Konnersreuth als Testfall

VIII Gefahr und Hilfe aus dem Jenseits

1. Der Teufel

Wie alle Auserwählten mußte auch Therese schwerste Nachstellungen von seiten des Teufels ertragen, Verwunderlich ist nur, daß davon in den Schriften nicht viel zu finden ist. Nur einer weiß darüber mehr zu berichten und zwar in ganz kräftigen Farben, Erzbischof Teodorowicz:

"Unter den schwersten Versuchungen die ihr vom Teufel legionweise geschickt werden, hat Therese am meisten gegen die Versuchung zu kämpfen, warum sie so viel leiden und so viel ertragen muß. Der Teufel möchte sie zu gern von der geduldigen Ertragung ihrer Schmerzen und des Sühnelebens abbringen. Seine ganze Redekunst, seine ganz abgefeimte Spitzfindigkeit streben diesem Ziele zu ..." (1)

Mit diesen Worten will Teodorowicz beweisen, daß die Ekstasen nicht satanischen, sondern göttlichen Ursprungs seien. Sie stellten eine Schutzwehr dar gegen die Folgen der körperlichen Leiden. Von ihnen käme Ausdauer im Sühneleiden für die Seelen. Die Ekstasen seien sozusagen der Ausgleich im Hinblick auf die unzähligen Leiden zum Heil der Lebenden und Verstorbenen. Es sei unvorstellbar, daß der Satan Zustände, das heißt Ekstasen, hervorriefen die gegen das Leiden gerichtet seien: "Denn dadurch handelte er selbst gegen seinen Zweck und Vorteil, die Seelen zu erobern!" Wer nicht Mystiker ist, versteht das nicht.

Im Jahre 1927, so versichert Steiner (2), als sich Therese für einige Zeit im Pfarrhof aufhielt, habe sie der Teufel bei Nacht zum Fortgehen gedrängt. Sie kam allerdings bloß bis zur Stiege, wo sie in Ohnmacht fiel. Mehr vermochte der Teufel bei ihr nicht zu erreichen. Wodurch Therese den Satan erkannt hat und was er mit diesem Drängen zum Fortgehen erreichen wollte, das wird nicht erwähnt.

Ein andermal kommt Steiner lediglich in einem Satz auf Einflüsterungen des Satans zu sprechen (3). Es war am 1. Juni 1932, nachdem Therese die Hostie erbrochen hatte. Da sagte etwas ganz deutlich: ,Das ist er doch gar nicht; ist ja bloß Brot; siehst es wirf es weg!'"... Die Wirkung dieser Einflüsterung war, daß Therese des Schreckens wegen "etwas sitzen" mußte. Therese behauptet zwar nicht, daß eine höllische Macht sie versuchen, aber wer sollte denn sonst so sprechen?

Starke Versuchungen mußte Therese ertragen in der Zeit, als auf ihre Veranlassung in der Pfarrkirche von Konnersreuth einen Theresienaltar aufzustellen begann. Über die Nachstellungen des Teufels und die Art seines Vorgehens berichtet Pfarrer Naber:

"Viel zu leiden hat Therese auch vom Teufel, der sie entweder durch innere Einflüsterungen beunruhigt oder, nur für sie hörbar, zu ihr spricht, wenn sie im tiefsten Leiden ist. Er tritt anfänglich gewöhnlich schmeichelnd auf, spricht davon, wie schön es wäre wen sie nicht zu leiden hätte; da könnte sie arbeiten zur Kirche gehen, lustig sein; der (damit meint er den Heiland) quäle sie ja nur, er aber mache denen, die er liebe, viel Freude; jede höhere Anordnung, die geeignet erscheint, die Wirkung des bei Therese Vorgehenden auf die Seelen zu mindern, begrüßt er mit Freude und mahnt er, treu zu befolgen, z. B. die betreff der Zulassung der Besuche; die Männer der Wissenschaft, die diese Vorgänge natürlich erklärten, verstünden doch auch etwas; wir sollten nicht gescheiter sein wollen als sie. Sofort erkennt Therese den Teufel, wenn er sie zum Hochmut verleiten will, wenn er etwa sagt: ,Du bist doch selber verständig, was Brauchst du denn auf andere aufmerken?' Wenn er merkt, daß nichts auszurichten ist, dann wird er boshaft, dann fängt er zu schimpfen und zu spotten an, z. B.: ,Du elende Kreatur, du bist mir schon lange ein Dorn im Auge, und er bedroht und ängstigt sie in schrecklichster Weise, schließlich bis zur Ohnmacht. Helfen kann ihr da nur der Priester, den der Teufel fürchtet, aber auch wütend beschimpft und bedroht." (4)

