VI. Gefahr und Hilfe aus dem Jenseits

1. Vom Teufel bedroht 51

Von nicht wenigen Heiligen wird berichtet, daß sie Teufelsnachstellungen ausgeliefert waren. Auch Therese Neumann bekam des Teufels List und Feindschaft zu spüren. Daß solches der Fall war, dafür bürgt sie, und zwar sie allein.

Während ihrer Kinderjahre und Jugendzeit blieb sie von teuflischen Nachstellungen verschont. Diese setzten erst um die Zeit ein, als sie stigmatisiert worden war. Vor allem äußerte der Teufel sein Unbehagen darüber, daß Therese so außerordentlich leidensfreudig war; aber auch sonst offenbarte er sein Mißvergnügen. Im Jahre 1927, so versichert Steiner, als sich Therese für einige Zeit im Pfarrhof aufhielt, drängte sie der Teufel zur Nachtzeit zum Fortgehen. Sie kam allerdings bloß bis zur Treppe; dort fiel sie in Ohnmacht. Das war aber auch schon alles. Wodurch Therese die teuflische Urheberschaft erkannt hat und was der Teufel mit seinem Drängen zum Fortgehen bewerkstelligen wollte, wußte die Verfolgte selber nicht.

Namentlich in der Zeit, da Therese unter schwerem psychischem Druck stand, weil von ihr die Zustimmung zu einer Überwachung in einer Klinik verlangt wurde, mischte der Teufel kräftig mit. Ihren Angaben gemäß wandte er sich anfänglich mit schmeichlerischen Worten an sie; wenn diese keine Wirkung zeigten, begann er zu wüten und zu drohen. Dies war damals der Fall, als sie in arge Bedrängnis geraten war. Es ging um den Fall, von dem noch eingehender die Rede sein wird; sie hatte da behauptet, eine exkommunizierte ehemalige Klosterschwester sei ohne Fegfeuer sofort in den Himmel gekommen. Dieser Sache wegen war Pfarrer Naber vom Regensburger Bischof zitiert worden. In der Zwischenzeit fand das Zwiegespräch zwischen Therese und dem Teufel statt. Vorher bereits hatte sie ihr Schutzengel auf die Versuchung durch den bösen Feind vorbereitet; er hatte ihr verraten, der Teufel sei wütend gegen sie, weil ihm jene Schwester ausgekommen sei. Den ganzen Tag setzte ihr der Teufel zu; er quälte sie so lange, ,,bis sie aus dem Bett fiel und ohnmächtig wurde". Wie sie wieder ins Bett kam, wußte sie nicht; erst etwas später erklärte sie im ekstatischen Zustand, ,,der Schutzengel sei da am Werk gewesen". In der folgenden Zeit ,, steigerten sich die teuflischen Quälereien ins Ungeheuerliche". ,,Wie schön haben es andere", flüsterte ihr der Teufel zu, ,, die können schön gleichmäßig fortarbeiten, haben Freuden, niemand kümmert sich um sie, und zum Schluß sind sie auch noch besser dran als du. Schau, andere haben Freude am Essen, an was hast du Freude?" Therese widersprach: ,,Ich habe Freude am Heiland, zu mir kommt der Heiland." Spöttisch lachte der Teufel und erwiderte: ,,Ha, da kannst du Freude haben, wenn du den hast; pfui, solche Freude!" Therese entgegnete: ,,Ich leide auch gerne, will's ja der Heiland so haben; er hat gelitten für uns, und ich tu ein bißl Leiden hinzu für andere." Darauf der Teufel: "Ha, der hat ja gar nicht gelitten." Therese widersprach: "Habe ich es doch gesehen." Der Teufel schmeichelte und schimpfte abwechslungsweise weiter. Schließlich forderte er sie sogar auf, sie solle zum Heiland sagen: "Du Hund, du elender, du verfluchter, du angenagelter, hast dich bloß annageln lassen, damit alles zu dir laufe, aber ich mag schon nicht, du kannst tun, was du willst; wenn ich nicht mag, dann mag ich einfach nicht. Meinetwegen kann leiden, wer will, ich leide nie mehr, von nun an kriegst du mich nicht mehr in deine Krallen; von heute an bin ich dir untreu!" Der Teufel redete noch weiter, aber das hat Therese nicht mehr gehört, weil sie schwach wurde und in Ohnmacht fiel.

Da der Teufel nicht sichtbar erschien, tat sich Therese zuweilen schwer mit der Feststellung, wer nun eigentlich zu ihr sprach. Einmal fiel ihr Verdacht deswegen auf den Teufel, weil er unter anderem zwar gegen Christus wetterte, aber den Namen Jesus nicht aussprach. Erst vom 19. Juli 1930 an tat sich Therese leichter bei der "Unterscheidung der Geister". An diesem Tag hat sie nämlich nach dem Kommunionempfang den Heiland gebeten, "er möge ihr helfen, daß sie den Versucher immer gleich erkenne". Der Heiland erfüllte die Bitte; von nun an war die Stimme des Teufels "stets heiser".

Diese Hinweise auf die Rolle des Teufels im Leben der Stigmatisierten von Konnersreuth mögen genügen. Schauen so teuflische Versuchungen aus? Es ist nichts anderes als das törichte Geschwätz einer schwer hysterischen Person, die ihre eigenen Anliegen zum Ausdruck bringen will.

