Die stigmatisierte Seherin Anna Katharina Emmerick

Vorwort

Am 13. Januar 1932 erwähnte der Chefarzt des Lippstädter Dreifaltigkeits- Krankenhauses Dr. Josef Deutsch im einem Artikel in der Schrift „Hochwarte“: „Der Kanonisierungsprozeß der Katharina Emmerick ist niedergeschlagen worden, und zwar mit der in solchen Fällen strengsten Formulierung. Diese untersagt, daß mindestens zu Lebzeiten des jetzigen Papstes (Pius XI.) der Prozeß wieder aufgenommen werde.“ Um die gleiche Zeit versicherte Dr. med. Poray-Madeyski, der in Rom wiederholt bei Seligsprechungsprozessen zu Rate gezogen wurde, der Prozeß sei „für immer“ eingestellt worden1.

Die Lage hat sich inzwischen geändert; die Bestrebungen für einen Seligsprechungsprozeß sind wieder aufgenommen worden; vor allem hat sich dafür der Bischof von Münster Dr. Heinrich Tenhumberg eingesetzt.

Anna Katherina Emmerick ist nicht die einzige stigmatisierte Person, deren Seligsprechung angestrebt wird. Auch bei den bekanntesten Stigmatisierten des 20. Jahrhunderts, nämlich Therese Neumann von Konnersreuth und P. Pio von Pietrelcina, sind ähnliche Bestrebungen im Gange. Die erbauliche Literatur, die sich mit den genannten Personen befaßt, informiert fast ausschließlich völlig einseitig; sie findet allerdings, von der kirchlichen Presse mehr als wohlwollend gefördert, weiteste Verbreitung. Im Vergleich dazu stoßen kritische Stimmen immer wieder auf Abwehr und Ablehnung, wenn sie sich Gehör verschaffen wollen.

Der Ruhm der Anna Katharina Emmerick verbreitete sich vom Ende des Jahres 1812 an in alle Welt. Anlaß dazu war zunächst die Tatsache, daß sie in verschiedenen Phasen sie „Wundmale des Herrn“ empfing. Der zweite Hauptgrund ihres Ruhmes lag in der Vielzahl ihrer Visionen, die sie vor allem dem Lyriker Clemens Brentano anvertraute, der sie dann zum Teil in gerne gelesene Schriften unter das Volk getragen hat. Daneben wurde immer wieder über eine Reihe von Phänomenen, wie Nahrungslosigkeit und Beziehung zur Geisterwelt, berichtet.

Mit all diesen „Phänomenen“ gilt es sich kritisch auseinanderzusetzen. Im wesentlichen geht es um zwei Hautpfragen:

Erstens: Dreht es sich bei den jeweils geschilderten Phänomenen um Ereignisse, die natürlich erklärbar sind, oder müssen wir bekennen, daß wir vor wunderbaren, allein durch übernatürliches Eingreifen verursachten Vorgängen stehen? Zweitens: Bietet Anna Katharina Emmerick das Bild einer Heiligen, das heißt einer christlichen Persönlichkeit, die uns zum Vorbild dient und die wir nachahmen können und nachahmen sollen?

Besonderen Dank schuldet der Verfasser dieser Schrift Herrn Prof. Dr. Franz Schleyer, Bonn, und Herrn Dr. Ferdinand Stadlbauer, Bamberg, für ihre fachkundigen Hinweise und Ratschläge. Zu begrüßen wäre es, wenn man sich mit den Fragen, auf die es ankommt, ernsthaft auseinandersetzen würde. Es wird natürlich auch damit gerechnet, daß bei einem bestimmten Kreis von Menschen die Antwort in der üblichen Sprechweise der Pseudomystiker erfolgen wird.


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Letzte Änderung: 28. Januar 1998