DIE KLIPPEN VON SAIPAN
***********************
(ein Anhang zu: Ein feste Burg ist unser G�tze)

[Die Klippen von Saipan]

Habt Ihr schon mal von den Marianen geh�rt, liebe Leser? Wohl nur dann, wenn Ihr entweder studierte Geografen seid oder Briefmarken sammelt. Im ersteren Fall habt Ihr Euch wahrscheinlich mit der albernen Frage herum geschlagen, ob diese Inselgruppe nun zu "Mikronesien" oder "Melanesien" geh�rt - albern deshalb, weil sie �pfel mit Birnen vergleicht: "Mikronesien" meint eine Ansammlung kleiner und kleinster Inselchen in der S�dsee, ist also ein rein geografischer Begriff; "Melanesien" ist dagegen ein ethnografischer Begriff und meint Inseln, die von dunkelh�utigen Menschen bewohnt werden - auf die Marianen trifft also beides zu. Aber wer kann heute noch Griechisch, und wer darf im Zeitalter des Anti-Rassismus noch wissen, welche Hautfarbe die Eingeborenen irgendwelcher weit entfernten Inseln haben? Eben. Auch von der Geschichte darf man nur noch soviel wissen, da� es einst das finstere Zeitalter des Kolonialismus gab - an dem nat�rlich allein die Deutschen schuld waren. In der Tat verhielten die sich ziemlich merkw�rdig: Als einzige "Kolonialmacht" erwarben sie ihre "Schutzgebiete" nicht durch �berfall und Versklavung der Ureinwohner oder durch Kriege gegen andere, fr�here "Kolonialherren", sondern ganz friedlich, d.h. entweder durch Vertr�ge mit den Eingeborenen oder durch k�uflichen Erwerb vom Vorbesitzer. So erwarben die Deutschen 1899 auch die Marianen durch Kauf - von den Spaniern, die genau wu�ten, da� ihnen die USA, wenn sie nicht an Deutschland verkauften, die Inseln unter irgendeinem Vorwand auch ohne Bezahlung abnehmen w�rden, wie kurz zuvor Kuba und die Filipinen.

[Die Marianen um 1900]

Die Deutschen benahmen sich auch sonst ziemlich merkw�rdig: W�hrend alle anderen, "normalen" Staaten ihre Kolonien ohne R�cksicht auf Verluste ausbeuteten, so gut es ging, steckten die tumpen Germanen bis zuletzt mehr Geld in ihre Schutzgebiete, als sie heraus holten, d.h. sie "investierten", wie sie glaubten, in die Zukunft. So auch auf den Marianen: Unter anderem verlegten sie ein Unterseekabel nach China, bauten einen sch�nen neuen Hafen und ein Postamt; und damit dort auch alles mit rechten Dingen zuging, druckten sie solche Massen von Briefmarken - die sie nie ben�tigen sollten -, da� die noch heute spottbillig sind und in keiner Sammlung fehlen. Deshalb kennt jeder Briefmarkenfreund die Marianen also zumindest dem Namen nach, und wenn er auch mal den Stempel gelesen hat, dann kennt er sogar den Namen der Insel, wo das Postamt stand: Saipan.

[deutsche Briefmarke der Marianen mit Poststempel Saipan]

Soviel Dummheit mu�te bestraft werden, meinten die anderen Staaten, die allenfalls in Milit�r investiert hatten, um ihre Kolonien im Kriegsfall zu verteidigen bzw. die ihrer Gegner zu erobern. (Das war etwas, das die Deutschen vers�umt hatten, da sie naiver Weise auf irgendwelche papierenen Vertr�ge vertrauten, die die Kolonialm�chte ein paar Jahrzehnte zuvor geschlossen hatten und die das verboten.) Deshalb nahmen sie ihnen die Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg weg und �bergaben sie der segensreichen Obhut des so genannten V�lkerbundes, der sie wiederum weiter reichte an so genannte Mandatsm�chte: Die afrikanischen Kolonien fielen an Gro�britannien und Frankreich, die sich dort ja bereits bestens auskannten, und die asiatischen an Japan.

Nun benahmen sich freilich auch die Japaner etwas merkw�rdig - man merkte, da� sie noch nicht viel Erfahrung mit Kolonien und deren Ausbeutung hatten: Die investierten praktisch jeden Cent und jeden Penny ihrer sauer verdienten Devisen, den sie nicht wohlweislich auf die sicheren Banken ihrer guten Freunde und Verb�ndeten USA und Gro�britannien trugen, in ihre Kolonien - sie waren da fast noch d�mmer als die Deutschen: Sie bauten in Taiwan, Korea und der Mandschurei eine moderne, kostspielige Schwerindustrie auf, von der jene L�nder noch Jahrzehnte lang zehren konnten, nachdem... aber so weit sind wir noch nicht. Fragen wir erst, was die Japaner denn f�r die Marianen im allgemeinen und f�r Saipan im besonderen taten? Nun, sie bauten einen Flugplatz. Wozu das? Es gab doch damals gar keine Flugzeuge, die die weite Strecke von dort bis nach Japan fliegen konnten! Geduld, liebe Leser, die Japaner waren weise und weit voraus schauend: Eines Tages w�rde es solche Flugzeuge geben, und dann w�re das sicher eine gute Investition.