2. Vom Schutzengel beschirmt 52

Es ist natürlich klar, daß eine Auserwählte, wie es Therese Neumann war, unter der ganz besonderen Obhut eines Schutzengels stand. Auch in dieser Frage gibt es keinen anderen Bürgen als sie selbst. Wie sie versicherte, sah sie ihren Schutzengel immer zu ihrer Rechten als leuchtende Gestalt; auch den Schutzengel anderer Menschen sah sie zu deren Rechten stehen. Der Engel offenbarte ihr je nach Bedarf bislang unbekannte Dinge. So erklärte sie einmal im Gespräch mit Helmut Fahsel, "es sei die Stimme des Schutzengels, der sie im Augenblick unterrichte".

Wie Konnersreuth-Autoren behaupten, hat sich Therese Neumann zu jeder Zeit von ihrem Schutzengel beraten lassen, auch im Wachzustand. Er gab ihr Aufschluß über alle möglichen Dinge. "Sie hört ihn, wie sie sagt, im natürlichen Zustand an ihrer Seite sprechen; erhält durch ihn . . . während der Unterhaltung mit einem Besucher unmittelbaren und unbemerkten Aufschluß über den Seelenzustand, die Eigenheiten, Charakterfehler, die Vergehen der Besucher (oder Gesprächspartner und deren Begleiter, die nur schweigend dasitzen und zuhören), und zwar ganz konkret und mit all den Einzelheiten, deren Kenntnis zur Beratung der erschienenen Besucher notwendig ist." Was ihr da zugeschrieben wird, ist fast gleichbedeutend mit einer Art von Allwissenheit. Wahn oder Wirklichkeit?

Eines Tages kam Therese "vormittags zur Kommunion in den Pfarrhof"; der Pfarrer, den sie suchte, war noch nicht aus dem Schulhaus zurückgekehrt; darum ging sie einstweilen in den Garten und beschäftigte sich mit Blumen. Plötzlich hörte sie eine Stimme sprechen: ,,Liebes Kind! Denk heute bei der heiligen Kommunion besonders an den Benefiziaten und auch den Tag öfter, damit er mutig und entschieden bleibt!" Worin bestand wohl das große Anliegen des Schutzengels? Es bringt nichts anderes zum Ausdruck als eine schwere Sorge der Therese zur damaligen Zeit. Sie war nämlich in Angst, weil der Konnersreuther Benefiziat Liborius Härtl den bischöflichen Auftrag erhalten hatte, seine Eindrücke über die Stigmatisierte niederzuschreiben. Nun hatte freilich Therese von dem Benefiziaten nichts zu befürchten; denn dieser glaubte, wie sein Pfarrer, alles, was aus ihrem Munde kam. Zudem hatte er ihr den Inhalt seines morgendlichen Gebetes verraten; er hatte ihr erzählt, er habe um Gottes Hilfe gebetet, damit er so schreibe, ,,daß der Sache gedient sei

Dieses Gebet hat also auch Therese den ganzen Tag über durch ihr eigenes Gebet kräftig unterstützt, und zwar im Auftrag ihres Schutzengels. Kann bei solch einem wichtigen Anliegen jemand bezweifeln, daß sich ihr Schutzengel eingeschaltet hat?! Im ,,Dienst der Sache" mußte ja der Benefiziat unbedingt ,,mutig und entschieden" bleiben.

Zu dem beratenden Dienst des Schutzengels kommt noch seine außerordentliche Hilfe hinzu, wann immer seine Schutzbefohlene in Bedrängnis geraten war. Das seltsamste Erlebnis mit ihrem Schutzengel hat sich am Pfingstfest 1931 ereignet. Während des Hauptgottesdienstes saß Therese ausnahmsweise nicht in ihrem Stuhl hinter dem Hochaltar, sondern im rückwärtigen Teil der Kirche. Dort hielt sie es jedoch nicht lange aus. Sie nahm auch gar nicht an der Eucharistiefeier teil, sondern ließ sich ,,ekstatisch" die Zeit vertreiben. Nach der ersten Vision, die sie hatte, wurde ihr übel und man brachte sie aus der Kirche in ihr Zimmer, wo man sie auf das Sofa legte. Kaum war sie allein, da läutete sie mit ihrer Zimmerglocke. Ihr Vater ging die Treppe hinauf und fand ,,Therese im Bett liegend, wie bei der Nacht, angezogen und dagegen protestierend, daß man sie zu Bett gebracht habe". Und das Merkwürdige! ,,Vor dem Kanapee auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers liegt ihr Obergewand mit dem Schurz und dem Unterrock darunter und der Uhrschnur mit der Uhr um den Hals, alles noch in der Lage und vollständig geschlossen, wie es Therese an ihrem Hals getragen hatte." Hernach schilderte Therese, was sich zugetragen hatte: Gegen ihren Willen habe sie jemand an beiden Schultern berührt; daraufhin sei ihr Gewand zu Boden gefallen; dann habe sie eine weitere Berührung verspürt, was ihr nicht rechtgewesen sei. Noch durchsichtiger wurde der geheimnisvolle Vorgang, als Therese im ,,erhobenen Ruhezustand" erklärte, ,,das alles habe der heilige Schutzengel gemacht, damit Therese keinen Schaden nehme". - Man sieht, es konnte gar nicht Therese selber gewesen sein, die sich ihrer Gewandung entledigte; hätte sie es selber getan, dann hätte sie den Verschluß der Kette lösen müssen. Sicherlich war es auch der Schutzengel, der geläutet hat, damit das Wunder einen Zeugen bekam. Das erwähnte ,,Phänomen" gleicht solchen, wie sie Spiritisten ,,erleben".