Wenn man den Bericht des Pfarrers genau überdenkt, läßt sich unschwer feststellen, daß nicht der Teufel, sondern Therese von Konnersreuth spricht. Es offenbart sich unter anderem der Unwille gegen die bischöfliche Besuchssperre, gegen die von Gelehrten vorgebrachten Bedenken und Einwände und schließlich findet man auch ein gerüttelt Maß von Selbstbeweihräucherung.

Im Sommer 1929, als die Affäre um die bekannte Schwester Canisia anhängig war, setzte "der Teufel" auch Therese ungemein zu. Diesmal ließ sie sich sogar in ein Zwiegespräch mit dem Bösen ein. Therese wußte, daß Pfarrer Naher gerade zum Bischof befohlen worden war, und sie sah die Gefahr, die ihr drohte Nunmehr bezeichnete sie die vielen Schwierigkeiten als ein abgefeimtes teuflisches Werk. Der Schutzengel, sagte sie, habe ihr während der Pfarrer noch abwesend war, mitgeteilt: "Der Feind habe Wut, weil er diese Seele nämlich die Schwester Canisia nicht bekommen habe; deshalb wolle er hier alles wirren mit dieser Sache." Anschließend wurde es Therese, ihr von außen her durch irgend etwas Widerwillen gegen das Leiden beigebracht werden wollte und der Drang, nach Mittel zu suchen, durch welche sie von all ihren außerordentlichen Leiden und Zuständen befreit würde." - Es ist eigenartig, daß Therese auf die "Versuchung" einging. Sie betete, der Herrgott möge von ihr doch, falls es nicht gegen seinen Willen sei, alles Außerordentliche nehmen; er möge sie als Missionsschwester nach Afrika ziehen lassen, wie es ihr Wunsch in ihrer Jugend gewesen sei. In der Nacht darauf "hatte sie schwer zu leiden unter dem laut vernehmbaren Zureden des Teufels". Er wollte sie aufhetzen, ihre gewohnten Leiden abzulehnen; ja er quälte sie so sehr, "bis sie aus dem Bett fiel und ohnmächtig wurde". Wie sie wieder ins Bett kam, das wußte sie nicht; in der Ekstase freilich erklärte sie, "der Schutzengel sei da am Werke gewesen". In der folgenden Nacht "steigerten sich die Quälereien des Teufels ins Ungeheuerliche". "Wie schön haben es andere", sprach er, "die können schön gleichmäßig fortarbeiten, haben Freuden, niemand kümmert sich um sie und zum Schluß sind sie auch noch besser dran als du. Schau, andere haben Freude im Essen, an was hast du da Freude?" Therese verteidigte sich: "Ich habe Freude am Heiland, zu mir kommt der Heiland." Da lachte der Teufel spöttisch: "Ha, da kannst du Freude haben, wenn du den hast; pfui, solche Freude!" Therese versicherte: "Ich leide auch gerne, will's ja der Heiland so haben, er hat gelitten für uns und ich tu ein bißl Leiden zu seinem hinzu für andere." Darauf der Teufel: "Ha, der hat ja gar nicht gelitten." Aber Therese wandte ein: "Habe ich es doch gesehen." Wieder sprach der Teufel: "Das bildest du dir ja nur ein. Übrigens deine Leiderei wird dir jetzt schon ausgetrieben, jetzt hab ich ein Mittel in der Hand, das wird durchgeführt, da wird alles darangesetzt. Wenn mir auch die (= Canisia) ausgekommen ist, jetzt komme ich schon dir. Du siehst doch, nicht einmal der Bischof, die halbe Welt lacht über dich. Mit dem Beten kommst du nicht los von deinen Leiden; anstatt beten, fluche ihm, das nützt mehr, dadurch kommst du eher los von ihm. Sag ihm: ,Du Hund, du elender, du verfluchter, du Angenagelter, hast dich bloß annageln lassen, damit alles zu dir laufe, aber ich mag schon nicht, du kannst tun, was du willst; wenn ich nicht mag, dann mag ich einfach nicht. Meinetwegen kann leiden, wer will, ich leide nie mehr, von nun du mich nicht mehr in deine Krallen; von heute ab bin ich dir untreu.' Darauf lacht der Teufel spöttisch." Er redete noch doch Therese wurde schwach und fiel in Ohnmacht. "In ihrer Qual und Hilflosigkeit hatte sie sich ganz durchgeschwitzt, vier Kopfwunden und die Seitenwunde aufgerissen und sich Haare ausgerauft." (5)

