Die stigmatisierte Seherin Anna Katharina Emmerick

IX. Im Jenseits

1. Fegfeuer

Im Leben der Anna Katharina Emmerick spielte der Gedanke an das Fegfeuer eine große Rolle. Sie betet für die Armen Seelen; sie empfängt Dank und Lohn für geleistete Hilfe; sie weiß, wo sich der Läuterungsort befindet, ja sie macht dort gelegentlich auch einmal Besuch. "Oftmals fühlte sie als junges Mädchen sich von Scharen von Seelen aus dem Schlaf erweckt und ging mit ihnen in strenger Winternacht barfuß durch den Schnee den wohl ein paar Stunden langen Kreuzweg bei Coesfeld" (455). Offenbar hat sich das Mädchen wider die Naturgesetze die bloßen Füße nicht erfroren.

Immer wieder erschienen Anna Katharina büßende Seelen "um Hilfe bittend" oder sie "riefen aus dem Fegfeuer zu ihrem Herzen" (456). Selbstgefällig schildert sie, wie sie den Seelen im Läuterungsort durch ihr Gebet half und wie die Seelen ihren Dank abstatteten: "Weil ich die lieben armen Seelen immer sichtbar vor mir stehen und ihre Freude an meinem Gebet sah, so verdoppelte das meinen Mut und meine Anstrengung. Wie oft sind sie mir nachher erschienen und haben mir gedankt! Noch jetzt ... tut dies die Seele einer Bauersfrau" (457). In der Zeit, als Anna Katharina bei der Familie Söntgen in Coesfeld beschäftigt war, betete sie mit der Tochter der Hausfrau für die verstorbene Mutter der Näherin. "Als wir", so erzählt Anna Katharina, "so im Gespräch lagen, tat sich plötzlich die Tür vor uns auf. Ich sah einen Glanz hereinkommen, und es pochte mehrmals vor uns auf den Tisch. Wir waren beide sehr erschüttert, besonders die Tochter " (458) . Einmal hatte Anna Katharina vergessen, für die Armen Seelen zu beten, "die Gott am liebsten waren". Als sie am Abend in einer Schupfe Holz holte, sah sie meine weiße Gestalt mit einigen schwarzen Flecken"; das Gespenst sprach mehrmals: "Du vergißt mich! Du vergißt mich!" Dieses "Erlebnis" will Anna Katharina im Alter von neun Jahren gehabt haben (459). Es erscheint unnötig, näher zu begründen, daß es sich um reine Phantasiebilder handelt.

Seelen, denen Anna Katharina geholfen hatte, bedankten sich sichtbar oder wenigstens hörbar. Wenn sie "recht lebhaft" für sie betete, hörte sie "öfters Stimmen" um sich herum, welche sprachen: "Ich danke dir, ich danke dir" (460) . Eines Abends betete sie zusammen mit Klara Söntgen im Bette liegend für die Seelen im Fegfeuer. Nach Beendigung des Gebetes geschah es, daß ein "schöner Glanz" vor der Bettlade "herflog". Mit größter Freude sprach Anna Katharina zu ihrer Freundin: "Sieh da, welcher Glanz!" Klara jedoch erschrak und "sah nicht hin", bzw. sie versteckte sich unter ihrer Bettdecke (461). "Mehrmals" geschah es, daß Anna Katharina nachts "ein helles Licht vor ihren Augen herfahren" sah; es war ihr dabei, als hörte sie eine Stimme: "Ich danke dir". Sie "hielt dafür, dies wäre eine Seele gewesen, die aus dem Fegfeuer gekommen" (462)

Zuweilen durfte Anna Katharina sogar den Läuterungsort unmittelbar aufsuchen. Ihr "Engel" führte sie dann "und ließ sie sehen, welch große Schmerzen die Armen Seelen erlitten" (463). Sie selber erzählt: "Einmal wurde ich von einer unbekannten Person an einen Ort geführt., der wohl das Fegfeuer gewesen sein muß. Ich sah dort viele Personen in großen Leiden, und sie flehten mich um Gebet an. Es war mir, als wenn ich in einen tiefen Abgrund geführt würde. Ich sah da einen großen Platz, der einen schrecklichen, doch aber mehr rührenden Eindruck machte. Da saßen so stille, so traurige Menschen. Doch hätten sie noch etwas im Gesicht, als ob sie noch Freude im Herzen hätten und an den barmherzigen Gott gedächten" (464)

Folgendermaßen beantwortet Katharina Emmerick die Frage nach dem Wie und Wo des Läuterungsortes. "An vielen Orten sind die Seelen sehr dicht zusammen, und da ist große Angst. Einige der Orte sind tiefer und dunkler, andere höher und heller. Die Räume, worin sie abgeschlossen und getrennt sind, sind auch verschiedene Gestalt. Einige sind zum Beispiel wie Backöfen." Auch die Frage nach der Art der Leiden weiß Anna Katharina zu beantworten: "Es sind da Orte, wo böse Geister die Seelen peinigen, schrecken und quälen. Diese sind die grausamsten, und man würde sie für' die Hölle halten, wenn die unaussprechliche Geduld der Seelen nicht vom Gegenteil überzeugte. Es ist nicht zu sagen, welche Freude, welcher Trost es den Zurückbleibenden ist, wenn Seelen erlöst werden." Von der Sicherheit, die ein Heiligsprechungsprozeß über das Schicksal Verstorbener im Jenseits in Anspruch nehmen kann, hält offenbar Katharina Emmerick nicht sehr viel, wenn sie sagt: "Ich sah auch Orte, wo Leute, die irdisch heilig gesprochen waren und ihre Heiligkeit nicht vollendet hatten, gepeinigt wurden" (465).