3. Unter dem Schutz der Theresia von Lisieux 53

Die Namenspatronin der Therese Neumann war die heilige Theresia von Avila. Diese spielte aber in ihrem Leben keine Rolle. Daß Theresia von Lisieux von ihr besonders verehrt wurde, geht auf eine Verwechslung zurück. Ihr Vater hat nämlich die Heilige von Lisieux für die Namenspatronin seiner Tochter gehalten; darum schenkte er ihr zu Beginn des Ersten Weltkrieges zwei Bildchen mit der Darstellung der Theresia, deren Seligsprechungsprozeß damals gerade lief. Wie es heißt, hat Therese Neumann mit der Verehrung der "Kleinen Theresia" im Jahre 1914 begonnen; zu ihrer Lieblingslektüre gehörten Schriften über die Selige.

a) Hilfe und Anerkennung

So wird die Rolle verständlich, die sie ihrer vermeintlichen Namenspatronin zugeteilt hat. Ihr schrieb sie beispielsweise die Heilungen von ihren verschiedenen Krankheiten zu. Am 29. April 1923, am Tag der Seligsprechung, konnte die Patientin nach vierjähriger Blindheit wieder sehen. Am 17. Mai 1925, am Tag, als Theresia von Lisieux heiliggesprochen wurde, erfuhr sie das zweite Heilungswunder. Dieses wurde damals eingeleitet durch die naive Frage einer Stimme, die der Theresia von Lisieux zugeschrieben wurde: "Hättest du eine Freude, wenn du heute aufstehen und gehen und dir selbst helfen könntest?" Der Patientin wurde nicht bloß geholfen, sie bekam auch das Lob zu hören: "Du bist des Heilands liebstes Kind." Ähnliche Worte gebrauchte die Heilige, während Therese eine Vision hatte; sie sprach: "Du bist der Liebling des Heilandes, weil du ihm nichts verweigerst." Als Therese nach der Vision vom anwesenden Pfarrer gefragt wurde, was die Heilige ihr gesagt hatte, antwortete sie: "Du bist der Lieb . . . Lieb . . . Ach, die kleine Theresia spricht gar so hochdeutsch!" Dem Pfarrer kam eine Erleuchtung: "Hat sie vielleicht gesagt: ,Liebling`?" Warum sich Therese so schwergetan hat, das schöne Wort wiederzugeben, hat Josef Windhuis erklärt: In Konnersreuth` sagt er, ist das Wort "Liebling" nicht bekannt54.

Am 30. September 1925, dem Jahrestag des Todes der heiligen Theresia, erfuhr sie durch diese, daß sie nunmehr wieder ohne fremde Hilfe gehen könne. 1m selben Jahre, am 13. November, sollte sie einer gefährlichen Blinddarmentzündung wegen operiert werden. Sie war zwar mit einem ärztlichen Eingriff einverstanden, aber mit Rücksicht auf ihre besorgte Mutter erbat sie von der Heiligen Hilfe. Diese wurde mit den Worten gewährt: "Deine völlige Hingabe und Leidensfreudigkeit freut uns. Und damit die Welt erkenne, daß es ein höheres Eingreifen gibt, sollst du jetzt nicht geschnitten zu werden brauchen. Steh auf, und geh gleich in die Kirche und danke Gott! Aber gleich, gleich! Du wirst aber noch viel zu leiden haben und dadurch mitwirken dürfen am Heile der Seelen. Dem eigenen Ich mußt du immer mehr absterben. Und bleibe immer so kindlich und einfältig55!« Die Heilige erschien auch in den späteren Jahren immer wieder. Als Zweck der Erscheinungen stellte sich jedesmal heraus: Sie mußte die "Leidende" mit Lobsprüchen überhäufen und sie als Vorbild für andere hinstellen.

Bisher hatte Therese bei den einzelnen Erscheinungen lediglich eine wunderbare Lichtgestalt geschaut; am 30. September 1927 offenbarte sich die Heilige "zum erstenmal" in ihrer wirklichen Gestalt, nämlich im Gewand einer Ordensfrau. Sie sprach diese Worte: "Liebes Kind! Wir freuen uns, daß du dich dem Heiland ganz hingibst. Du darfst aber noch viel leiden, besonders in nächster Zeit, und kannst so dem Heiland Seelen näherbringen . . . In dieser Zeit folge besonders ganz deinem Beichtvater und vertrau ihm jeden Zweifel an. Ihn gab dir der Heiland zum Berater und Beschützer."