Als Therese einmal in ähnlicher Weise Gott bat, er möge alles Außerordentliche von ihr nehmen, da vernahm sie eine Stimme, die ihr sagte: "Ja, dein Wunsch soll erfüllt werden. Aber dazu genügt deine Beterei nicht, du mußt dein dummes Leben auf das ja doch nichts nützt; du mußt ihm erklären, ich mag nicht mehr; du mußt ihm fluchen, dem Angenagelten." Sie hörte noch andere Schimpfworte gegen Christus. Weil die Stimme aber den Namen "Jesus" nicht aussprach, vermutete Pfarrer Naber dahinter eine teuflische Versuchung. Schließlich hat Gott selber für die Unterscheidung der Geister gesorgt: Die Stimme des Teufels war "stets heiser" (6).

Von diesem Unterscheidungsmerkmal spricht Lama im Jahr 1931. Ein Jahr zuvor erwähnt Benefiziat Härtl in seinem Bericht .in den Regensburger Bischof ebenfalls teuflische Versuchungen. Ehemals allerdings war der Teufel offenbar noch nicht heiser, denn Therese bat am 19. Juli 1930 nach dem Kommunionempfang den Heiland, "er möge ihr helfen, daß sie den Versucher immer gleich erkenne". Das hätte für sie jedoch ohne Schwierigkeit aus dem Inhalt der Einflüsterungen klar sein müssen, vor allem wenn der Teufel wüst zu lästern begann, wie zum Beispiel: "Ich werde dich zertreten, du elender Wurm"; oder wenn er sie als "leidenden Fratzen" und den Pfarrer als "verfluchten Hund" bezeichnete (7).

Noch einmal spricht die Konnersreuther Literatur von Nachstellungen des Teufels um das Jahr 1929. Therese hatte unter großen Versuchungen zu Stolz und zur Verzweiflung zu leiden. Einmal hatte ihr dabei der Teufel zugeflüstert: "Dein ganzes Leiden hilft dir ja doch nichts. Du bist recht dumm gewesen, so zu leiden. Genieße das Leben wie auch andere Mädchen! Du und dein Pfarrer gehören mir ja doch, ihr seid ewig mein. (8) Auf eine derart plumpe Versuchung ist natürlich Therese nicht hereingefallen.

Schauen teuflische Versuchungen so aus? Handelt es sich nicht vielmehr ganz eindeutig um Aussagen einer hochgradig Hysterischen? Es gibt genug Pseudomystiker, die Ähnliches "erlebt" haben, wie zum Beispiel bei den Gaßnerischen Heilkuren. Hier sprach der Satan unmittelbar durch die Patienten des Pfarrers, ja er hielt zuweilen förmliche Predigten. Man findet aber in des "Teufels" Worten nichts anderes als die Gedanken des Pfarrers Gaßner. Gleiches trifft auch zu bei den "teuflischen Ansprachen" der Therese Neumann: Nicht des Teufels, sondern Thereses Stimme und Anliegen waren hier zu hören.