Einen genauen Einblick, wie es im Fegfeuer aussieht, vermittelt Katharina Emmerick in einer anschaulichen Berichterstattung: "Sie schilderte das Fegfeuer als ein großes Reich voll Trauer und Pein. Die Zustände der Armen Seelen sind aber je nach der Größe und der Art der Schuld ganz verschieden. Im äußersten Fegfeuer ist Finsternis; hier können die bösen Geister eindringen, um die Seelen durch stetiges Ängstigen wegen ihrer Sünden zu quälen; andere Orte sind heller. Die einen Seelen sind eingekerkert, andere können sich bewegen; die einen sind allein, die anderen in Gemeinschaft. Die Strafen sind äußere, wie auch geistige, wenn wir es nach irdischen Anschauungen ausdrücken. Sie sah im Fegfeuer schreckliche Peinigungsorte, nur wegen der Zeit von der Hölle verschieden. Die äußeren Leiden erkannte sie als solche, welche den irdischen körperlich entsprechen. Sie sah Seelen gegeißelt, von Hunden zerfleischt, von Feinden mißhandelt werden, in Ketten, im Block liegen, eingemauert und Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Entbehrungen, Not, Angst und Verlassenheit ausstehen" (466)

Anna Katharina verdanken wir schließlich auch noch den Hinweis, wo das Fegfeuer zu suchen ist: "Sie gelangte zum Fegfeuer am Nordpol der Erde. Sie reist mit ihrem Engel zuerst gegen Morgen zum Ganges. Hier steigt sie die Erde immer höher und höher (Himalaja-Gebirge). Sie wird dann gegen Mitternacht geführt, kommt durch das Urland Dschemschids, schaut Gebirge voller Affen. Sie steigt allmählich nieder, kommt in ein kälteres Land, wo häßliche Menschen mit langen Haaren wohnen und mit Hunden fahren; langgestreckte Tiere mit kurzen Füßen und langen Ohren liefern ihnen Pelze als Kleidung. Ein noch nördlicheres Land ist voll Morast und Wildnis, hie und da sieht sie noch Menschen mit eingedrückten Nasen. Sie gelangt dahin, wo keine bewohnte Erde mehr ist; es geht immer mehr hinab, wird immer nebliger und kälter, bis ein Meer kommt voll von Eisbergen. Die Erde fällt nunmehr ganz steil ab und ihr Umkreis ist ganz enge. Sie sieht die Erde wie ein Ei, nicht wie eine Kugel. Sie kommt zuletzt Über einen Wulst von Metall und der Ort des Fegfeuers liegt wie ein halber schwarzer Zirkel vor ihr. Sie steigt zum Fegfeuer wie unter die Erde nieder" (467)

Die Seherin von Dülmen weiß auch, woher die Geister stammen durch welche die Armen Seelen gequält werden. Es sind die "bösen Geister", deren Wohnort sonst der Mond, die Planeten und Kometen sind" (468)

In den Gesichten Katharina Emmericks spiegeln sich kindlich-naive Volksanschauungen wider, über die man weniger staunen muß als über die Theologen, die solche Phantastereien als Wirklichkeit hinnehmen.

2. Geisterwelt
a) Gute und böse Geister

Anna Katharina Emmerick weiß hinsichtlich der Geisterwelt wesentlich mehr als die Theologie. Um die Mitte des Oktobers 1820 schildert sie: "Ich habe schon als Kind und nachher öfter gesehen, daß drei ganze Engelchöre, welche höher waren als die Erzengel, fielen, daß nicht alle zur Hölle stürzten, sondern ein Teil, welcher eine Reue hatte, außer der Hölle blieb, und daß dieses jene Geister sind, welche die Planeten bewohnen und auf die Erde kommen, die Menschen zu verführen. Am Jüngsten Tag aber müssen sie zum Gericht und zur Verdammnis. Ich habe immer gesehen, daß die Teufel aus der Hölle nie herauskommen. Ich habe auch gesehen, daß viele Verdammte nicht gleich zur Hölle fahren, sondern schadend und quälend auf Erden und an einsamen Orten verweilen" (469). Sie fährt weiter in ihrer Schilderung: "Ich habe immer gesehen, daß beim Sturz der Engel eine gewisse Anzahl einen Moment der Reue hatten und nicht so tief fielen als die anderen, und daß diese später auf einem einsamen, ganz hohen, unzugänglichen Gebirg, das bei der Sintflut ein Meer geworden ist, ich meine das Schwarze Meer, einen Aufenthalt erhielten, und ... eine Freiheit hatten, auf die Menschen zu wirken, insofern sie sich von Gott entfernten. Nach der Sintflut sind sie von da verschwunden und in die Luft versetzt worden. Sie werden am Jüngsten Tage erst in die Hölle verstoßen werden" (470)