Am 29. April 1930 sprach die Heilige zu Therese: ,,Liebes Kind! Deine Heilandsliebe, deine Hingabe an ihn, deine Energie und Furchtlosigkeit sowie dein stets tapferes Eintreten für unseren Heiland sind recht und gut und freuen uns sehr. Werde in dieser Gesinnung nie wankend, wenn du auch noch so viel hierin verkannt wirst! Harre aus in deinem Opfer- und Leidensberuf, der, wenn auch schwer, doch recht wertvoll und edel ist. Wir verlassen euch nie." Am 29. April 1937, in jener Zeit, als Thereses Leiden in der Aufforderung aus Rom bestand, sie solle sich in einer Klinik überwachen lassen, wurde sie von der heiligen Theresia getröstet: ,,Liebes Kind! Geh`, nimm doch jedes Leid und jede Prüfung willig und freudig hin! Die Seelen warten darauf. Werd' doch nicht mutlos! Vertrau blindlings! Erhältst ja so viele Beweise unserer Liebe. Durfte dir doch schon öfter die Zusicherung unserer Hilfe geben. Wir verlassen dich auch weiter nicht. Mußt deinen Beruf ganz ausfüllen, mußt auch dem verkannten, verachteten und verfolgten Heiland immer ähnlicher zu werden trachten56!«

In diesem Zusammenhang sei auf etwas hingewiesen, was noch eingehender behandelt werden wird, nämlich auf die unentwegte Weigerung Thereses, sich in einer Klinik überwachen zu lassen. Man bedenke: Das ,,liebe Kind" hat sich in seinem ,,Opfer- und Leidensberuf" dem ,,Heiland" ganz hingegeben; es hat ,,jedes Leid und jede Prüfung willig und freudig" hingenommen; es ist dem ,,verachteten und verfolgten Heiland immer ähnlicher" geworden. Das alles ist geschehen, indem sich Therese dem Verlangen der kirchlichen Obrigkeit ohne Entgegenkommen widersetzt hat; dadurch hat sie dann "dem Heiland Seelen nähergebracht"!

b) Die Verheißung: ,,Kein Arzt kann dir helfen"

Wie Therese Neumann versicherte, hat am 17. Mai 1925 die heilige Theresia von Lisieux zu ihr gesagt: ,,Kein Arzt kann dir helfen." 1m Vertrauen auf diese Worte, so liest man in den Konnersreuth-Schriften, habe man keinen Arzt beigezogen, wenn sie krank wurde. Dies gilt freilich nicht für die Zeit zwischen 1918 und 1925; in dieser Zeit wurde Therese ja von Dr. Seidl betreut, wenn er auch nicht die bekannten ,,Wunder" bewirkt hat. Das Merkwürdige aber ist, daß die Patientin damals noch von einer Menge von schweren Leiden heimgesucht wurde, von denen der Hausarzt nichts erfahren hat. So soll sie sich im Jahre 1919 einen Schädelbasisbruch aufgrund von nicht weniger als elf Unfällen im Zeitraum von 15 Monaten zugezogen haben. Niemand hat dem Arzt von den Unfällen und den lebensgefährlichen Folgen etwas gesagt. Auch der Dienstherr der wiederholt ,,schwer Verunglückten" hat nichts von Unfällen erfahren; selbst dem Pfarrer blieben sie unbekannt. Aber als Gerlich damals über Konnersreuth zu schreiben begann, haben ihm Therese Neumann und ihre Familienangehörigen genaue Angaben über die angeblichen Unfälle und über eine Vielzahl anderer schwerer Erkrankungen gemacht.

Auch in den Jahren nach den ,,wunderbaren" Heilungen wurde Therese regelmäßig von ,,gefährlichen Krankheiten" heimgesucht; dazu kamen noch die vielfältigen Formen von ,,stellvertretenden Leiden". Auch da hat kein Arzt helfen können; die jeweilige Diagnose stammte ja lediglich von der ,,Kranken" selbst oder von der heiligen Theresia oder vom Schutzengel.

Wir müssen uns noch die Frage stellen: War es wirklich so, daß Therese Neumann keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen und daß kein Arzt geholfen hat? Es trifft zu, daß der bisherige Hausarzt Dr. Seidl nicht mehr helfen konnte, als er von der Neumann Familie abgelehnt wurde. Aber an seine Stelle war ein anderer Arzt getreten. Dessen Hilfe wurde in Anspruch genommnen, und er hat, trotz der anderslautenden Versicherung der heiligen Theresia, helfen können. Der ärztliche Betreuer war der Münchener Privatarzt Dr. Mittendorfer. Ottilie Neumann, die Haushälterin bei Prof. Wutz in Eichstätt, bezeichnete ihn im Jahre 1942 als "Freund unserer Familie aus München". Er betreute Therese in Konnersreuth und in Eichstätt; er, der sich als ,,Resls Chauffeur" bezeichnete, nahm sie oftmals in seinem Auto mit; sie besuchte ihn auch zu wiederholten Malen in München57. Auch Anni Spiegl bezeichnete ihn als ,,Resls Chauffeur" und sagte von ihm: "Er hat ihr nie einen Wunsch oder eine Fahrt abgeschlagen58."

