrealität von dem man sagen konnte – S steht still! („Diese Musik ging also von der Hütte aus... ach, wohl eher von der Welt, die rotierte ja wie ne Disk.“ „Ja. Dann warf jemand 1 Strickleiter herab. Ich den Sir Henry auf'n Arm und hinauf.“ „Mutig.“ „& nicht ganz einfach: Schwanke Stricke erklettern, mit nur 1 freien Arm. Habs aber wacker hinbekommen.“)

 

 

Wem wird Plurabelle in der Babajaga-Hütte begegnen?! Ihr werdet es im Laufe der nächsten Tage erfahren!

 

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In Wald und Nacht ‒ in Frohnau halt ich Wacht!: 24. April 17

Erde vs. Tlön

Als ich die Felix-Vergil-Geschichte zu schreiben begann, spielte das Ganze noch an einem nicht näher bezeichneten Ort auf der Erde (höchstwahrscheinlich in Nordrhein-Westfalen oder der näheren Umgebung des Rheinlandes, da das Flusstal vom Rhein, die GROSSSTADT stark von Köln inspiriert ist); später wurde es ein fremder Planet, den seine menschenförmigen Bewohner ebenfalls Erde nannten, noch später beschloss ich, den Borgesschen Planeten Tlön als Namensgeber zu nehmen. Hierdurch entstanden interessante Unstimmigkeiten:

Felix Vergil bricht die Bifrostbrücke von der Kerze hab und füttert sie in die Flamme. Waberlohe Muspelheim, wagalaweia, Felix ist wagnerianisch zumute. Hammrlundt hat mit Ann'Eve nicht gerade wirklich geflirtet. Es hat gesagt: "Die Deutschen sind und bleiben wagnerianisch, das meine ich als Kompliment! Oh verflixt..." – denn seine Zigarette war ausgegangen (die gingen damals aus, wenn man nicht ständig an ihnen zog).

Bei einer irdischen Szene wäre am obigen Absatz nichts auszusetzen; findet die Handlung auf Tlön statt, wird sofort die Frage aufgeworfen, ob es denn auf dieser Welt ebenfalls einen Richard Wagner gab; Deutschland wird in der Handlung nie erwähnt: Der Zweite Thermodynamische Krieg spielte sich zwischen "Altkontinentalen" einerseits und Spenser-Insulanern und Nordwestkontinentalen andererseits ab, was auf erdähnliche, aber nicht identische politische bzw. geografische Strukturen hindeutet. Mit anderen Worten: Der Text sollte so umgearbeitet werden, dass die offensichtlichen Bezüge auf die irdische Kulturgeschichte verschwinden. Im darauffolgenden Absatz werden Fixsterne des irdischen Nachthimmels sowie Planeten unseres Sonnensystems (bzw. die entsprechenden antiken Götter) erwähnt: Venus, Jupiter, Pluto. Dies ist weniger kritisch, da es denkbar ist, dass das Hubblevolumen um Tlön herum exakt dem von der Erde aus sichtbaren entspricht. Aber würden die Tlön-Menschen ihre Planeten genauso nennen wie wir? Doch wohl nur, wenn die Mythologien übereinstimmen, was fraglich ist ‒ immerhin wird der monotheistische Gott nie erwähnt, vielmehr scheint der Tipler-Chardinsche Punkt Omega seine Rolle zu spielen (eine Art von Kathedralen bzw. Kirchen existiert allerdings auf Tlön, womöglich handelt es sich um Omega-Verehrungsstätten). Andererseits kann man sich vorstellen, dass die Namen "Venus", "Jupiter", etc. bekannt sind, aber für irgendwelche dort geläufigen Wesenheiten stehen. Die Stern- und Planetennamen bleiben daher vorerst so, wie sie sind ‒ möge die Leserin dazu ihre eigenen Hypothesen bilden!

Neue Fassung des obenzitierten Absatzes:

Mit Mikroknisterfiepgezischseufz – tief unter der Hörschwelle, ahnbar fern aller Wahrnehmbarkeit – trank die Kerzenflamme glasiges Wachs, verprasste gesättigtes Dochtgeweb'. Die Kellnerin trug frische schmutzige Teller Gläser Schüsseln, Näschen forsch geschnupflupft, hintere Kugeln hüpfemsig: linke Backe – rechte Backe – linke – rechte – undsoweiterundsofort! dachte Felix beglückschwippst: Ein Metronom, das dem Herzschlag den Takt vorgibt – und brach den am reichsten verzierten Brückenbogen von der Kerze, fütterte ihn in die Flamme. Was gleißt dort hell im Glimmerschein? Die Kellnerin hob die linke Hand (zur Wanduhr (so eine mit Blauweißporzellanteller als Ziffernblatt), deren Zeiger gen Mitternacht haaresbreiteten); Damals hab ich geglaubt, der Hammrlundt habe mit mir geflirtet, ich war eben anfangzwanzig. (Um sie zu stellen? zu schauen, ob sie richtigtickend geht? – weiß nur: Des Blinden Auge leuchtet ein Blitz –), er hat gesagt: Die Seele des alten Kontinents beruht auf einer Art von großartigem Lärm, das meine ich als Kompliment. Oh verflixt! – denn seine Zigarette war ausgegangen. (Die gingen damals aus, wenn man nicht ständig an ihnen zog.) Wie der Schein so hehr das Herz mir sengt: Ist es der Nabel der niedlichen Frau, der hervorsah unter sich hebendem Top, als sie sich uhrwärts streckt'?

 

 

Weitere Dokumentation zum Thema parallele Welten/Realitäten:
Max Tegmark: "Parallel Universes"

 

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Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt: 22. April 17

Das Busland

Das Busland gehört zu den mysteriösesten Gebilden im Curiepolis-Multiversum: Es handelt sich anscheinend um eine Landschaft auf Tlön, nicht allzu weit von der GROSSSTADT entfernt (allerdings nicht an das Flusstal angrenzend); eine idyllische, von Hinterweltlern (nicht zu verwechseln mit "-wäldlern"!) bewohnte Gegend, die sich durch ihre schweren, süßlichen Gerüche, liebliche Flora und Architektur und allerlei kurgastfeundliche Einrichtungen auszeichnet. Studentin Plurabelle stammt aus dieser Gegend, sie und Felix begegnen sich in dem Landgasthof, in dem sie über die Semesterferien arbeitet. Nichtsdestotrotz ist etwas faul in diesem Staate ‒ wie der Name sagt, steht er unter Einfluss der Regionalbusse, eine Art sentienter Fahrzeuge, Gegenspieler der Studentinnen aus der GROSSSTADT, die ein noch nicht näher definiertes finsteres(?) Ziel verfolgen.