Den moralischen Verfall der Nachkommen Kains sieht Katharina Emmerick in enger Verbindung mit den bösen Geistern: "Ich sah die Nachkommen Kains immer gottloser und sinnlicher werden, und die Weiber ganz besonders, und sah, daß auch hier, wie im Paradies, der Teufel immer besonders hinter den Weibern her war. ... Ich sah, daß die Nachkommen Kains an diesen Bergrücken immer mehr hinanzogen, und daß die gefallenen Engel solche Frauen in Besitz nahmen und ganz regierten, und daß sie voll äußerlicher Anmut und Kunst wurden. Solche Weiber nun verführten wieder andere Männer, und sie gebaren dann wunderbare Kinder, die sehr groß wurden und allerlei Künste und Gaben hatten. (471)

b) Gestirne

Die Planeten sieht Katharina Ermmerick von Geistern bewohnt. Auch über andere Gestirne offenbart sie Erkenntnisse, die weit über das Wissen der Astronomen hinausgehen. Keine hohe Meinung hat sie von den Kometen . "Die Kometen", sagt sie, "sind voll Gift. Sie sind wie Zugvögel. Wenn nicht so große Stürme und andere Geisterwirkungen dazwischen wären, würden sie die Erde leicht verletzen. Es wohnen wunderbare Zorngeister drin. Sie haben so abgerissene Lappen drin. Es sind keine Menschen. Es sind auch keine Affen" (472) .

Anna Katharina erklärt die Milchstraße folgendermaßen: "Die Milchstraße sind viele kleine Wasser, wie Kristall. Es sind, als baden gute Geister drin, als tauchen sie auf' und nieder, gießen allerlei Tau und Segen, wie eine Taufe aus " (473)

Von der Sonne glaubt Anna Katharina, sie "gehe eine eirunde Bahn. Sie sei ein von heiligen Geistern belebter, wohltätiger Körper. Auf der Sonne selber sei es nicht heiß. Das Licht und die Wärme entstehe erst um sie her. Die Sonne sei weiß und lieblich, mit schönen Farben durchzogen" (474) .

"Viele Himmelskörper" bezeichnet Anna Katharina als "noch unbevölkerte schöne Orte, welche einer künftigen Bevölkerung hofften"; viele unter den Sternen seien "Gärten und Behälter einzelner Früchte" (475).

Ausgesprochenen Aberglauben vertritt Anna Katharina Emmerick, wenn sie behauptet: "Die Gestirnwirkung ist auf die Stunde der Geburt, da das Kind frei wird" (476).

Den Zustand des Mondes beschreibt die Seherin so: "Der Mond ist kühl und steinig, voll hoher Berge und tiefer Löcher. Er ist ganz voll schwerer Sachen und hat einen ziehenden und drückenden Bezug auf die Erde. Es sind die Wässer drin sehr steigend und fallend. Bald ziehen sie große Massen von Dünsten von der Erde, und es ist dann, als ob große Wolken in die Höhlen hineinschlüpften, und dann ist es wieder, als ob alles überflösse, und dann drückt es so schwer gegen die Erde, daß die Menschen melancholisch werden. Es ist an vielen Orten sehr trocken, und in den Bergen sind sehr viele Löcher, welche sich füllen und ausströmen von und nach der Erde." Am interessantesten erscheint die Beschreibung der Lebewesen auf dem Mond: "Die Mondgeschöpfe mit den Haaren um den Unterleib sind geschickt. Sie bauen ihre Häuser so schön in den Reihen. Sie haben kleine Türen und sind wie offen. Es sind auch viele Obstbäume in Reihen und ordentlich da. Getreide habe ich nicht gesehen und kein Kreuz noch ander Bild. Die Seelen, welche ich sich immer in den Schatten verbergen sehe, scheinen leid- und freudlos, als an einem Strafort hier, bis zum Gericht" (477). Kann es sich bei solchen Faseleien um übernatürliche Erleuchtung handeln?