Die Rolle, die der Arzt im Leben der Therese Neumann gespielt hat, spiegelt die Bezeichnung ,, Leibarzt der Resl" wider. Gegen diesen Ausdruck hat sie sich in ihrem Brief vom 21. März 1950 an Bischof Buchberger gewehrt und versichert: ,,Ich habe keinen bestimmten Arzt, weil mir ja keiner helfen kann." Dann fährt sie fort: ,,Kann ja auch keine Medizin nehmen." Daß sie aber doch ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat, gesteht sie in dem weiteren Satz: ,,Wohl fragt man gelegentlich, wenn man krank ist, den Arzt, ohne daß er etwas tut59." Aber warum fragt "man dann den Arzt? Was Therese beteuert, ist unwahr; ihr Arzt hat immer wieder für sie etwas getan. So hat er sie im Sommer 1940 in Eichstätt behandelt, als sie, den Angaben gemäß, einen Schlaganfall erlitten hatte. Dr. Mittendorfer, der wie Therese im Hause des Professors Wutz wohnte, ,, verordnete vor allem größte Ruhe, außerdem ließ er machen oder machte selber kalte Umschläge, nämlich Eis in Tücher gewickelt, auf Stirn und Kopf"; auch ließ er Therese "zur Ader". Er hat noch mehr getan; er hat ihr einmal, auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, Spritzen verabreicht. Als dies dem Bischof von Regensburg bekannt wurde, hat er Therese aufgefordert, darüber Auskunft zu geben. Daraufhin hat sie dem Bischof am 21. März 1950 einen längeren Brief geschrieben, in dem sie öfter als einmal die Unwahrheit gesagt hat. Zu dem Thema "Spritzen" versichert sie: "Wegen der Spritzen, die ich bekommen soll, wissen wir hier alle nichts. Ich bekomme auch bestimmt keine." Therese hat gelogen. Dr. Mittendorfer hat selbst bestätigt, daß er ihr Spritzen verabreicht hat, und zwar in seinem Brief vom 19. April 1950. Er schreibt: "Dabei möchte ich als Nächstes die Spritzen herausgreifen, die bei Fräulein Therese Neumann in einer schweren, aussichtslosen, mit absoluter Sicherheit zum Tod führenden Erkrankung probiert wurden, deren therapeutische Erfolglosigkeit aber die Richtigkeit dessen bestätigte, was die kleine heilige Theresia ihrem Schützling bestätigte, daß ihr ,kein Arzt helfen könne`. Die Spritzen nutzten nämlich nichts, aber sie führten zur Erkenntnis, daß die Stigmatisierte arzneiresistent, ja giftfest sein müsse60."

Damit hat der Arzt bestätigt, daß Therese den Bischof angelogen hat. Über die Argumentationsweise des Arztes kann man nur noch den Kopf schütteln: Seine Patientin steht mit absoluter Sicherheit vor dem Tod, sie stirbt aber nicht. Der Arzt stellt fest, daß sie arzneiresistent, ja giftfest ist; hat er denn Gift verabreicht? Die Patientin wird gesund; damit soll der Beweis erbracht worden sein, daß die Spritzen nicht geholfen haben!

4. Das ,,Heilandsreserl"

Wie bereits erwähnt, hat sich Therese Neumann gerühmt, von der heiligen Theresia als "Liebling des Heilandes" bezeichnet worden zu sein; sie selber nannte sich gerne das "Heilandsreserl". Welche Bedeutung sie ihrer eigenen Person zugemessen hat, zeigen ihre "Schauungen" verschiedener Art. Da durfte sie bei der Weihnachtsvision das Christkind auf ihre Arme nehmen; nach der Schau der Verklärung auf dem Berge schildert sie die Abschiedsszene und sagt von Jesus: ,,Er blickt aufwärts, mittendrin auch einmal gut auf mich." Läßt sich so etwas in Einklang bringen mit der Behauptung, Therese Neumann habe bei ihren Visionen die Ereignisse jeweils so geschaut, wie sie einst abgelaufen sind?

Vor derselben Frage steht man, wenn man von ihren Freitagsvisionen hört. Da durfte sie bei der Kreuzabnahme und Grablegung selber mitwirken; sie half beim Einwickeln des Leichnams Jesu in die Grabtücher, ihre Hände machten sogar die entsprechenden Bewegungen mit. Nach der Weihnachtsvision bringt sie voll Freude ihr schönes Erlebnis mit dem Christkind zum Ausdruck: ,,Mit hellen, dunkelblauen Augen blickte es mich freundlich an; das Kindlein . . . breitete gegen mich seine Ärmchen aus und lächelte mir zu. Es sah aus, als wollte es zu mir61." An Epiphanie schaut sie, wie Maria ihrem Kind das großartige Gefolge der Magier zeigt; da wendet sich plötzlich das Christkind zur Resl und streckt ihr einen Arm entgegen. Oder, Therese empfängt wiederholt während ihrer Visionen einen gar lieben Blick von Christus. Ja sogar vom Kreuz herab ist sein Blick auf sie gerichtet. ,,Der Heiland schaut in diesem Augenblick mit todesmüden, aber Dank und Anerkennung verheißenden Augen auf sie; und voll überschwenglicher Seelenfreude lächelt sie." Am Fastnachtssamstag 1928, an dem sie die Nacht im Pfarrhof verbrachte, sah sie, wie Christus seine rechte Hand vom Kreuz her loslöste und über sie ausbreitete62. Einmal versicherte sie ihrem Pfarrer, Christus habe sie vom Kreuz herab angeschaut und ihr zugelächelt. Am 3. Mai 1928 übernahm sie ein ,,Sühneleiden"; sie wurde für dieses Opfer belohnt, indem sie ,,den Heiland vom Kreuz auf sie herabsteigen sieht".