Hinter diesem sehr phantastischen Szenario stecken reale Jugenderinnerungen des Autors. Fast meine gesamte Schulzeit von der 1. Klasse bis zum Abitur verbrachte ich am westlichen Bodensee; mit meinen Eltern wohnte ich in Gaienhofen, von wo aus ich von der 8. Klasse an tagtäglich mit Regionalbussen nach Radolfzell fuhr, um dort das staatliche Gymnasium zu besuchen. Überhaupt war für mich (da wir kein Auto hatten) jegliches weiter als einige Kilometer entfernte Ziel bequem nur mit besagten Bussen erreichbar (später verlegte ich mich aufs Fahrradfahren). Die Busse und die sommersüber mit kräftigen Farben, Feuchte, süßen und leicht fauligen Gerüchen gesättigte Bodenseelandschaft verschmolzen in meinem Bewusstsein zu einer Einheit. Als wir in der Schule die "Ballade des Äußeren Lebens" von Hugo von Hofmannsthal auswendig lernen sollten ‒ ein Gedicht, dessen Bilder- und Gedankenwelt mich sofort ansprach ‒ verband es sich in mir mit dem Thema Busse bzw. Busfahren. "Dieses Bushaltestellengedicht!", murmelte ich vor mich hin, und ein Klassenkamerad, der dies hörte, sah mich nicht ganz unverständlicherweise an, als sei ich endgültig wahnsinnig geworden (dies tat er allerdings auch sonst nicht ganz selten). Vor allem die Strophe mit den "Straßen, die durch das Gras laufen" und den "Orten, voll Fackeln, Bäumen, Teichen" erinnerte mich an meine häufigen und langen Busfahrten durch diese Gegend.

Hugo von Hofmannsthal: Ballade des Äußeren Lebens

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
und fallen nachts wie tote Vögel nieder
und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
vernehmen wir und reden viele Worte
und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
und drohende, und totenhaft verdorrte...

Wozu sind diese aufgebaut? Und gleichen
einander nie ? Und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
die wir doch groß und ewig einsam sind
und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommt's, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der "Abend" sagt,
ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt
wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

All dies wurde zur Grundlage meiner Erfindung des Buslandes auf dem Planeten Tlön.

Regionalbusse schwanken von Ort zu Ort (voll Fackeln Bäumen Teichen), innen süßlichstickts bussommern (grübel: hat hier wer 1 Apfel gegessen?), fetterdicker (P)Fa(h)r(r)er; aaghbeitender arbeißlöser Shemicker (Dissertation: Verhalten der Fluoride des Quecksilbers bei Phasenübergängen), trägt den violetten Pullunder der Regionalbusgesellschaft (kirschblutsonnenuntergängiges Firmentriangel klein auf der Brust), raucht und liest anspruchsvolle Tageszeitungen (harrbeizklassischere Collagen durchgranzen bierdösisch Boulevardblätter, ach-breit ihr Klischees: wieso werdet ihr so gerne Wahrheit), denkt: Mann sollte ein Gedicht schreiben bong würder! Felix Vergil wittert luftwärts (lustwärts-lustwarz): Regenfeucht und tlönnich (auch lehmig und lössig merglich feldspathquarzundglimmerglührich), benzinnassfaltig, steinewassergurgelbächrich jauchzeschlickschlammlandwirtgeschäftig ebenobstgartig (und artig), pluss ein büschl unrattzmüll'rig, vor arlm aber küß und barm starckfarben(ge)dicht (heim?-)leuchtend. Felix stirnerunzelt. Kann kein Zweifel bestehen. Busland!! Die weite Ebene, auf die er soeben noch heiter heruntergealsot hat, ist Busland as Busland can be: Mit Winkeln und Dörfern, Leichtindustrie und Naturdenkmälern, Jägerzäunen, an denen grasende Jugendliche lehnen, spätgesommerter Heumat pluss Heumatmuseen, Famühlijentreffen in Landgasthöfen, Ärztekongressen in Grundlasthöfen, Straßen: die sich schwinden wängeln durchs Gras laufen, auf denen schnäubende Busse von da nach da dieseln (niemals von da nach dort: Dies läge nicht in der Natur dieser Busse). Sie kurren durch Dörfer Klein-und-Kleinststädte, mit Fahrgästen, die tiefe Augen haben, die von nichts wissen, zumindest im Vergleich mit den Bussen, denn die dieselschnösligen Metallasseln – innerhalb der etwas größeren Kleinstädte sogar mit Biegegelenk anzutreffen – verhalten sich ruhig, und zwar auf die Art und Weise, in der man sich übt, wenn man etwas weiß, von dem man weiß, dass man es nicht jedem mitteilen will und sollte. Die Busse wissen wischeln dieseln im Diskant, teilen und herrschen. Haben sie etwas vor? Felix Vergil argwöhnts. Der letzte Bus kommt um dreiundzwanzig Uhr dreißig. Wachsen auf und sterben und gehen ihre Wege, so sind die Hinterweltler.

 

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Blaulustig-vogelfreier Nachmittag: 22. April 17

Immer wieder bin ich angenehm überrascht, wieviel ich in den vergangenen 5 Jahren gelernt habe. Nachdem ich die Einzelteile des Felix-Vergil-Kapitels (das im fertigen Buch keinesfalls als ein zusammenhängendes Kapitel auftreten soll, sondern in viele kürzere Abschnitt aufgetrennt über die Handlung verteilt) zusammenkopiert habe ‒ es ergeben sich 70 Computerseiten; entsprechend rund 110 Buchseiten, wenn man meine Taschenbuchausgabe des "Zauberberg" zugrunde legt (360 Worte/Seite) ‒ muss das Ganze nocheinmal von Anfang bis Ende aufgerollt, gelesen und stellenweise verbessert werden. Dabei fällt mir ein- ums andere Mal auf, wie hölzern meine Konstruktionen aus dem Jahr 2012 im Vergleich mit denen des Jahres 2017 wirken. Ein Beispiel:

2012

Klack. Huuuuuuut. Pchink pchink pchink. Huut. Huut. Jargbargabargbarglbarglglbrgblgrg. Hxtszmsncgsu? Gurbgriglmnxyinwhdxte! Jnmxcbsenaklljrgargarglsnnaassmcnnsm. Hrgms. Mieps? Hihi. Da hast du recht. Wirklichimernsttatsächlich? Wunderbar! Klack! Drehmomentwuchtig die Tür dottergelb. Jihahu! Felix Vergil steigt wie eine Rakete in den Frühmärzgrauwolkenhimmel. Das ist sososo wunderbar. Jeansjacke flattert. Kaltwarm angenehm der Wind. Patsch stapf. Seine Füße graue Stiefeletten auf weichfestem Waldboden. Grauheiterschön der Himmel. Die Reise beginnt.

~~~

2017

Klack. Huuuuuuut. Pchink pchink pchink. Huut. Huut. Jargbargabargbarglbarglglbrgblgrg. Hxtszmsncgsu? Gurbgriglmnxyinwhdxte! Jnmxcbsenaklljrgargarglsnnaassmcnnsm. Hrgms. Mieps? Hihi. Da hast du recht. Wirklichimernsttatsächlich? Wunderbar. Klack. Dottergelb drehmomschwungts. Jihahu! Felix Vergil steigt raketengleich ins graulustig Himmelheitre. Sososo wunderbar. Jeansjacke flattert, brausewald ohrnuschelgrummort Frühmärzwind. Patsch Stiefelettenstapf auf federfestem Waldboden. Die Reise beginnt.

Zugrunde liegt diesem Anfang übrigens eine Werbeanzeige von der Deutschen Bundespost anfang 90er: Sie zeigte einen jungen Mann, der vor einer Telefonzelle im Wald einen Freudentanz vollführte; übertitelt war das Bild mit dem etwas altväterlich-anzüglichen Wortwitz "Freudenhäuschen".

 

Weitere Beispiele:

2012

Blau und sehr schön. "Schau die Burg Hohenknaufenhaufenknäufenstedtfels! Schau dort, Bad Hirnzrumpfkumpfingen, da das Kurhotel! Weißt du noch hihi, ja wir sind keine Senioren, aber weißt du noch weißt du noch? Bier Caipirinha in dieser Dorfdiskothek, wir hinaus in abnehmende Mondnacht kichernschwerbetrunken, Knutschen am Rand der Landstraße, wasistdenndas? Haja hach, schau, Fackeln, Scheinwerfer, trompetesaxophonkeyboardschlagzeugelektrischestreicherbigbandschwümmernde Pavillonmusik. Noch Rauch in der Luft vom Feuerwerk, oh schau die Senioren, Omi Opi, tanzen alterssacht untergefasst in volksmusikgalabuntem Plastiklicht! Die haben auch Spaß. Lass uns. Hihi. Ja, hihi Idee hihi." Junges Pärchen zwischen uralten, tanzen Arm in Arm, die Kapelle spielt... etwas... Mambo? Rumba? Ach ich mochte die Tanzschule nie, weil mir das Tanzen für den Tanzunterricht zuviel Spaß machte. Fernsehmoderatorbunte Lichtbalken. Senioren voll Bier Wein Sekt rententeure Cocktails lächeln "Ach die jungen Leute, ja damals lange her, verliebt warn wir wie die genauso genau wie die beiden (die sind doch süß? Ja Elfriede, sag doch? Klar Karlheinz, das ist ein süßes Pärchen, fein zu sehen: lächeln augenzwinkern) groschenromanheimatfilmverliebt warn wir damalslangistsher (aaach lasst uns die verklärte Erinnerung), genauso. Die sind süß, ich mag junge Leute: Elfriede, ich mag junge Leute, ich weiß nicht warum alle immer gegen sie wettern!! (augenzwinkern lächeln)".

~~~

2017

Blauschauklig sonnenglänzend magenkippelnd kaiserinnenwetterschauderschön. „Schau, die Burg Hohenknaufenhaufenknäufenstedtfels! Schau dort, Bad Hirnzrumpfkumpfingen, da!: das Kurhotel! Weißt du nochhihi, ja, wir sind keine Semjohren, aber weißtdunoch weißtnoch? Bier Caipirinha in dieser Dorfdiskothek, wir hinaus in abnehmende Mondnacht schwerbekichert, Knutschen am Randstraßenrand, wasdenndas? Haja hach, schauträumwenn, Fackeln, Scheinwerfer, trompetesaxophonkeyboardschlagzeugelektrischestreicherbigbandschwümmernde Pavillonmusik. Noch Rauch in der Luft vom Feuerwerk, eischau die Semjohren, Elfriede Karlheinz, drehen sich alterssacht untergefasst in volksmusikgalaplastiknem Orgellicht. Die haben auch Spaß. Lass uns. Hihi. Ja, hihi Idee hihi.“ Junges Pärchen zwischen greisenden, Arm in Arm, die Kapelle spielt... etwas... Mambo? Rumba? Achich mochte die Tanzschule nie, weil mir das Tanzen für sowas zuviel Spaß machte. Fernsehgraphitbuhlntes Lichtgebälk. Semaphoren völlernds Bier Wein Sekt privatealtersvorsorgteure Cocktails blächeln: „Ach, die jungen Leute, jajaja damalslangher, verliebt warn wir wie die genauso genau wie die Zwo (die sind doch süß? Elfriede, sag doch? Klarja, Karlheinz, issen süßes Pärchen, fein zu sehen: Augenzwächeln) – diesennerinvomtannengrundverliebt warn wir damalslanglangistsher (ooooaaach! lasst uns diesundjene Verklärinnerung), genaunauNAUso. Die sind süß, ich mag junge Leute; Elfriede, ich mag junge Leute, weiß nicht, warum alle immer gegen die wettern!! (lächläugelnd).“

 

2012

Das Flugzeug blieb wo es war (mit Onkel Bruno kam man ohnehin nie wirklich klar). Peter machte den Schulabschluß. Kein Moped, ein Computer: fernsehgerätbuntflirrender Astrix 70. BASIC, Assembler. Modem: Bits kleine elektronischbunte Datenfunken durch die Telefonleitung. Leire (Physikstudentin im Süden): "I recently wrote a Sourcecode which calculates the Mandelbrot set really fast! Would you like to try it out?"