Im Jahr 1966 hat der Jesuitenpater Adolf Rodewyk ein Buch über eine von ihm mit dem Namen Magda bezeichnete Frau veröffentlicht, bei der ähnliche Erscheinungen wie bei Therese Neumann beobachtet wurden (9). Im Alter von 13 Jahren war Magda 14 Tage lang fast völlig blind, und auch in ihrem späteren Leben litt sie wiederholt an Sehstörungen. Gelegentlich vermochte sie längere Zeit nicht zu sprechen; oft war die Stummheit mit Taubheit verbunden. Auch Gebrechen wie Lähmungserscheinungen, Leibschmerzen, fiebrige Erkrankungen stellten sich nach vorheriger Ankündigung ein. Magda vermochte mit äußerst wenig Schlaf auszukommen und nahm nur geringe Nahrungsmengen zu sich. Als Zentralphänomen bezeichnet Rodewyk die "Krisenzustände" der sonst meist gesunden Frau. Er unterscheidet, ebenso wie es im Falle Therese Neumann geschehen ist, einen Zustand der "Benommenheit" und einen "Zustand der Ruhe". Im Zustand der "Benommenheit", sagt P. Rodewyk, war Magda "nicht ganz mehr da". Der "Krisenbeginn" bedeutete zugleich Beginn der Amnesie. Von dem, was Magda während der Krise gesprochen hatte, wußte sie später nicht das mindeste. Rodewyk sieht in dieser Amnesie einen Beweis für den dämonischen Ursprung der Ekstasen. "Bei der echten Ekstase", sagt er, "weiß der Betreffende, was gesagt wird und geschieht." Dementsprechend müßte man also bestimmte ekstatische Zustände bei Therese Neumann als dämonisch bezeichnen. Während der Krisenzustände verfügte Magda über außerordentliche Fähigkeiten, zum Beispiel über hellseherische Gaben verschiedenster Art. Die Krise bezeichnet Rodewyk als einen Trancezustand, der sehr viel Ähnlichkeit mit dem hypnotischen Schlaf aufweise. Das Ende der Krise glich dem "Aufwachen aus einem tiefen Schlaf". Es kam vor, daß Magda plötzlich während eines Gesprächs von der Krise überfallen wurde. Kam sie wieder zu sich, dann fuhr sie "genau an dem Punkt in ihren Gedanken fort, an dem sie bei Einbruch der Krise stand". Während ihrer Krisen war sie gegen Schmerzen völlig unempfindlich. Gelegentlich wurden ihr biblische Ereignisse "geoffenbart", die sie dann genau schilderte. So wußte sie über Unbekannte Ereignisse aus dem Leben der Stammeltern zu berichten, vor allem über Ereignisse aus dem Leben Kains. Ausführlich schilderte sie die "Vergangenheit der Engel", insbesondere den Engelsturz. Sprach sie während ihres Krisenzustandes, dann geschah es in der Art, als ob ein anderer aus ihr redete, "mit tiefer, männlicher Stimme", ja man glaubte einen völlig anderen Menschen vor sich zu haben. Während der Krisenzustände redete nicht Magda selber, sondern andere sprachen aus ihr, und zwar in der dritten Person. Rodewyk bezeichnete Magda als vom Teufel besessen. Acht Teufel sollen in ihr gehaust haben, zum Teil zur selben Zeit, zum Teil abwechselnd, sie waren die Ursache der einzelnen außergewöhnlichen Phänomene; sie quälten zuweilen ihr Opfer, schlugen es und warfen es aus dem Bett.