c) Schutzengel

Es ist ein ganz eigenartiges Bild, das Katharina Emmerick über die Engelwelt zu entwerfen weiß. Sie meint, "der ärmste Selige habe einen höheren Rang als der erste Engel" (478). Jedem einzelnen Menschen schreibt sie zwei Geister zu, die ihn gleichsam dauernd umschweben. Diese, ein guter und ein böser Geist, befinden sich ihrer Meinung nach sogar in der Kirche in der Nähe der dort Betenden. Sie sagt: "Ich sah in der Kirche eine wunderbare Tätigkeit der Schutzengel neben den Menschen. Ich sah, wie sie andere Geister von ihnen scheuchten, indem sie ihnen bessere Gedanken zuführten, ihnen rührende Bilder vorstellten. Ich habe einmal gesehen, daß jeder Mensch zwei Geister bei seiner Geburt empfängt, einen guten und einen bösen. Der gute ist himmlischer Art, doch von der niedrigsten Ordnung. Der böse ist noch kein Teufel, er ist noch nicht in der Pein, aber er ist außer der Anschauung Gottes" (479) . Anna Katharina glaubt, daß sich die Schutzengel gelegentlich ablösen. Sie weiß zu berichten: "Ich sehe oft, daß ein Mensch einen anderen Schutzengel erhält, wenn er eines anderen Schutzes bedarf. Ich habe mehrmals einen anderen Führer erhalten" (480) . Den Wechsel der Schutzengel schreibt sie dem inneren Wachstum der einzelnen Menschen zu. Clemens Brentano notierte anfangs Oktober 1820: "Sie kam in ein überaus kindliches Beschreiben von dem Wesen und der Ordnung der Geister und sagte, die Menschen erhalten, so sie in ihrem Inneren wachsen, Schutzengel einer höheren Ordnung." Sie weiß von vier Engeln, von "vier geflügelten Engeln Elohim, welche die göttlichen Gnaden austeilen", sogar die Namen; sie lauten "Raphiel, Etophiel, Selathiel, Emanaelu" (481).

Ebenso merkwürdig klingt, was Katharina Emmerick über den Engel zu sagen weiß, den sie dem Täufer Johannes zuschreibt: "Der Engel, der zu ihm kam, war wie ein Knabe seines Alters. Ich habe ihn früher kleiner und später größer gesehen. Er wuchs ordentlich mit ihm auf"(482) . Es müssen doch wohl solch unsinnige Lehren auch unter Theologen Gläubige finden, sonst würden sie nicht mit kirchlichem Imprimatur versehen verbreitet.

Katharina Emmerick hatte ihren Schutzengel "stets bei sich"; sogar im "natürlichen Wachsein" hörte sie "die Stimme ihres Engels". "Nahte der Engel sich Katharina, so sah sie zuerst einen Glanz, aus welchem dann die leuchtende Gestalt desEngels hervortrat; er erschien ihr durchsichtig und einen blendend weißen Priestertalar tragend. Der Engel vollführte an ihr eine doppelte Aufgabe. Er mußte sie in die für eine noch mit dem Leibe verbundene Seele so ungewohnte und schwierige Anschauung der himmlischen Dinge einführen, als Geist ihren Geist begleiten, ihn stützen und in den großen Gebieten der zu schauenden Dinge zurechtweisen. Dann hatte er als zweite Aufgabe, ihr äußeres und inneres Leben durch stetigen Unterricht und Schutz zu dem Zwecke zu ordnen, daß sie die Taufunschuld nicht beflecke und daß sie durch Streben nach höchster Vollkommenheit sowohl fähig bleibe für die außergewöhnliche, große Gabe der Beschauung, wie auch das breite Gefäß werde, welches Gott zur Leidenssühne für ihre Mitmenschen erwählt hatte" (483)

Der Engel, welcher Katharina Emmerick bei ihren Visionen zur Seite stand, war ihr "Begleiter", der sie führte und belehrte. "Sie schaute ihn an ihrer Seite, mit ihr wandelnd, zu ihr sprechend, um sie zu ermahnen oder ihr das Geschaute zu erklären." Dechant Rensing gegenüber sprach sie einmal über ihn: "Ich mußte über ein kleines, schmales Brückchen gehen und es graute mich, wenn ich von demselben hinuntersah auf das Wasser, welches tief unter demselben hinfloß; aber geleitet von der Hand meines Schutzengels kam ich glücklich hinüber." Diesen Begleiter beschreibt sonst die Seherin als "jungen Geistlichen", als ihren "bekannten Freund und Führer". Dem Bernhard Overberg versicherte sie, während ihrer Schauungen, die ihr als Klosterschwester gewährt worden seien, habe ihr oftmals "ein schöner Jüngling die Hand gegeben und sie auf dem schmalen Weg geführt" (484)

So sehr auch Katharina Emmerick fortwährend vom Teufel belästigt wurde, sie brauchte nichts zu fürchten; sie sagt selber:. "Ich sah meinen Schutzengel immer an meiner Seite, und soviel der böse Feind gegen mich hetzte, ja selbst mit Poltern, Schlägen und Werfen mich mißhandelte, konnte er mir doch keinen Schaden tun" (485)