Aber vorerst wollten die Japaner noch anderswo in S�dostasien investieren. Als sie - wie einst die Deutschen ohne Krieg, sondern allein durch Verhandlungen und korrekte Bezahlung, den Franzosen Vietnam abkauften, platzte den USA der Kragen: Pr�sident Roosevelt forderte sie ultimativ auf, die Mandschurei und Vietnam den USA sofort als Kolonien, pardon, als Schutzgebiete zu �berlassen, mitsamt allen Anlagen und Investitionen, die sie dort get�tigt hatten, andernfalls die USA zur "Verteidigung" jener Gebiete einen Krieg gegen Japan beginnen m��ten. Als die Japaner - ziemlich verbl�fft ob einer solchen Dreistigkeit - nicht gehorchten, "beschlagnahmte" (Dikigoros verkneift sich das Wort "raubte") Roosevelt alle japanischen Verm�gen in den USA, verh�ngte ein Handelsembargo und bereitete die Einweisung aller japanischst�mmiger Amerikaner in Konzentrationslager vor. Und wenn Ihr, liebe Leser, meinen solltet, da� das alles doch noch gar keine "Kriegshandlungen" gewesen seien, dann k�nnt Ihr Euch jetzt mit dem Komplex "Pearl Harbor" auseinandersetzen - aber ohne Dikigoros, denn der hat das schon an anderer Stelle getan; hier tut es nichts zur Sache.

[Luftaufnahme der Marianen-Insel Saipan]

Wir schreiben das Jahr 1944, genauer gesagt den Juni 1944. Im fernen Europa sind die Invasionstruppen der USA in Frankreich gelandet, im Pazifik schicken sie sich eine Woche sp�ter an, ein gleiches in Saipan zu tun. - Wie bitte? Warum in aller Welt greifen die Amis ein Inselchen an, auf dem gerade mal 2.000 japanische Soldaten und ca. zehnmal soviele Zivilunken herum h�ngen, mit einer ganzen Flotte der Kriegsmarine (4 Schlachtschiffe, 4 Zerst�rer und 300 Landungsboote), einer Luftflotte und 4 Divisionen Marines, Infanterie und Panzern? Die Japaner hatten nicht im Traum damit gerechnet, sondern vielmehr einen Angriff auf die Palau-Inseln erwartet, so da� sie der Angriff v�llig �berraschend traf. (Ebenso wie die Deutschen nicht im Traum mit einer Invasion in der Normandie gerechnet hatten, sondern vielmehr am Pas de Calais, und deshalb v�llig �berrascht waren - anders als die Alliierten hatten es die Achsenm�chte nicht geschafft, den Funkcode ihrer Gegner zu knacken.) Es bedarf keiner gro�en Fantasie, um sich auszumalen, wie der Kampf angesichts dieser Kr�fteverh�ltnisse ausging - oder? Dennoch sollten wir, um das Weitere zu verstehen, nicht nur fragen, wie er ausging, sondern wie er gef�hrt wurde: Die U.S. Air Force belegte das Inselchen zun�chst einmal komplett mit Napalmbomben. (Glaubt doch nicht, da� sie das erst in Vietnam erfunden h�tten! Ihr meint, das sei doch von irgendwelchen papierenen Vertr�gen als Kriegsverbrechen verboten gewesen? Mag sein, aber so doof, sich daran zu halten, waren auch im Zweiten Weltkrieg nur die Deutschen - deshalb haben sie ihn ja auch den verloren :-) Danach machten die Amerikaner aus Saipan "verbrannte Erde" - und das ist w�rtlich zu nehmen: Sie gingen systemetisch mit Flammenwerfern vor, d.h. sie r�ucherten jede Eingeborenenh�tte einzeln aus und ermordeten selbstverst�ndlich auch alle Zivilisten, derer sie habhaft wurden, egal ob Japaner, Eingeborener oder sonstwas. (Es sollen auch einige Koreaner dabei gewesen sein, aber Schlitzauge war Schlitzauge - f�r einen guten Amerikaner war das alles blo� Ungeziefer, das ausgerottet werden mu�te, wie es ihm die gut-demokratische Propaganda t�glich eintrichterte.)