Das Programm tröpfelt quietschend durchs Modem. Das bunte Apfelmännchen: Nur drei Minuten Rechenzeit. "You must be very smart, Leire."

~~~

2017

Das Flugzeug blieb, wo es war (mit Onkel Bruno kam man ohnehin nie wirklich klar). Peter machte den Schulabschluss. Kein Moped, ein Computer: fernsehgerätbuntflirrender Ventura 70; WHILE, PEEK, mov, add, modembunte Datenfunken durchs Telefongefaser, end. Leire (Physikrose aus dem Süden): „I recently wrote a sourcecode which calculates the Mandelbrot set really fast! Would you like to try it out?“

Qietschtröpfel durch staatsgesegneten Fernemeldeanschluss (es kann (kann (kann)) eben einen philosophischen Staat geben; aber prinzipiell keinen philosophischen Konzern), mohnrot-farngrün-mitternachtsschummerblaues Apfelhóho: drei Minuten Rechenzeit. „You must be very smart, Leire.“ Wie Pfirsiche!!

Die siebzigseitige Vergilkontinuität nocheinmal von Alpha bis Omega durchzuarbeiten wird gewiss einige Tage in Anspruch nehmen. Es hat eben seinen Grund, dass ich mich Dichter-Technologe nenne, und nicht etwa Balduin Bählamm der Dichter-Priester (DP; sprich: Depp) oder so.

 

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Kaffee at 5 o'clock in the morning: 20. April 17

Letzter Umarbeitungsschritt des Felix-Vergil-Kapitels: Die Übergangsszene zwischen Eisdiele und Kernforschungszentrum galt es zu komplettieren; ich spürte mich mit einem Mal an der nachtfiebrigen Grenze meiner sprachlichen Erfindungsgabe ‒ merkte: brauche eine Pause von der Themengruppe "GROSSSTADT, Studentinnen, Busland, etc.", ich muss an anderer Stelle weiterarbeiten. Doch immerhin trennte mich von der Vollendung der neuen Fassung des Kapitels nur noch eine, maximal zwei Seiten! Daher holte ich Dada zur Hilfe.

Begriffe, Satzbausteine, Satzbruchstücke, komplette Sätze ‒ ich schrieb sie auf einen Papierbogen, schnitt sie aus...

...warf sie in die Luft und ordnete sie, nachdem sie auf den Boden herabgefallen waren, zu Mustern, bzw. Bildern. (Hat die Leserin eine Idee, was die verschiedenen Strukturen darstellen könnten?!)

Ein urtümliches Grabmal?

Tempelspuren und eine explodierende Passionsfrucht?

Baum... oder Galgen?

Stufenpyramide?

Die ursprünglich beabsichtigte Form "klassisches Kunstmärchen" wurde damit durchbrochen, doch dies macht nichts:

Die Lok rumpelte in die Horizontale, verweilte für ein Zeitpartikelchen auf dem Maximum – gerade lang genug, dass ich einen Schweifblick rundumtändeln konnte: Wie hoch wir sein mochten? Wohl niedriger als Mount Echos Gipfel; doch der größte GROSSSTÄDTische Wolkenkratzer hätte zweifellos mehrere Male übereinander in den ragenden Gleisbogen gepasst. Klirre Höhenluft schwarzviolettete jaul durch alle Ritzen unseres dieselnden Blechziegelsteins – schon keuchten und sprutzten die schweren Zylinder, bemüht, hinreichend Sauerstoff zur Verbrennung des Ölgemischs einzusaugen – die Tlönkrümmung fischaugte mich magenschaukelnd an, gelbkonvexe Schwellung ins Dunsttrübe ringsum fortstürzend, reglos Schneefeuer der Sonne, rechterhand tief unter uns schwarze Gebirgsrhizome; dann wippten wir kopfüber, rasten mit unglaublich wachsendem Tempo [Jenny. [Stampfschlurfschlingernd auf nächtenem Geteppich – wump-womp-wump-schlurf-wump-womp-stomp –; „Jjaa!!“ (gejauchhauchzt) – schuffelt in länglichem Rechteck zwischen Topfgummibaum und Bücherregal; struppft's Oberteil überkopf & schleudert's werweißwohin – Milchlicht mondkleckert auf der zarten Rosenknospen zwej, die im Tanzkt munter äppelhüpfeln.]]

    Gitterlampengoldgelbglüh dichter, schwerer Fliederdunst
    Kaffee at 4 o'clock in the morning
    Brötchenkorb
    Pixelsternhimmel
    POKE
    Betriebssystem
    Mondlicht
    Jägerzaun einladend zum Poanlehnen für Dorfteenagermädchen mit Schal&Snoopybrille
    

„Aluminflimmriges Gepu239dding goingroundandround schießt blanke Ballerinaarme aus Kürzestaufmerksamkeitsspanne“, knarzte Zauberzwerg Jorges Buffostimme von irgendher: „Ihnen ist klar, welcher Art diese Achterbahn ist?“ [Jenny. Nixkönner steigeln staksbeinig aus'r runtergerutschten Hose; 's unterbricht&zerhackt jegliche Anmut – stattdessen: [hebt's rechte Füßlein heraus & kickt die Hos' linksfüßig von'dann' & stampft & schlängelt weiter zur Geschicht'...] Verena. Tihihi...]

    Kaffeetafel
    Weißgekachelter Stollen						320x200x16
    Eltern								PEEK
    Busland								Zielanzeige safrangelb
    Graffito: 1 Katze hat 1 Schwanz mehr als k1 Katze; k1 Katze hat 2 Schwänze 
	    → 1 Katze hat 3 Schwänze.
    Hund Dän 	Johnny&Maria 	Farngrün auf Schwarz 	Anströmwinkel
    

„Karamellwäffligste Globuntereien beglocken Himmelspapiergescheck, Laublanglattich im Schummer: Bevor ich beginne, möchte ich kurz einige einführende Worte (miserable Rhetorik; lieber sollipstisch amürauchen & multitudinös ergrinsinnereiern) – nur schnell in die Apotheke bringen & aus'm Gully kräuselt Zerstreuschlüchternheit –“ (Oh, mir dämmerdeuchte, welcher Art diese Achterbahn war!) – „Hochwohlulkig, wie oft&gern Menschen das Wörtlein Realität in die Schnute nehmen, meist im Zusammenhang mit Geflimmer von Materie resp. Materialismus. Die Physik hat Letzterzweie verworfen zugunsten von Kausalität&Kraft; die Neurologie Ersteres.“ „&zwar zugunsten von?“

    Verkehrsinsel							AV-Gas
    crémegraues Tastaturgeklotz						Stiefmütterchen
    Piloten heißen stets Johnny						Jugendpsychologin
    programmierfiebrige Nacht						Milchlicht
    Rasende Rostkugel Nelly						1.44 MB
    Strömungsabriss
    