Bedenken wir: Nicht Therese Neumann dankt Christus, sondern dieser dankt ihr und erweist ihr Anerkennung!

Man betrachte einmal folgende Szene: Den Karsamstag 1927 verbrachte Therese in tiefem Schlaf, ohne zu erkennen, was um sie herum geschah. Plötzlich spricht sie: ,,Heiland ich hab` keine Zeit für dich, daß ich red mit dir; ich muß ausschlafen." So etwas hat Erzbischof Teodorowicz als ,,vertrauliche Seelenzärtlichkeit" bezeichnet; er sagt: ,,Mitunter benimmt sie sich dem Heiland gegenüber wie ein verwöhntes Kind. Sie schreckt nicht einmal davor zurück, ihm kleine kindliche Vorwürfe zu machen63!"

5. Das Christusorakel 64

Auch Pfarrer Naber war manchmal überrascht von dem, was er erlebt und was Therese Neumann behauptet hat; aber er hat alle aufsteigenden Zweifel sofort wieder unterdrückt, weil er davon überzeugt war, daß durch den Mund des ,,Heilandsreserls" Christus selber gesprochen habe. Dies ist nicht etwa bloß in übertragenem Sinne zu verstehen, sondern buchstäblich. Die ,, Konnersreuther" Theologen, wie Kaplan Fahsel und Pfarrer Naber, glaubten das und verhielten sich dementsprechend. Wenn Fahsel mit Therese während ihres ekstatischen Zustandes sprach, leitete er seine Fragen mit den Worten ein: ,,Liebster Heiland, laß mich wissen!" Pfarrer Naber pflegte bei Zweifelsfragen zu sagen: ,,Wollen wir den Heiland fragen!" Einem brasilianischen Bischof gegenüber sagte er, nachdem dieser Therese die Hostie gereicht hatte: "Wenn Sie sie fragen, wird der Heiland durch sie antworten." Einem Pater, der mit der Stigmatisierten während ihrer "gehobenen Ruhe" sprechen wollte, verweigerte Pfarrer Naber die Erlaubnis mit dem Bemerken, "daß er aus Ehrfurcht vor Christus niemanden zulassen könne, der nicht glaubt, daß Christus aus ihr spricht."

Es ist keine Frage, daß Therese Neumann selber diese unsinnige Auffassung zu ihrer eigenen gemacht hat. So offenbart sie Dr. Gerlich: "Nicht ich spreche, der Heiland spricht aus mir." "Immer wieder" hat sie betont: "Nicht ich sage das, sondern der Heiland." Ähnlich erklärte sie während ihres "erhobenen Ruhestandes" dem Prof. Dr. Mayer, nicht sie spreche zu ihm, "sondern Christus in ihr". Am 30. März 1928 erklärte sie nach Beendigung der Freitagsvisionen: "Was ich rede, redet der Heiland aus mir." Ein andermal sagt sie: "Nicht ich, Resl, bin es, sondern der Heiland ist es, der zu dir spricht."

Solche "Heilandsworte" lauteten dann beispielsweise: "Mit der Resl kannst du jetzt nicht reden, sie schläft." Einmal hatte Therese eine Hostie "erbrochen"; sie nahm diese wieder zu sich und "die Stimme" sprach: "Der Heiland ist wieder in ihr.«

Daß Therese Neumann den "Heiland" aus ihr sprechen ließ` geht ohne Zweifel in erster Linie auf den Glauben des Pfarrers Naber zurück. "Der Pfarrer meint", so sagt Fahsel, "der Heiland spreche aus dem Mund der Therese im erhobenen Ruhezustand." Trotz der eindeutigen Sachlage behauptete Naber in seinem Bericht vom 12. Dezember 1934 an den Regensburger Bischof: "Ich habe aus dem Munde der Therese noch niemals gehört, daß sie Auskünfte durch den Heiland erhalten hat." Wie er zu dieser Behauptung gekommen ist, bleibt schleierhaft; er war doch, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, selber anwesend, als der amerikanische Bischof Schrembs Therese Neumann um ein blutgetränktes Kopftuch bat; damals hat sie geantwortet: "Ja, das kannst du haben; der Heiland sagt, du kannst es haben."