Rodewyk glaubte einen Fall von Besessenheit vor sich zu haben. Die Beweise sind allerdings nicht überzeugend, da das Fundament der Diagnose zu fragwürdig scheint. Der Pater stützt sich bedenkenlos auf die Aussage der "Teufel". Der erste Teufel, den Rodewyk entdeckt haben will, nannte sich Kain. "Als Ursache der vorliegenden Besessenheit gab dieser Kain an, daß Magda von ihrer Großmutter mütterlicherseits schon als ganz kleines Kind oft und schwer im eigentlichen Sinne verflucht worden sei." Im Unterschied dazu versicherten später die "Teufel", die Schuld an der Besessenheit treffe den Priester, der Magda getauft hatte. "Die Teufel sind unverrückbar bei der Behauptung geblieben, daß der Priester, der diese ersten Exorzismen über Magda sprach, sich nichts dabei gedacht habe, sie vielmehr für eine bloße Zeremonie hielt und nicht die ernste Absicht hatte, die Teufel zu vertreiben. So sei es möglich geworden, daß Kain ganz früh in Magda fuhr, d.h. zunächst nur Kain, der dann das Kommen der anderen vorbereiten sollte." Trotzdem fiel Magda weder in ihrer Kindheit noch als verheiratete Frau bis zu ihrem 30 Lebensjahr sonderlich auf Was Rodewyk zurückschauend anführt, entstammt im wesentlichen lediglich dem Zeugnis der "Teufel", An der Richtigkeit der Auskünfte der verschiedenen "bösen Geister" zweifelt der Pater genausowenig, wie der Konnersreuther Kreis an den Aussagen der Therese Neumann etwas auszusetzen hatte. Rodewyk vertritt die Auffassung, "daß der Exorzist dem Teufel Fragen stehen kann, die dieser beantwortet, ja, beantworten muß". Er meint sogar, die bösen Geister müßten auf Befragen die reine Wahrheit bekennen. Unwillkürlich wird man an den Satz erinnert, den Teodorowicz, aber Therese Neumann geschrieben hat: "Diese Stimmen irren nie," Auch andere Überlegungen lassen Zweifel an der Ansicht von Pater Rodewyk aufkommen. Die Besessenheit faßt er auf die Unterweisung der "Teufel" hin so auf, als ob die einzelnen Teufel in verschiedenen körperlichen Organen ihren Wohnsitz hätten, beispielsweise in der Lunge oder im Magen. Seit dem Jahr 1941 bis zum Tod im Jahr 1954 hatte die "Besessene" unter teuflischen Nachstellungen zu leiden. Zwar gelang es Rodewyk zuweilen, einen Teufel zu vertreiben, aber die anderen blieben, und über kurz oder lang kehrte der Ausgetriebene wieder zurück. Oft geschah es, daß ein Teufel ausfuhr, während gleichzeitig ein anderer an seiner Stelle wieder einfuhr. Sonderbar mutet die Angabe an, die Teufel hätten im normalen Fall die besessene Person "aus den oberen Luftwegen verlassen", zuweilen auch "aus anderen Körperöffnungen", sogar "auf dem unteren Weg", was sich vorher ankündigte durch "Schmerzen im Unterleib". Sogar als Rodewyk glaubte, nach häufigen im Lauf von vier Jahren vorgenommenen Exorzismen den Bann gebrochen zu haben, kam es wieder zu Rückfällen. Die Teufel ließen auch nach ihrer Vertreibung keinen Zweifel darüber aufkommen, "daß die Besessenheit unter bestimmten Voraussetzungen noch wiederkommen werde". Als Magda nach dem Krieg in anderer Umgebung kam, kehrte die Besessenheit zurück, "und ihr Bild blieb unverändert". So ging es fort bis zu ihrem Tod am 15. Dezember 1954.

P. Rodewyk verweist in seiner Schrift über Magda auf den Fall der nichtkatholischen Mollie Fancher, mit dem sich eingehender P. Herbert Thurston beschäftigt hat (10). Rodewyk meint, trotz auffallender Parallelen sei die Sachlage in beiden Fällen grundverschieden, Aber so grundverschieden ist sie keineswegs. Mollie Fancher wurde im Jahr i848 geboren und starb kurz vor dem Ende des letzten Jahrhunderts. In den Jahren 1865 und 1866 wurde sie infolge zweier sehr ernster Unfälle unheilbar krank. Ihre Beine verkrümmten ohne organische Ursache, sie wurde blind, konnte jahrelang nicht schlucken und lebte fast vollständig ohne Nahrung; "im eigentlichen Sinne des Wortes schlief sie nie". In ihrem gelähmten Zustand entwickelte sie merkwürdige hellseherische Fähigkeiten. "Dazu offenbarten sich in ihr fünf voneinander unterschiedene Persönlichkeiten". Zuweilen befand sie sich inmitten der "vergeistigten Leiber Verstorbener". Wie Magda und Therese Neumann hatte sie "Zustände der Entrückung, der Erstarrung und Krämpfe". Bei Magda und bei Mollie Fancher wie auch bei Therese Neumann handelt es sich um Fälle der sogenannten abnormen Psychologie, die Unterschiede in den einzelnen Fällen sind großenteils situationsbedingt.