„Daläuftweraufmlirumlarumdachrum; Winkelschweißzart glanzäugig – quirligstes Biergeflöt – ulkig – bleierner Gigant mit hu Moor, klobzigstes Gesperrleder; hundertfuffzichzentimetrig Sirupglücksversprechen, Arktischkragen: ...entbeeren jecklichter Grunzschlage; & itzt...; Maisgekrach mit Beutelsauce (alles schon esser ge)“ – Jorge hatte übermütig seine stampfigen Beinchen auf das Instrumentenbrett der Lok gelegt, die mit irrsinnigem Geschlinger durch etwas raste, was ein kosmisches Gespinst aus rosa glühenden Fasern zu sein schien – „denken Sie es sich als eine Galaxis voll einsam driftender Planeten, auf jedem ein Tempel, der still in den sternschwarzen Winterhimmel ragt. In jedem Tempel wird ein Wertesystem verehrt, untermauert von unglaublich starken Gefühlen [Jenny. [Glutänzelt aus tiefsten Nachtfeldern ins Dämmrige – posämtiert Peter („Na, schau!“) sehr hoheitsvoll-cul ihre Aufzweiplaneten; & der Erzählende pappt 'n Knutscher auf die Linke]], illustriert mit Bildern Szenen Landschaften Personen Erinnerungen: leuchtend bunt an die Wände gemalt.“ „Woraus sind die Tempel erbaut?“ „Nervengewebe: Neuronen, Dendriten, Axonen, Synapsen – auf eine Art und Weise verschaltet, die das jeweiligen Wertesystem, seine Gefühle und Bilder neurokodiert.“ „Wenn einem ein Wertesystem nicht behagt, darf man sich einen neuen Tempel auf einem anderen Planeten suchen?“ „Ha!“

Später wird dieser Abschnitt vermutlich mithilfe der geplanten Curiepolis-Design-Software in eine Form gebracht werden, die den Papierstreifenmustern stärker ähnelt.

Damit sind alle Einzelteile der GROSSSTADT-Kontinuität fertig überarbeitet, sie müssen nun zusammengefügt werden: Eine vergleichsweise einfache Routineaufgabe. Sicherlich werden mir dabei noch allerlei kleinere Verbesserungsmöglichkeiten ins Auge springen ‒ die Perfektionierung eines Textes erfolgt iterativ...

 

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Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon des Osterfestes erste Feierstunde? 16. April 17 (Ostersonntag)

Ihr Chöre, singt ihr schon den tröstlichen Gesang,
Der, um Mount Echos Nacht, von Jennys Nabel klang,
Gewissheit schenkt Peter Anankes Kunde?

Ich sehe nun klar: Die Achterbahnfahrt, die Peter Ananke und der magische Zwerg Jorge unternehmen, wird neurologischer Art sein; ein wilder Ritt durch die Nervenfasern des Menschen. Jenny Bloom begleitet Peters Erzählung mit nächtigem Getanz.

Neben mir schnaufte, trappelte, kicherte es jorgesk. Ich sah den Zwerg mit einem Gemisch von Verdruss und Bewunderung an. „Ich habe den Eindruck, Ihnen kommt das Alles sehr gewöhnlich vor!“ wagte ich zu ihm zu sagen, wieder erzuckten seine Mundwinkel zu minimalistischstem Lächeln. „Fast so, als hätten Sie es erwartet!“ platzte ich heraus, woraufhin er ein breites Grinsen aufsetzte, das die gelblichen Zähne entblößte. Er winkte mir, zupfte mich am Ärmel. Wohin? Auf die vordere Lok hin – das Gezänk der Eisenbahner hinter uns wurde leiser, verstummte plötzlich. Jorge nahm seine Mütze ab – ein seltsames himmelblaues barettartiges Ding, das ihm zwei Nummern zu groß war – schwenkte sie über die Kupplung zwischen den Maschinen: Da waren sie getrennt. Stapfelte die Einstiegsleiter der vorderen hinauf – ich folgte ihm ebenso willen- wie fassungslos, hinter uns schrie's: „He!“ Lok- und Zugführer begannen zu rennen, ich stolperte, als die Maschine anfuhr: Jorge auf dem Fahrersitz, die knorrige kleine Hand am Gashebel. Sah aus dem Augenwinkel, wie der Lokführer nach dem Einstieg hechtete, den Handlauf der Leiter verfehlte, schimpfend zu Boden schlug... ich nahm neben Jorge Platz (diese Loks haben zwei Sitze, wohl für Kontrolleure, Ausbilder, ezettera...), wir rollten mit wachsendem Tempo, das Tausendfünfzig-PS-Aggregat grummelte hitziger. Hinauf ging's, in steilem Winkel himmelwärts, auf den halsbrecherischsten Achterbahnkurs, den man sich vorstellen kann. [Jenny. [Knäuelschlaufige Tanzerillen mit Händen; ominös Wildestes vorahndend.]]

Jorge zog einen Faltplan aus meinem Hemdkragen, wie man sie in Großstädten zur Anschaulichmachung des U- und Schnellbahnnetzes erhalten kann, breitete ihn auf dem Armaturenbrett vor mir aus. Ich begriff, dass dies ein Plan der Achterbahn sein müsse; versuchte, mir einen Reim drauf zu machen – keine Chance: auf dem fingerkuppenqietschigen Glattpapier ein Geschwirr und Geäst vielfarbkodierter Bahnläufe, voller Stationen, Gleisdreiecke, Kopf- und Durchgangsbahnhöfe, Kreuzungs- und Gabelungsstellen, grauschattiertes „im Bau“, ausgeickstes „stillgelegt“, und der Blick, der sich stetig festzuklammern mühte, um einer Linie von da nach dort zu folgen, geriet ins Gleiten, Schlingern, vertauschte Knotenpunkte miteinander, torkelte von Strecke zu Strecke, versuchte, einen markanten Bahnhof als Anhaltspunkt zu gebrauchen, doch der Bahnhof war mal da, mal dort, zerfiel zu zwei Bahnhöfen, verschwand, tauchte weitentfernt am gegenüberliegenden Rand des Blattes auf – ein träge kreisender Bahnstrudel: sah man auf eine gewisse Stelle, dann stand diese still, wie es bei einem gedruckten Diagramm zu erwarten ist! doch der Rest des Blattes quoll, wirbelte, warf flimmrige Blasen von Regenbogenschleiern; suchte man dagegen Alles in seiner Gesamtheit zu erfassen, dann zerfiel es zu buntem Staub, schimmrigem Sterngesprengsel, das in hereinbrechender Nacht funkelte und eine eintönig-sehnsüchtige Melodie sang. Ich wandte mich zu Jorge um, der mit knurrender Begeisterung die Bedienelemente der Lok handhabte. „Ich fürchte, ich kann diesem Plan nicht viel entnehmen!“, bemerkte ich. Der Zwerg blickte mich an, und nun sah ich in seinen Augen ehrlichen Trost und Aufmunterung. „Das ist normal!“, sagte er mit seiner etwas knarrenden Stimme. „Es zeigt, das alles funktioniert. Machen Sie sich bereit, wir erreichen gleich den Apex.“

 

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Mit wachsendem Frühjahr zusammenkrachende Dunkelheit: 13. April 17

Ein kleines Sammelbändchen mit Textauszügen! Eine literarische Vorpremiere ‒ ein "Sneak Preview" gewissermaßen: Wieso nicht?! Momentan gehört es zu meinen am dringlichsten verfolgten Zielen, Curiepolis unter Berliner Literaturfreunden bekannt zu machen. Hierzu scheint mir eine Sammlung von Leseproben sehr geeignet.

Leseproben-Sammlung "Curiepolis zum Kennenlernen" als .pdf zum Download! (6 MB)

Die Sammlung enthält folgende Auszüge:

  1. Beginn des 1. Kapitels
  2. Annika auf dem Hochstand
  3. Tumult in Bouzonville
  4. Der B-Zug
  5. Der Schattenspringer
  6. Metamorphose
  7. Symposion
  8. Der Große Mittag
  9. Auf Tlön (Anfang der Felix-Vergil/GROSSSTADT-Handlungsebene)
  10. AAK (Akute Ausgewachsene Krisensituation): Kuss von Peter und Hikari, Start zum Gipfel des Mount Echo