Dieses "Christusorakel von Konnersreuth", der Glaube, aus Therese Neumann habe Christus gesprochen, ist ein aufgelegter, potenzierter Unsinn. Papst Benedikt XIV. (1714-1758) hat einmal gesagt: "Eine Person, aus der der Heiland spricht, täuscht oder ist getäuscht6\« Bedenken wir: Hätte es sich im Falle Therese Neumann tatsächlich um ein Sprechen Christi gehandelt, dann hätten alle Auskünfte irrtumslos gewesen sein müssen. Man vermag es kaum zu glauben: Die "Konnersreuther", allen voran Pfarrer Naber, waren in der Tat dieser Überzeugung. So hat einmal Naber dem Regensburger Bischof versichert: ,,Bischöfliche Gnaden dürfen überzeugt sein, daß ich nichts von Bedeutung tue, ohne beim Heiland mir Rat erholt zu haben, dessen Reden durch Therese Neumann im erhobenen Ruhezustand mir durch so auffallende Tatsachen bestätigt sind, daß ich ganz blind und blöd sein müßte, wenn ich im geringsten daran zweifeln wollte66." Auch andere Theologen, bis in die höchsten Ränge hinauf, teilten die Überzeugung des Pfarrers. So sagte beispielsweise Erzbischof Teodorowicz: "Diese Stimmen irren nicht." Er hat geglaubt, was ihm Therese gesagt hatte: "Nicht ich sage es, sondern der Heiland; ich bin nicht verantwortlich67." Wir werden noch auf Beispiele zu sprechen kommen, bei denen sich Beratung und Auskunft der Seherin als falsch und für die Beteiligten als folgenschwer erwiesen haben. Wenn also Therese nicht verantwortlich war, dann kann es nur der "Heiland" gewesen sein.

Auch eine ganze Reihe von Bischöfen hat sich vom Christusorakel in Konnersreuth Auskunft geholt, und Therese Neumann hat die Anwesenheit kirchlicher Würdenträger gerne dazu benutzt, um für sich selbst Propaganda zu machen. An einem Freitag des Jahres 1928 waren in Konnersreuth zwei Bischöfe anwesend, der Bischof von Limburg und Bischof Waitz von Feldkirch. Nach dem Passionsende wollte sich der Bischof von Limburg wieder entfernen; Pfarrer Naber jedoch bat ihn, noch eine Viertelstunde zu verweilen und mit Therese während ihrer Ekstase zu sprechen. Er versprach ihm, falls er mit ihr über seine persönlichen Sorgen und über Schwierigkeiten in seiner Diözese reden wolle, würde er wahrscheinlich staunenswerte Dinge zu hören bekommen. Der Bischof hatte Bedenken, nicht deshalb, weil er Zweifel hinsichtlich des Christusorakels hatte, sondern weil er fürchtete, "manches Unangenehme hören zu müssen". Aber Pfarrer Naber und Bischof Waitz drängten den Bischof von Limburg, "die Gelegenheit nicht vorübergehen zu lassen". Er hat sich dem Drängen gefügt und wurde mit einer großartigen Lobrede belohnt. Nur einen Teil davon hat er verraten; "alles zu sagen", so hat er erklärt, "verbietet die christliche Bescheidenheit." Was hat der Bischof zu hören bekommen?: "Dich hat der Heiland gern, sehr gern . . . Ich sage dir auch, warum. Das darf ich; denn du wirst deshalb nicht hochmütig. Der Heiland liebt dich, weil du so bescheiden bist. Viele Bischöfe sind stolz, herrisch. Alles wollen sie durch Befehle erzwingen, und so stoßen sie die Geistlichen von sich. Du tust das nicht. Und deine Geistlichen haben dich deshalb lieb. Du hast auch schon viel für den Heiland getan und wirst noch viel mehr für ihn tun." Dann sagte Therese dem Bischof etwas über sein Los im Jenseits, wovon er allerdings nur andeutungsweise berichtete: "Etwas Unglaubliches, was meiner Meinung nur dann Wahrheit werden könnte, wenn ich als Märtyrer sterben würde." Die Wirkung der gehörten Worte kleidet der Bischof in den Ausspruch: "Ich mußte laut aufschluchzen, als ich draußen war68." Im Rückblick auf seinen Besuch bezeichnete er Konnersreuth als "sein größtes religiöses Erlebnis"69.

Ähnliche Lobsprüche bekam der amerikanische Bischof Schrembs an einem Freitag des Jahres 1927 zu hören. Während einer Leidenspause lobte ihn Therese, weil er "so hart" arbeite, "ohne an seine Gesundheit zu denken oder sich zu kümmern". Sie versicherte: "Er arbeitet so viel für den Heiland . . . und der Heiland hat ihn sehr gerne." Nach dieser Vorrede forderte Therese die Anwesenden auf, das Zimmer zu verlassen, weil sie dem Bischof allein etwas zu verkünden habe. Der Inhalt der Botschaft war ähnlich wie beim Bischof von Limburg. Bischof Schrembs war von dem Gehörten derart überwältigt, daß er "mehr als einmal in Tränen niederkniete" 70 Die Wirkung war freilich nicht von Dauer. Ein paar Jahre später, im Jahre 1930, kam Schrembs wieder nach Deutschland. Diesmal hat er Konnersreuth nicht mehr aufgesucht. Wie er nunmehr über Therese Neumann geurteilt hat, verrät seine Erklärung: "Ich bin nicht in Konnersreuth gewesen und geh auch nicht hin; denn, was Therese Neumann mir damals über Geistliche meiner Diözese gesagt hat, stimmt nicht . . . Ich halte von Konnersreuth nichts mehr71."