Nach drei Wochen ging den japanischen Soldaten, die sich in den Norden der Insel zur�ck gezogen hatten - zusammen mit einer 5-stelligen Anzahl Zivilisten, die vor den US-M�rderbanden geflohen waren - die Munition aus. Was h�ttet Ihr an ihrer Stelle getan, liebe Leser? Selbstverst�ndlich h�ttet Ihr kapituliert, denn Ihr h�ttet ja nicht gewu�t, was die Amerikaner mit ihren Kriegsgefangenen anstellen w�rden. (Kein Deutscher konnte das wissen, denn bis zum Mai 1945 verhielten sich die Amis gegen�ber Gefangenen v�llig korrekt, aus Furcht vor Retaliation. Erst nach der Kapitulation der Wehrmacht zeigten sie ihr wahres Gesicht.) Die Japaner aber wu�ten es, oder sie ahnten es zumindest. F�r die Soldaten war es keine Frage, was zu tun war: Sie schnitzten sich Bambusspeere und griffen damit in einem letzten "Jauhar" die feindlichen Linien an. Sie fielen bis auf den letzten Mann. (Dachte man jedenfalls - bis Jahrzehnte sp�ter der allerletzte Mann aus dem Dschungel auftauchte; er hatte dort weiter brav ausgehalten f�r Kaiser und Vaterland, als Einzelk�mpfer im wahrsten Sinne des Wortes, und war ganz �berrascht, als man ihn fand und ihm erz�hlte, da� der Krieg schon l�ngst zuende war. Aber Saipan ist halt eine Insel der �berraschungen :-) Nat�rlich nannten sie das nicht "Jauhar" - sie waren ja keine Inder -, sie gaben dieser Prozedur �berhaupt keinen bestimmten Namen; aber weil die Amis nunmal alles irgendwie benennen m�ssen, nannten die das einen "Banzai"-Angriff, nach dem Schlachtruf, den die Japaner bei dieser - wie bei jeder anderen - Gelegenheit ausstie�en. Auch die Zivilisten - d.h. die Frauen und M�dchen, denn die m�nnlichen Zivilisten hatten notgedrungen mitgek�mpft - riefen "Banzai", als sie sich, um nicht den Amerikanern in die H�nde (u.a. K�rperteile) zu fallen, von den Felsklippen am Nordrand der Insel ins Meer st�rzten. Die Amerikaner nennen sie deshalb "Banzai-Klippen" oder "Selbstmord-Klippen"; die Eingeborenen nennen sie "Marpi-Klippen" - doch was sind schon Namen? Namen sind gut f�r Grabsteine - aber das ist eine andere Geschichte. Was nun weniger unangenehm war, der Todessprung von den Felsklippen oder von den Amis zu Tode gefoltert zu werden - und nur diese beiden Alternativen sahen die Betroffenen, ob zu Recht oder zu Unrecht ist eine m��ige Spekulation -, mag dahin stehen. Egal ob ihre Motive gut oder schlecht waren, sie waren jedenfalls nicht religi�ser Natur, deshalb hat es nicht zu einem Abschnitt in "Ein feste Burg ist unser G�tze" gereicht, sondern nur zu diesem Anhang; aber immerhin.

Ach so - weshalb hatten die Amerikaner denn nun jenes traurige Inselchen angegriffen und nicht irgendein anderes? Tja, das war der Fluch der guten Tat: Saipan hatte Dank der Japaner den einzigen brauchbaren Flughafen weit und breit - und inzwischen gab es tats�chlich Flugzeuge, mit denen man von dort aus bis nach Japan fliegen konnte, genauer gesagt bis nach Hiroshima und Nagasaki - und genau das taten die Amerikaner denn auch; aber das ist eine andere Geschichte. Soviel zu guten Investitionen.

* * * * *

Inzwischen hat die S�dsee viel von ihrem touristischen Reiz verloren. Wer "Die gl�cklichen Inseln Ozeaniens" von Paul Theroux - geschrieben ein knappes halbes Jahrhundert nach den Ereignissen von Saipan - gelesen hat, wird auf einen Besuch dort dankend verzichten. Dennoch leben die Marianen heute vom Tourismus - aber nicht von irgendwelchen Luxusreisenden, die Erholung oder dolce vita suchen, sondern... von Japanern, die dort ihrer Toten gedenken wollen. Die Promenade nimmt sich aus wie eine Ansammlung von Heldendenkm�lern, bei denen alles vertreten ist, von gro� und protzig bis zum schlichten Stein mit Inschrift. Irgendwie ist das ja alles ziemlich sinnlos - aber ob es die deutschen Toten jener Zeit, deren Andenken die gleichgeschalteten Medien des BRDDR-Regimes bei jeder sich bietenden Gelegenheit verunglimpfen und mit F��en treten, nicht ein bi�chen neidisch macht, wenn sie von oben auf diese unsere Erde herab schauen?

Nachtrag, der notwendig ist, da Dikigoros oben die Sache mit den geknackten bzw. nicht geknackten Funkcodes erw�hnt hat: Anno 2002 produzierte ein chinesisch-j�disches Konsortium einen verlogenen Spielfilm mit dem Titel "Windtalkers", der dieses Thema mit viel Fantasie behandelte und... 37 Millionen US-$ Verlust einspielte (mehr als einst Cleopatra :-) Es wurde der bisher gr��te Filmflop des neuen Jahrtausends; und Dikigoros hat das den Woo, Chang & Rosenzweig so richtig geg�nnt. Schade nur, da� sich danach keiner der Genannten - aus welchen Motiven auch immer - von irgendwelchen Felsklippen ins Meer gest�rzt hat.


weiter zum Anhang V: Massenselbstmord in Demmin

zur�ck zu Ein feste Burg ist unser G�tze

heim zu Reisen durch die Vergangenheit