Wie sie selber wiederholt versicherte, zeigte sich ihr Schutzengel, ihr "Führer", oftmals in sichtbarer Gestalt; sie erfuhr auch seinen unmittelbaren Schutz. Am 13. Januar 1823 erzählte sie Clemens Brentano, auf ihrer Zelle im Kloster sei er sehr oft leuchtend neben ihr gestanden (486). Wenn sie zur Winterszeit abends um 6 Uhr von der Jesuitenkirche in Coesfeld kommend "durch Nacht, Regen und Schneegestöber" nach Hause ging, pflegte sie auf dem Wege zu beten. Sie erzählt- "Dann sah ich bald einen Schein wie eine Flamme vor mir schweben, welche eines Jünglings Gestalt hatte. Sogleich war dann der Weg unter mir trocken, es war hell um mich, es regnete und schneite nicht auf mich und ich kam ganz trocken nach Haus, wenn es gleich die ganze Nacht geregnet hatte" (487). Oftmals machte Anna Katharina ihren Schutzengel selbst zum Gesandten. Beim Gebet für andere Menschen gab sie ihm dann den Befehl, zu diesen zu gehen und sie zu trösten; sie hat ihn dann auch wirklich "hinwandern" sehen (488) . Der Engel stand ihr zuweilen bei, wenn der Teufel sie umbringen wollte. Sie erzählt im August 1821: "Einmal ward ich als junges Mädchen durch die Bodenluke hinter mir die Leiter hinabgestürzt. Mein Engel rettete mich. Ein andermal, da ich an einem schmalen Rand, um das Korn nicht zu verletzen, neben einer tiefen Grube voll Wasser herging, stieß der Feind mich hinein. Mein Engel rettete mich. In einem anderen Fall stürzte mich der Feind der Menschen in ein Wasser, wohl zwei Mann tief. Dreimal ward ich zum Grunde gestoßen, mein Engel aber hob mich empor, heil und gesund, zum Ufer" (489)

Der Schutzengel hatte nicht bloß die Aufgabe, Katharina Emmerick bei den Nachstellungen des Teufels zu schützen; er half ihr auch durch Inspirationen. Sie wurde "während ihres Lebenslaufes von ihrem Schutzengel im voraus über manche Personen unterrichtet, welche mit ihr in Verbindung treten würden, damit sie für dieselben und mit ihnen in entsprechender Weise wirke" (490)

Anna Katharina unternahm häufig "Traumreisen' in ferne Länder, wobei sie mit ihrem "Führer" über Länder und Städte hinwegzog. Auch da half ihr der Engel. Sie erzählt: "Wenn ich auf meinen Traumreisen an große Wasser komme und mich ängstige, wie hinüberkommen, bin ich auf einmal drüben und schaue verwundert rückwärts" (491). P. Wegener sagt von diesem "Führer": "Er schwebt vor oder neben ihr, er ist der Führer des Weges. Kein Land, keine Religion, kein Mensch, wo immer sie wirken soll, ist von dem Segen ihrer Liebes- und Leidenswerke ausgeschlossen. So wurde sie von ihrem Engel zu einer Heidin in Japan und zu einer Jüdin in Abessinien gebracht, welche in ihrer Art Gott richtig dienten, damit sie jene zur richtigen Erkenntnis der wahren Religion brächte" (492). Wie bei den "Traumreisen", so handelte es sich auch bei den "Erlebnissen" um bloße Phantasiebilder.

d) Teufel und Hölle

Nicht bloß in Visionen, sondern auch in der Wirklichkeit soll Katharina Emmerick vieles über die Welt der bösen Geister erfahren haben. Einmal wurde sie persönlich "von ihrem Engel zu dem Ort der Hölle geführt". Anlaß dazu bot dem "Engel" ihr Klagen über unaufhörliche Schmerzen, die sie veranlaßten, Gott zu bitten, "er möge ihr doch einen ruhigen Tag schenken". Weil sie sich wie in der Hölle dünkte, erhielt sie einen Verweis durch ihren Engel, der zu ihr sprach: "Damit du deinen Zustand nicht mehr mit der Hölle vergleichst, will ich dir die Hölle zeigen." Der Einstieg zur Hölle war am "Nordpol", wo sie "unter die Erde" stieg und "unterhalb des Fegfeuers nach der Mitte der Erde hin zu dem Ort des Schreckens" gelangte. "Wenn ich gedenke, was ich dort gesehen", äußerte sie sich später, "so zittere ich noch am ganzen Leibe". Sie hatte einen "Ort von unendlichen Qualen" erlebt, einen Ort, wo der "Gesichtskreis immer Nacht war" (493)

Etwas anders, aber auch genauer wurde die Hölle den Seherinnen von Fatima gezeigt. Im Sommer 1941 enthüllte Lucia zum erstenmal die im Jahre 1917 erhaltenen "Offenbarungen"; sie berichtet: "Unsere Liebe Frau zeigte uns ein großes Feuermeer, das in der Tiefe der Erde zu sein schien. Eingetaucht in dieses Feuer sahen wir die Teufel und die Seelen, als seien es durchsichtige schwarze oder braun glühende Kohlen in menschlicher Gestalt. Sie trieben im Feuer dahin, emporgehoben von den Flamen, die aus ihnen zusammen mit Rauchwolken hervorbrechen. Sie fielen nach allen Richtungen hernieder, wie Funken bei gewaltigen Bränden, ohne Schwere und Gleichgewicht, unter Schmerzensgeheul und Verzweiflungsschreien, die einen vor Entsetzen erbeben und erstarren machten. Die Teufel waren gezeichnet durch die schreckliche und grauenvolle Gestalt von scheußlichen, unbekannten Tieren, aber auch sie waren durchsichtig und schwarz" (494) .