Auch Bischof Buchberger hat sich vom Konnersreuther Christusorakel belehren lassen. Am Freitag, dem 23. März 1928, blieb er, unmittelbar nachdem Therese kommuniziert hatte, allein im Zimmer derselben. Er bekam von der Ekstatischen eine lange Rede zu hören; sie ist es wert, wenigstens in Auszügen betrachtet zu werden, zeigt sie doch, wie ihre Danksagung nach dem Kommunionempfang ausgesehen hat und welche Anliegen sie bewegten: "Herr Weihbischof ist auch da, aber jetzt ist er nicht in dem Zimmer. Gestern habe ich dich erkannt; auf dem Bild schaust du ernster und bist größer. Du bist nie recht gesund gewesen, aber der Heiland gibt dir schon Kraft, er hat dich gerne. Er wählt gerne Armselige. Herr Pfarrer von Trudering hat mir geschrieben, daß ich für jemand beten soll. Der Heiland hat mir geoffenbart, daß du dieser Jemand bist. Meine Eltern haben mich zum Gehorsam erzogen; wir sollen der Obrigkeit folgen. Der Heiland schickt mir aber dieses Leiden nicht, damit ich und meine Eltern geplagt sind, sondern daß Seelen gerettet werden. Die vielen Besuche waren ein Unfug, aber einige Besuche und bescheidene Besuche aus wichtigen Gründen will der Heiland. Der Herr Pfarrer hält streng auf Gehorsam; aber er soll nicht gezwungen werden, nur noch amtlich sich mit mir abzugeben; denn in meinem Leiden brauche ich Trost und Rat, und der böse Feind setzt mir auch manchmal recht zu. Therese spricht dann ohne Veranlassung vom Kardinal Faulhaber, daß auch dieser immer etwas leidend sei; denn er überarbeite sich, und zur Zeit sei er sogar sehr erkältet. Weiter erzählt sie von Dr. Gerlich, von seinen Familienverhältnissen und von seinem guten Willen, den katholischen Glauben und die katholische Kirche zu verteidigen. Ferner berichtet sie vom Fabrikbesitzer Schwarz und seiner Frau in Plauen, die gute Leute seien und für die Kirche viel Gutes täten; schließlich von einem Professor Schleissner, der noch katholisch werde, und vom eben anwesenden Dr. Aigner, von dem sie sagte, er sei Monist, glaube an keinen persönlichen Gott und meine es nicht gut. Man möge ihn daher zu einem Besuch nicht zulassen. "Therese sagt ferner", berichtet der Bischof, "ich hätte sehr brave Eltern gehabt; meine Mutter sei längst im Himmel, und auch meine Schwester habe den Heiland gern. Zuletzt sprach sie von einem Professor aus Mainz, der katholisch geworden sei aufgrund der Eindrücke in Konnersreuth. Vom Pfarrer Witt von Münchenreuth meinte Therese, er sei eben ein eigensinniger Mann und man sollte dem Rechnung tragen. Die ,Konnersreuther Zeitung` will sie nicht, denn sie berichte viel Unwahres. Einen Aufenthalt in einer Klinik wünsche der Heiland nicht; denn die Ärzte sind größtenteils ungläubig und befangen. Der Pfarrer und sie selbst hätten nichts gegen eine Klinik, aber der Vater erlaube es nicht. Eine nochmalige Untersuchung durch Schwestern werde nicht viel bedeuten, weil die Gegner sagen werden, die halten auch zu ihnen. Aber sie sei nicht gegen eine solche Untersuchung; freilich, für ihr Seelen- und Gebetsleben sei dieselbe nicht gut72."

Was Therese Neumann hier zum besten gibt, ist nichts anderes als Selbstbeweihräucherung.

Wie kam die ,,Seherin" zu den in ihren Reden vorgebrachten Einsichten? Die Antwort ist nicht schwer, sie liegt geradezu auf der Hand. Denken wir bloß an das, was Therese dem Bischof von Regensburg erzählt hat. Das waren lauter Dinge, die ihr wohlbekannt waren. Bei dem, was sie den Bischöfen von Limburg und Cleveland ,,offenbart" hat, ist es nicht viel anders. Deren Besuch war vorher angemeldet worden; Pfarrer Naber und Therese waren also rechtzeitig informiert und konnten sich die erforderlichen Auskünfte einholen. Falls diese nicht den Tatsachen entsprachen, dann war das Ergebnis wie das beim Bischof Schrembs, abgesehen davon, daß ein allgemeines Gerede immer so ausgelegt werden kann, wie man es eben will.

Noch etwas ist zu bedenken. Nicht wenige haben nicht bloß ihren Besuch angemeldet; sie haben ihre Anliegen vorher schriftlich dargelegt; manche haben sogar Fotografien beigelegt. Da war es für die Seherin gar nicht so schwer, ein paar ,,überraschende" Auskünfte zu geben. Viele Besucher tauchten wiederholt in Konnersreuth auf. Da konnte sich Therese auf eine besondere Hilfe stützen, nämlich auf das ,,dicke Notizbuch", das sie führte und in dem sie ihr wichtig erscheinende Einträge machte. Dieses Notizbuch erinnert an die ,,Nachrichtenbücher" von ,,Medien", mit deren Hilfe diese ihre Besucher in Erstaunen versetzen. Falls Therese in ihrem Notizbuch keine entsprechenden Eintragungen vorfand, blieb sie dem Besucher gegenüber stumm, das Orakel versagte73.


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Letzte Änderung: 22. August 1997