  11. Der Stadtpark: Vorgeschichte von Curiepolis

 

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Nächtliches Geflüster von Aprilregentropfen: 12. April 17

Der Zwerg – er mochte hundert Zentimeter von den Füßen bis zum akkuraten Mittelscheitel messen, der sein lackschwarzes Haar mit einer Linie weißgelber Kopfhaut teilte – das Auffälligste an ihm die enorme Nase, ein Schiffskiel von einer Nase, kriegerisch vorspringend – dieser befremdlich anmutende Zwerg, halb Waldschrat, halb Feldherr (so kam er mir vor), schob seinen Beköstigungswagen durch den Mittelgang; da außer mir niemand im Zug saß, hatte er wenig zu tun. Ich kaufte ihm ein Schinkensandwich ab und einen Becher Kaffee – welchen er aus einem riesigen Behälter zapfte, der unten aus seinem Karren herausragte, daneben befand sich ein zweiter für heißes Teewasser –; dann setzten wir uns zusammen in eine Platzvierergruppe, rauchten und unterhielten uns. Er war früher in einem fahrenden Zirkus aufgetreten, als Zauberkünstler; nun plante er, sich selbständig zu machen und auf dem Nordwestkontinent seine private Unterhaltungs- und Schaustellerfirma zu gründen; ein gewaltiges Unternehmen sollte das werden mit Milliardenumsätzen. In meiner Brusttasche entdeckte er eine schwarzgraue Zigarre, kurz und klobig wie er selbst, brannte sie sich an einer Flamme an, die er aus seinem rechten Daumen schnippte, blies Rauchfragezeichen, äugte selbstsicher durch die Lande. Er würde, dachte ich, einen recht passablen Großunternehmer abgeben, sein Name war Jorge. Kurz darauf wurden wir beide in Fahrtrichtung geschleudert, wobei die Tischkante mit den Atem aus der Brust rammte und meine Stirn beinahe mit Jorges Nase kollidierte; ihn selbst, der mir gegenüber saß, presste die Trägheitskraft wuchtig in die Polsterung. Während Jorge mir nonchalant einen großen Geldschein aus dem linken Ohr zog und sich damit Luft zufächelte, kam der Zug kreischend zum Stehen. Ich brauchte einige Augenblicke, um Schreck und Schmerz zu verwinden. Eine stark verrauschte Ansage berichtete etwas von „schadhaftem Gleisbett“ und „Fahrtunterbrechung für unbestimmte Zeit“. Jorge und ich beschlossen, auszusteigen und uns umzuschauen. Die Wagentür ließ sich problemlos öffnen – glutdürre Luft, leicht nach verbranntem Gummi riechend, fuhr uns entgegen – neben dem Gleis eine unordentliche Lehmaufschüttung, vielleicht hatte man versucht, hier einen Haltepunkt zu errichten, es aber mittendrin aufgegeben. Ich stieg als erster aus, der kurzbeinige Jorge hüpfte hinter mir herunter, ich blickte nach vorn, wo flimmernde Dieselhitze die Lokomotiven verriet – und es verschlug mir zum zweiten Mal den Atem. Vor uns stieg das Gleis in steilem Winkel in den Himmel, endlos hinauf kletterte es, bis es in der Höhe zu einer schwarzen Linie geschrumpft war, um dann fast senkrecht herabzustürzen und sich zu einer Serie von Schlaufen zu wickeln. Die Bahnstrecke schien von einer Identitätsstörung gepackt worden zu sein, sie hielt sich offensichtlich für eine Achterbahn.

Peter wurde von Leire verlassen ‒ er fährt nun nach Norden, um in der GROSSSTADT ein Forschungsprojekt zur Erkundung des Mount Echo in Angriff zu nehmen. Die Zugreise verläuft nicht wie geplant.

Habe ich das Eisenbahnthema ‒ das in "Curiepolis" ja keinesfalls selten auftaucht ‒ nun endgültig überstrapaziert? Nein; es wird vielmehr durch Peters märchenhafte Erzählung zu einem triumphsurrealen Abschluss gebracht. Den Themenbereich Zauberer/Zirkus/Achterbahn/Jahrmarkt/u.ä. aufzugreifen, scheint mir ein guter Einfall. Noch bin ich mir nicht sicher, wie Peters Geschichte weitergehen bzw. enden wird ‒ doch eines ist klar: es wird im wahrsten Sinne des Wortes ein wilder Ritt! Weshalb der Zauberzwerg Jorge heißt, sollte übrigens allen klar sein!

 

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Träger Wind schiebt jene Wölkchen aus einem Sternbild ins andere; 9. April 17

der Mond im Teich stiert den Mond im Himmel an; in der Luft entsteht ein Geisterreich nach dem anderen: daß man ein Schatten ist, der, durch irgendeinen sonderbaren Reflex aus dem Weltall auf eine leere Wand geworfen, an dieser vorüberhuscht, um wesenlos in nichts zu zerrinnen.
‒ Arno Schmidt: "Julia, oder die Gemälde"

Kreismunder Wolkennachtnabel über der Wetterwarte, drin der Mond (schneeweiß & in wenigen Stunden vierzehn Tage kalt(-heiß: plus hundert-; minus hundert Grad vakuumextrem)), schüttet Silberfieber auf Turm Antennengeblank Radarikosaeder und in langen Schwejksamschweifen GROSSSTADTüber, Hochhausschlüfte Klippgiebel Ferroviadukte Parkkastanjeichen Forschungsinstitutsfensterbänkelsang (mit sauer'wordenem Topfgrün & eingetrocknetem Milchkarton, Packung Kopfschmerztableau & Würfelzuckerkarton) Tram- & Ferngleisstrahlen zitternd vor Graulüsternheit & Jenny Bloom sehrbreitfläzig im Riesenschaumstoffklotzsessel („Wie ha'm sie den nur durch die Tür bekommen?“ – felixdenk), Arme auf Lehnen geflundert, Beine gehundertzweiundsechziggrädertscht, Mondfunke im Nachtbauchnabel (Oberteil daissdassohochgerutscht), blankes Mikrofeuerchen grellwinterlich doppelreflektierte Sonnenglut zwinkernd plinkernd, in Verenas Nespurvonbreitoh!valerie die letztgraue Schlummerahnung eines Protonenquartetts tropftröpftröpfelnd: ergsterbendes Lichtgezirp, der ewig lachende, ewig die kosmischen Korridore durcheilende Elektromagnetismus zu traumfeinem Rinn geläutert, sallabender Dämmer, sich die duftigen Hänge des Bauchtälchens der Meteorologin hinabtastend: was diese – teils an einen Haufen von Klamottizitäten&Büchern, teils an Plurafelix angesofat – bemerkt und aus Schweigträge erwacht. Fingerspitzig dem nächtigen Photonenspringquell rückfolgen, Jennys Nabelring – eingefasster Kristall drinsilblink – antippen, gnihi; & Jenny schweig-staunt, richtet sich grübelierisch auf, fingerzwokuppelt (Zeige-Mittel) in Verenas Schüssel & sinkt wieder zurück.
‒ Fabian Herrmann: "Curiepolis"