Als Aufenthaltsort der "bösen Geister" erkannte Katharina Emmerick die Planeten, "und zwar sah sie in gewissen Kreisen um die Erde neun Körper, wie entfernte Sterne, von Geistern verschiedener Art bewohnt. Sie erhielten diesen freieren Aufenthaltsort auf den Gestirnen, weil sie bei ihrem Sturz eine Art Reue gehabt; beim allgemeinen Gericht werden sie in die Hölle eingeschlossen. Auch halten sich solche Geister auf dem Monde und den Kometen auf. Diese Geister sind es, welche auf die Erde kommen, auf die Menschen eindringen und in ihnen falsche Gelüste und Gedanken erwecken. Sie stiften gegen die Kirche Gottes Böses an, sowie Aufruhr und Krieg unter den Menschen. Auch sind sie es, welche die Seelen im Fegfeuer quälen. Sie sah ferner viele böse Geister in der Luft und vieles auf Erden von ihrem Grimm verderbt. Ferner erkannte sie, daß viele verdammte Menschen an einsamen wüsten Orten und an der Stelle ihrer Untat in Qual auf Erden und bis zum Weltgericht verweilen" (495)

Von frühester Jugend an will Katharina Emmerick die Nachstellungen des Teufels zu spüren bekommen haben. Sie sah ihn in der Gestalt eines Menschen oder eines schrecklichen Tieres; des Teufels Angriffe bekam sie nicht selten auch leiblich zu spüren. Wie sie versicherte, begannen die teuflischen Nachstellungen von ihrem siebenten Lebensjahr an. Sie erzählt im Jahr 1823: "Von meinem siebten Jahr an ward ich im Gebete durch lebhafte Anfechtungen des bösen Feindes gestört. Bald lärmte und polterte es um mich, bald wollte es mich wegreißen oder emporheben von den Linnen, bald riß es mir die Kissen im Bette unter mir weg" 496). In der Zeit, als sie zur ersten hl. Kommunion ging, also um das Jahr 1786, hat sie "durch allerhand Beunruhigungen im Bette, als wenn sie unter dem Kissen hätte ersticken wollen oder als wenn etwas Schweres und Lebendes ihr auf den Leib gefallen wäre, Teufelsversuchungen gelitten". Aber nicht bloß ihr geschah derlei, sondern auch ihrem Bruder widerfuhren "solche Beunruhigungen" (497).

Im Buch "Im Banne des Kreuzes" wird die Auffassung vertreten: "Es ist für die Beurteilung dieser Erscheinungen von seiten Anna Katharinas wichtig, ihre ausdrückliche Angabe zu beachten, daß alles nur dann statthafte, wenn sie betete, also wenn sie noch wach war. Es ist gewiß, daß sie es für Teufelsversuchungen hielt" (498) . Dazu ist bloß zu bemerken, daß es derartige "Erscheinungen" nicht nur im normalen Schlaf gibt, sondern bei psychisch gestörten Personen auch im "Tagwachtraum". Es handelt sich demnach nicht um reale Erlebnisse, sondern um phantastische Innbilder.

Ob zur Nachtzeit oder am hellen Tag, immer wieder ließen die Teufel an Katharina Emmerick ihren Zorn aus, vor allem dann, wenn sie beim Gebet war. Sie fühlte an "manchen Orten, daß hier Böses geschehen sei, daß hier ein Fluch liege". Um die böse Tat zu sühnen, betete sie "im Felde kniend mit ausgespannten Armen". Da, so erzählte sie, "brauste oft der Satan um mich, schlug mich, warf mich um und verfolgte mich auf alle Weise". Sie vertrieb den bösen Feind mit den Worten: "Du Elender sollst mich nicht vertreiben! Du hast keinen Teil an mir und sollst auch keinen mehr an dieser Stelle haben" (499). Da der Teufel nicht zum angestrebten Ziele kam, "reizte er einen bösen Knaben", der ihr Gebet auf freiem Felde ausgekundschaftet hätte, ihre "Schamhaftigkeit zu beängstigen" und sie zu vertreiben. Der Junge kam nachts auf das Feld und wollte sich "unschicklich" gegen sie betragen und sie "herumzerren". Aber das Mädchen vertrieb ihn (500). Zuweilen griff der Satan auch physisch zu. Eines Abends, als Anna Katharina in ihrer Kammer vor dem Bette stand, ergriffen sie an den Füßen "zwei eiskalte Hände unter dem Bett hervor" und warfen sie um. Einmal gar, als sie krank darniederlag, wütete der böse Feind gegen sie, als wolle er sie "erdrosseln und zerreißen"; drohend "sperrte er seinen Rachen glühend" gegen sie auf. (501).

Nicht weit von ihrem Elternhaus entfernt befand sich ein Platz, auf dem nie etwas gedieh. An dem Ort soll im Siebenjährigen Krieg ein Hannoveraner erschossen worden sein. Die Leute wollen dort "allerlei" gesehen haben; selbst Pferde, so wurde erzählt, pflegten an dem Ort "zu brausen und scheu zu werden". Anna Katharina sah dort "zwei dunkle Gestalten" umherirren. Das war für sie der Anlaß, "immer dort nachts mit ausgespannten Armen" zu beten. Da kam einmal "ein Scheusal wie ein großer schwarzer Hund" mit "feurigen Augen" und einem "Rüssel" und legte ihr seinen Kopf von hintenher auf die Schulter. Die Angefochtene vertrieb das Ungeheuer durch ihr Gebet. Als sie ein andermal wieder nachts eifrig betete, wurde sie "mit großem Brausen ergriffen und in die Höhe gehoben" (502). Vor allem wenn Anna Katharina dem Gebet oblag, ergriff sie der Teufel. Sie war gewohnt, des Nachts bei einem Kreuz auf freiem Felde zu beten. Sobald sie dorthin kam, "stand ein greuliches Tier, wie ein pferdehoher Hund, mit scheußlichem, dickem Kopf auf dem Stege" und wollte dem Mädchen den Weg versperren (503). Einmal betete Anna Katharina in der Kirche; "da warf sich der böse Feind mit solcher Gewalt" an ihrer Seite auf die Bank nieder, daß diese heftig krachte (504) . Ein andermal versuchte der Teufel das Mädchen "durch schreckliches Geräusch" zu vertreiben, als es nachts unter freiem Himmel mit ausgebreiteten Armen betete. Da sich die Beterin nicht stören ließ, "trat er plötzlich als greuliches Tier, wie ein ungeheuer großer Hund" hinter sie und legte ihr den Kopf auf die Schulter. Aber Anna Katharina war tapfer; sie ließ sich nicht vertreiben (505). Am Weihnachtstag 1801 war sie mit einer Freundin auf dem Weg zum Gottesdienst. Da wollte sie "der Satan in Gestalt eines dunklen Hundes' in Menschengröße am Weitergehen hindern. Sie vertrieb ihn ohne Furcht (506). Später ergänzte sie den Bericht: "Der Hund auf dem Kirchwege in der Christnacht hätte sie da eine Viertelstunde angehalten. Dieser hätte sich erst auf einer kleinen Brücke, über welche sie gehen mußte, sehen lassen", bis er schließlich verschwunden sei, als sie sagte: "Im Namen Jesu" (507)

Dann und wann erschien dem Mädchen der Teufel in Menschengestalt. Eines Jahres vom Ostersonntag zum Ostermontag ging Anna Katharina inmitten zweier Kameradinnen zweiundfünfzigmal betend um die Kirche von Coesfeld. Sie erzählt: "Als ich so recht dringlich in das Gebet kam, überfiel mich der böse Feind in der Gestalt eines jungen Burschen und schleuderte mich zwischen meinen Begleiterinnen hin und her, und das zu mehreren Malen. ... Da wir nun aus der Stadt zurück nach Haus gingen, warf mich dieselbe Erscheinung kopfüber in eine zwanzig Fuß tiefe Gärbergrube". Anna Katharina wurde allerdings in geheimnisvoller Weise wieder "wie schwebend" herausgehoben An einem Karfreitag nachts betete sie für zwei zerstrittene Eheleute den Kreuzweg. Da überfiel sie der "böse Feind in Gestalt des Ehemannes" und wollte sie erwürgen (509). Während ihrer Noviziatszeit kam der Teufel in der Gestalt der Oberin und der Novizenmeisterin in ihre Zelle und überhäufte sie "mit den bittersten Reden und Schmähungen". Wie sich herausstellte, hatte keine der beiden Schwestern in der fraglichen Zeit ihre Zelle verlassen (510). Ebenfalls im Noviziatsjahr erschien Anna Katharina "ein schöner Jüngling", der sie überreden wollte, wieder das Kloster zu verlassen. Sie vertrieb den Versucher (511)

In "Gesichten" ließ der Teufel Anna Katharina "unzüchtige Handlungen" schauen, um sie zu verführen . Als sie bei der Näherin zu Coesfeld beschäftigt war, schickte er ihr zu wiederholten Malen Männer, die sie verführen sollten. Erst später erkannte sie "in Gesichten", daß er es war, der ihr junge Männer und einmal auch einen Ehemann sandte, "die ihr allerlei Aufmerksamkeit mit üblen Absichten erwiesen" (513). Um dieselbe Zeit trachtete ihr der Satan ein paarmal sogar nach dem Leben. Eine "schwarze, scheußliche Gestalt" wollte sie über eine "erhöhte Bühne" hinabstürzen, aber der Schutzengel rettete sie. Als sie einmal, den Kreuzweg betend, neben einem Wassergraben herging, versuchte sie der Teufel "von oben hinab in den tiefen Graben" zu stürzen; der Schutzengel half ihr (514). Über die Zeit des Klosteraufenthaltes berichtet Anna Katharina im Jahr 1820: "Mein Schutzengel ging mir immer zur Seite, und so sehr auch der böse Feind überall umherging und gegen mich hetzte, ja mich selber mit Mißhandlungen und Schlägen und Poltern in meiner Zelle überfiel, so konnte er mir doch keinen großen Schaden tun, und immer ward mir Hilfe geleistet" (515)