Nach der Finalisierung der Stadtparkszene habe ich mich wieder dem GROSSSTADT-Kapitel zugewandt; wobei ich mich zunächst auf den Schluss dieses Kapitels konzentrierte: Die Szene, in der Felix und Plurabelle sich nackt im Ententeich am Kernforschungszentrum vergnügen und dabei mit dem Eichhörnchen und Dr. Owlglass zusammentreffen, woraufhin das Hörnchen ein Portal in die Realität nagt, durch das Felix, Plura und die Kleinste der Enten in eine andere Erzählebene entkommen. Ich staunte, in wie geringem Maße dieser Textteil überarbeitungsbedürftig war; einige Worte weniger, einige Sätze und Ideen hinzu: schon sah die Sache manierlich und interessant aus.

Als letzte Aufgabe bleibt nun, den "Bindeabschnitt" zwischen der Eisdielenszene und der Teichszene zu verfassen. Felix, Peter und die drei Studentinnen aus dem Eiscafé in deren Wegee umziehen zu lassen, schien mir ein guter Einfall. Man macht es sich im Dunkeln bequem (eine Neigung, die ich selber nie verstanden habe: Ich schlafe sogar vorzugsweise bei eingeschaltetem Licht, aber viele Leute, die ich kenne, mögen es düster-schummrig, das sei "gemütlich", gibt man mir zuweilen zu verstehen...), und diskutiert über Thermodynamik:

Auf ner Kommode (Brettspiele&Geschirr&Gewirr&jegliches Wirddemnächstnichtbenötigt) fußpenduliernd der Peter Ananke – Johnny&Maria wohlverwahrt in der Jacke; grade weit'nug aufgereißverschlusst, dass sie'n Stükkel rausschaun können –, enormes Milchkaffeegeschäl in den Händen (fastleer & schon recht kühl: Schaum zerknistert träge am Grund); fragt – Nase deckenwärts, mehr zu sich selbst als zu irgendwem: „Wenn die Sonnenoberfläche bei sechstausend Grad köchelt, wieso nimmt dann der Mond – oder Jennys Ring – oder überhaupt alles-jedes im Strahlungsgleichgewicht mit ihr nicht selbe Temp an?“ „Du hast Ideen!“ – Nachtkehlchen Jenny. Plurabelle: „Tja, hihi! Schon. Aber was's die Antwort?“ Verena: „1Fach. Sonne nimmt vom Mond (oder Jhrem Bauchnabel) aus gesehen nur soundsoviel Sterad Außenwelt ein; Mond oder Ring (|| Welchesobjektauchimmer) strahlen im Verhältnis Vierpie-durch-Raumwinkel(Sonne) mehr Energie ab, als sie aufnehmen.“ Jenny: „Neee! 1 Objekt im Strahlungsgleichgewicht strahlt nie mehr ab als es aufnimmt, sonst wär's nix mit Ähquillippricon; Temperatur würd' ständig sinken.“ Felix: „Liegt's nicht einfach daran, dass das keine Schwarzkörper sind?“ Jenny: „Daran auch.“ Verena: „Wartet-wartet-wartet-warrwirrwartet – “ – Mondschatten kreuchen durch die Wegee: Bücherregale Bücherstapel Büchermassive Autonomeeinzelbücher Topfpflanzen Kochgeschirr Bettzerwühlmäuslerien Shamputer Compuflaschen (as well as Leydensche) Kaffeekannen Vollgekritzelblöcke Bleistiftbüschel Glockenwecker scheinen riesig und-oder von inkonsistenter, wabernder Dämonengröße, aufgedunsen zu schwarzklobigen Nachtschwarten oder zerschrumpft zu verdrehtem, dürrem, knotigem Staubgegnom, das bizarr ausladende Fühler und Hörner aus Weißlichtscherben und Splitterschwärze reckt; Wirrwarr von Zeitfäden, vergessen unterm Bett der Kausalität – „wartet: 's stellt sich 'türlich'n Gleichgewicht ein; Leistung raus gleich Leistung rein; aber nich' nur zwischen Sonn'Mond, sondern Sonne, Mond und Rest der Mannigfaltigkeit.“

Ich versuchte, mir die physikalischen Zusammenhänge genau klar zu machen, bevor ich mich ans Schreiben setzte; dann kam ich darauf, dass es viel lustiger sein könnte, die Protagonisten selbst ein wenig herumspekulieren zu lassen: Die Diskussion im Text entspricht ziemlich genau der internen Diskussion, die meine Gedanken miteinander führten!

Schließlich muss Peter nun noch erzählen, wie er in das Spiegelkorridor-Möbiusband geriet, diese Stelle soll die Form eines klassischen Kunstmärchens annehmen: Herrlicher Kontrast zum vorangehenden, sehr experimentellen Teil! Im Rahmen dieser Erzählung werden auch einige weitere Hinweise auf den dräuenden Krieg zwischen Studentinnen und Bussen fallen. Ein solcher Konflikt wurde übrigens bereits angedeutet, als die Fünf die Eisdiele verlassen:

Sie zahlen, Kellner magerlippt brei(t)haiig rotwieblut („Sie bekommen noch etwas heraus“ ; „Passt so!“ ; „Danke!“), schwarzwieebenholz & weißwieporzellan; schaut, gefrorenen Lächelns, den Fünfen nach, die auf die Straße hinausköpfeln, ins Geflatter von Falterlicht Tintennacht verschatten; wendet sich, listschmunzig augenwinkelnd, zu Kollege zwobisvier (Eisbecher spülierend; Rechnungsbeträge addierend; telefonierend – Eisdiele nun leer, Ladenschluss kommt auf Zeitachse angerumpelt): „Meldung ins Depot. Sie ahnen was.“ Becher Glanzwischel (blank-blank: dass er aus purem Schimmer und gläserner Luft zu bestehen scheint): „Bist dir sicher? Wirkten sehr naiv.“ „Die Naiven sind die Schlimmsten.“ Dreifach nickts, blickts, gruppierts sorgfältig heran, einer hat noch'n Telefonhörer in der Hand; man schaut den Anführer an, der grimmkinnt: „Bereitschaftsstufe zwo. Fahrzeuge Generation Eins auf die Bedarfslinien. Generation Drei Kurzstrecke.“ „Und Generation Zwei?“ – der Telefonhörnerne. Anführer: „Bleiben im regulären Betrieb. Inbetriebnahme der Verlängerung von Linie hundertsechsundzwanzig bis Pumpschwengel-an-der-Rosenhecke zu prüfen.“

Anders als in der ursprünglichen Fassung (in der die Natur des Konflikts, passend zum "barocken" Stil des Textes, weitschweifig erläutert wurde) beschränkt das Ganze sich hier auf ominöse Andeutungen! Dies erscheint mir deutlich spannender und interessanter.

 

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Samtene Frühlingsnacht: 4. April 17

Back to GROSSSTADT. Nachdem ich das Stadtpark-Kapitel erfolgreich umgearbeitet habe, ist es an der Zeit, sich wieder dem Geschehen im Dunstkreis der Chauchat-Straße zuzuwenden! Felix Vergil und seine neuen Freundinnen sitzen immer noch in der Eisdiele ‒ Jenny hat ihre Bombenangriffsgeschichte zuende gebracht; nun kommt es darauf an, die Szene so abzuschließen, dass:

  • ...eine gewisse Verbindung zum Finalteil des 1. Bandes hergestellt wird, d.h. es muss ansatzweise plausibel gemacht werden, wieso Peter Ananke wieder jugendlich ist und mit Johnny und Maria spielt ‒ es sei daran erinnert, dass die Felix-Vergil-Episode kausal vor dem Finale liegt, was man u.a. daran sieht, dass der Mount Echo noch auf der Oberfläche von Tlön steht. (Doch vergessen wir nicht, dass Zeit und Kausalität auf diesem Planeten flexible Gesellen sind...)
  • ...ein Vorgeschmack auf den 3. Thermodynamischen Krieg (angelehnt an den Nernstschen Wärmesatz) gegeben wird: der Konflikt zwischen Studentinnen und Regionalbussen droht, sich in nicht allzuferner Zukunft zu einer Akuten Ausgewachsenen Krisensituation zu entwickeln.
  • ...eventuell (dies ist kein Sine qua Non, eher ein Nice-to-Have) ein Grund ersichtlich wird, weshalb Felix und Plurabelle zurück zum Kernforschungszentrum gehen, um im Ententeich zu baden und Dr. Owlglass und dem Eichhörnchen zu begegnen.

Die Lösung, die ich fand, geht auf einen Einfall meiner Mutter zurück. Ich las ihr Ende vergangenen Jahres die Dorfbüchereiszene aus dem Finalteil vor, in der Annika, Hikari, Dya, Irina und Peter in eine möbiusbandförmige Verkettung von Bibliotheken geraten ‒ welche nach der Art eines Spiegelkorridors durch zwei sich anschauende reflektierende Flächen an gegenüberliegenden Seiten des Raumes entsteht ‒, dort werden sie von höchst zudringlichen Pilzen angefallen, welcher die vier Mädchen sich schwertstreichmächtig entledigen, allerdings wird dabei auch der (zu einer pilzförmigen Monstrosität umgewandelte) Peter von Dya in zwei Hälften gehauen; die Klinge reißt zusätzlich einen Spalt in den Boden, durch den die Vier auf die "Rückseite" des Möbiusbandes gelangen und damit aus dem Spiegelkorridor heraus. Am Eingang begegnen sie einem merkwürdig unversehrten Peter... dies hat mir immer ein wenig Kopfzerbrechen bereitet: War es eine gute Idee, den Knaben mir nichts, dir nichts "respawnen" zu lassen, ohne jegliche Erklärung?! Meine Mutter dachte dieweil, Dya habe das gesamte Möbiusband mittendurch gehauen. Was passiert dabei? Probiert es selbst aus:

 

Aufgabe: Die Leserin überlege sich, woran es liegt, dass das Band beim Durchschneiden entlang der Mitte nicht in zwei Teile zerfällt.

 

Ich schüttelte damals den Kopf und bemerkte, Dyas Schwerthieb habe nur einen punktuellen Riss im Möbiusband verursacht, durch den sie auf die "andere" Seite gelangen; als ich darüber nachdachte, kam mir die Idee meiner Mutter jedoch immer plausibler vor, insbesondere, da sie es ermöglicht, eine interessante Eigenschaft von Möbiusbändern in die möbiusbandreiche Handlung einzubauen.

Darüberhinaus lieferte dieses Detail ‒ kombiniert mit der Neigung von Mädchen, gemeinsam aufs Klo zu gehen ‒ die benötigte Anknüpfung, um die Eisdielenszene zuende zu führen:

Jenny. Ich muss grad mal...

Verena. Auch.

Sie verfügen sich nach rückwärts, (Mädchen zu zweit aufs Klo. Drei Kabinen inderreih, da-dort beunfilzfugt, dritthinterste „defekt“ (hat wohl jmd. versucht, 'n wollnes Mützi runterzuspüln wegen grässlicher Farbe), Türen nur mehr-oder-minder mit Betonung auf „minder“ verriegelbar, man frumpelt Hosenknöpfe auf, konvext sich auf konkav, quabbuliert tihichrich drauflose. Über verenaher Klorolle aufgepermaniert: „D. R. = Gänschen.“ Antihidot von Aneckdocta zu Aneckdocta, dazischen gelegendlicht Pladderei zitronenwarm auf Porzellan. (Felix. Wer'ndie auch mal fertig? Wir sollten allmählich. Plura. Mädchen zu zweit aufs Klo. Felix. Axiom? Plura. Axio(n/m).) Irrgendwann (p)issman fertich; Wasser glumpft zwosimultan ins Abgrunkle, Jenny ziehlupft Hosenbund beckenwärts, Türen aufgeschwungt, Verena ziehschlupft Hosenbund leckenwärts (Jenny. DU!) und sie trippdichen vors Waschbecken; berührungsloser Sehn-soror, Weißgesäultes brubbelt über Regsamhändchen.)

Felix. Da sin'sie (endlich).

Jenny. Mm. Könnt ihr mal schaun-komm'?

Felix. Ich kann doch nich.

Plura. Was denn?

Verena. (hinter Jenny kömmpfelnd) 's so ne Sache. Mit Spiegeln.

Jenny. Wüssten eure Meinung (gern).

Felix. Kann doch nich.

Plura. Ausnahmsweise kannst durchaus. Komm. Deine Meinung.

Man oktäugt mädchentoiletthevibein. (Felix. Ach geht. Ihr seht nicht zu d– Jenny. Was?! Verena. Nee. Genau-schau.) Grünglasiges Nebelgemilch link-rechterhand – Zweifläch zugestirnt – endlos verfieberträumender Korridor.

Felix. An für sich: Was-zu-erwarten-war...? Wenn Spiegel sich anblicken?

Verena. Ach. Steh' nicht länger in der Tür rum – hier herüber –

Felix. Na gut. Solang niemand von euch petzt... hei, sehr sauber im Vergleich (– 's Geriecht hält sich hartnackig: dass das U-Ende des Stoffwechsels bei Mägdgen ein Rosengarten sey – [Plura. Aber doch nicht bei denen, die mal ihre Nase/Zunge dort hatten!] – nee, selbst (gerade?) bei denen... UH!

Verena. Nun?

Felix. Krümmt sich in die andere Richtung. Vom Eingang gesehen links-, von hier: rechterhandrum.

Jenny. Na, das vielleicht auch! Aber!

Felix. Ferner steht da wer unmotiviert herum... achso, das ist doch! Peter! Peter Ananke! Kannst mich hören?

Schulterschlapp nachlässigt er herum – Schräggesicht abgewandt – leiten Spiegelkorridore Schall? (Felix knöchelkloppt ans Glas – Peter! Peter?! – bemerkt uns nicht.)

Plura. Vielleicht sollte er besser nicht rauskommen? (Man weiß ja nie.)

Jenny. Damit er uns zarte Rosengärten aufm Klo belauschen kann? Sonst geht’s dir gut, wie?

Plura. Er schaut doch weg...

Jenny. Aber könnte sich umdrehen! Willst du's verantworten?

Plura. Ei, lieber nein&nicht.

Felix. [stopftgreift Hände in Jeansjackentaschen: Johnny&Maria, euer Einsatz! (Macht euch nützlich!!) Schwupp!]

Parabolen, sich wie Zwillingsasteroide umtorkelnd, ins Griengenebel, dem Peter an'n Kopp! Der sich nun umdreht (Felix winkt), die beiden Aeronauten umherzt, drückt, bekuschelt – herüberschaut; sich diffus beobachtet wähnt – weiterknuddelt; mit ihnen scherzt-plauscht – zerstreut aufblickt&mit der Hakennasenspitze gestikuliert – Riss an Johnnys Stirn entdeckt&hervorquellendes Schaumgummi befürsorglicht (nähen lassen!) – (& Jenny hat die seltsam-sinnliche Idee, ihr Top sekündlich hochzuzuppen & Peter ihre Pfirsichkeiten beaugäpfeln zu lassen: was jenen schlußendlich bewegt, aus fiebriger Korridortiefe hervorzuschreiten – ohne Eile, dann&wann pausierend, um J&M zu betüddeln – von Tripp zu Trapp solidkantig-unvernebelter & mit einem letzten Beinschwung hüstert er sich übers Waschbecken.

 

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Fabian Herrmann, 2016 ‒ 17

 

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