Oft geschah es, daß Anna Katharina jemand kommen hörte und seine Anwesenheit merkte, ohne den Besucher sehen zu können. Einmal saß sie am späten Abend zusammen mit ihrer Mitschwester Klara Söntgen auf ihrer Zelle. Sie "arbeitete etwas für die würdige Mutter". "Alles", so erzählt Söntgen, "war stille und ruhig im Kloster; auf einmal wird uns die Türe aufgetan; wir sehen beide nichts, hören aber einen heraufkommen und um sie herumgehen, sahen aber nichts. Zweimal ist's geschehen, wie wir noch zusammen auf einer Zelle waren, daß sie (E.),des Abends später aufblieb und im Regelbuch las. Auf einmal kommt jemand, ohne daß sie etwas gesehen hat, und schlägt ihr die Blätter um und macht ein lautes Geklapper, als wenn ihr einer mit der flachen Hand auf das Buch schlägt" (516)

Im Noviziatsjahr" so berichtet Anna Katharina, sei der Teufel mehrmals "als ein Jüngling zu ihrem Bette gekommen". Er sei aber "gleich wieder weggegangen, wenn sie das Kreuz gemacht habe. Zuweilen sei er des Nachts zu ihr gekommen, habe sie vom Schlafe geweckt, bei der Hand gefaßt und sie dabei gezogen, als wenn er sie aus dem Bette hätte reißen wollen" (517). Weiter erzählt Anna Katharina: Bei einer Krankheit habe sie der Teufel "schrecklich stark angefallen, sie hätte sich aus allen Kräften wehren müssen, durch Gedanken und Gebet". Es sei gewesen, als wenn er sie habe erdrosseln und ums Leben bringen wollen. Er habe seinen glühenden Rachen gegen sie aufgesperrt. Endlich habe sie das Kreuzzeichen gemacht und ihm darauf die Hand mit den Worten hingehalten: "Da beiß an!" (518).

Auch in ihren letzten Lebensjahren erfuhr Anna Katharina Emmerick die Nachstellungen des Teufels. Am 26. Februar 1821 erzählte sie, in der vergangenen Woche sei der Teufel dreimal bei ihr gewesen, "einmal in scheußlicher Teufelsgestalt, habe sie angefaßt und ihr allerlei vorgeworfen und gedroht"; das andere Mal sei er "als ein Geistlicher von Münster" erschienen und habe ihr Vorwürfe gemacht; sie habe aber den Versucher erkannt; er habe "schwarze, funkelnde Augen gehabt, aber auf einmal habe sie das Gräßliche in seinem Gesicht gesehen und ihn von sich gewiesen" (519). In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1821 empfing Anna Katharina durch den Satan "einen so heftigen Hieb, wie mit einer Maurerkelle, unter das Wundmal der rechten Seite", daß sie verletzt wurde und blutete" (520). Am 13. und 14. Juli 1822 erschien ihr der Teufel wiederholt und versuchte sie zur Auflehnung gegen ihr Los zu überreden. (521)

Alle diese Teufelsgeschichten sind offensichtlich Phantastereien, die Katharina Emmerick vor allem in ihren letzten Lebensjahren erfunden hat. Dr. Anton Brieger hält allgemein die Schauungen der Stigmatisierten von Dülmen für "übernatürliche Einsichten". Er meint: "Der Gedanke an eine Fiktion ist hier absurd" (522). Es leuchtet nicht ein, warum die Annahme, daß die "Seherin" Sinnestäuschungen oder traumhaften Innbildern erlegen ist, widersinnig sein soll. Die "Traumreisen" und Teufelsszenen zeigen doch nur zu deutlich, um was es sich dreht. Zudem soll es sich ja bei den Manifestationen des Teufels um reales Geschehen gehandelt haben. Der Teufel wollte angeblich durch furchterregende, "scheußliche" Gestalten Anna Katharina von religiösen Übungen abhalten. In der ihm zugeschriebenen Form hätte er ohne Zweifel das Gegenteil erreichen müssen. Nicht der Gedanke an eine "Fiktion" ist absurd, sondern der Glaube an die Wirklichkeit oder gar Übernatürlichkeit der Phantastereien.

Im Buch "Im Banne des Kreuzes" wird so argumentiert: "Es geht nicht an, aus den Erscheinungen auf pathologische Anlage Anna Katharinas zu schließen. Kennt nicht auch die Hl. Schrift die dämonische Macht und ihre Einwirkung auf den Menschen?" (523). Mit solcher Begründung macht man es sich viel zu leicht bei der Erklärung derartiger "Phänomene". Der Hinweis auf die Hl. Schrift erklärt in diesem Zusammenhang überhaupt nichts. Genaueres Studium einschlägiger Texte, vor allem auch unter Berücksichtigung von Schriften aus der Hand von Fachleuten auf dem Gebiet der Exegese, müßte vorsichtiger im Urteil machen. Zudem enthält das Neue Testament solch einen Teufelswahn nicht, wie ihn das Leben der Katharina Emmerick und anderer "Mystiker" auszeichnet. Bei der Stigmatisierten von Dülmen handelt es sich sehr wohl um einen pathologischen, das heißt krankhaften Fall. Mit dieser Feststellung wird nicht etwa die Person Katharina Emmericks verurteilt; denn niemand gibt sich selbst seine Veranlagung. Es geht nicht um die Person, sondern um die Sache.


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Letzte Änderung: 28. Januar 1998