2. Der Schutzengel

a) sichtbare und unsichtbare Begleiter

Ein ausnehmend inniges Verhältnis soll Therese Neumann zu ihrem Schutzengel gepflogen haben. Nicht selten oder gar immer vermochte sie ihn wahrzunehmen oder zu sehen. Sie sah ihn "im Zustand der Eingenommenheit" zu ihrer Rechten stehen; sie sah ihn auch zur Rechten eines Jeden Besuchers (1). Nach Boniface (2) müßte sie ihren Schutzengel immerzu wahrgenommen haben:

"Im wachen Zustand sieht Therese zu ihrer Rechten immer einen leuchtenden Menschen einen Engel (wie auch zur Rechten anderer Menschen), und sie steht mit ihm in einem ständigen Zwiegespräch. Dieser Engel offenbart ihr die Dinge, die sie über das verborgene Leben oder den Seelenzustand ihrer Besucher wissen muß; was viele als eine unmittelbare Herzenskenntnis betrachten (eine Kenntnis, die sie übrigens auch weitgehend besitzt) und wofür viele Beispiele sprechen, ist in Wirklichkeit eine Offenbarung, was ein wesentlicher Unterschied ist."

Einmal erklärte Therese Neumann im Gespräch mit Helmut Fahsel, "es sei die Stimme des Schutzengels, die sie im Augenblick unterrichte" (2a). Man kommt hier in einige Verlegenheit, weil man nicht mehr unterscheiden kann, wer nun eigentlich zu Therese gesprochen haben soll, der Schutzengel oder Christus. Vielleicht müßte man so sagen: "Der Schutzengel" hat zu Therese gesprochen, "der Heiland" hat aus ihr geredet.

Ebenso wie Boniface, betont auch Franz Huber, daß Therese Neumann jederzeit von ihrem Schutzengel beraten wurde, auch im Wachzustand.

"Es wurde schon erwähnt, daß Therese Neumann auch im wachen, normalen Zustand oft etwas aussagt, antwortet oder erklärt, was nicht von ihr selber stammen kann. Sie gibt dahin Aufschluß, das sage ihr der Schutzengel. Sie macht tatsächlich bei diesen Äußerungen den Eindruck, als ob sie deren Inhalt soeben aus anderer Hand und direktem Hören erhalte. Diese inneren Ansprachen und Worte, die sie oft empfängt, stammen demnach oft von ihrem Schutzengel. Sie hört ihn, wie sie sagt, im natürlichen Zustand an ihrer Seite sprechen; erhält durch ihn (wie durch einen ständigen Begleiter oder Sekretär, einem wirklichen Geheimsekretär) während der Unterhaltung mit einem Besucher unmittelbaren und unbemerkten Aufschluß über den Seelenzustand, die Eigenheiten, Charakterfehler, die Vergehen der Besucher (oder Gesprächspartner oder deren Begleiter, die nur schweigend dasitzen und zuhören), und zwar ganz konkret und mit all den Einzelheiten, deren Kenntnis zur Beratung der erschienenen Besucher notwendig ist." (3)

Der Schutzengel (Auskunft in der Ekstase) hat auch des öfteren zu ihr gesprochen, aber nur für sie hörbar, und zwar immer von der rechten Seite her, sowohl während des gewöhnlichen Zustandes als auch während des Zustandes der Eingenommenheit". Merkwürdig scheint, daß Therese Neumann "im eingenommenen Zustand" nicht hochdeutsch verstand. Darum gab sie die Worte des Engels nur mechanisch wie fremdsprachliche Worte wieder. Sie beklagte sich, daß der Engel sich nicht greifen lasse und daß er so albern rede.

Den Berichten zufolge müßte Therese zu jeder Zeit mit Hilfe des Schutzengels über alle Fähigkeiten des Hellsehens verfügt haben. Es muß allerdings daran erinnert werden, daß sie das einmal selbst verneint hat! Als ihr einmal jemand eine zweifelhafte Reliquie zur Begutachtung vorgelegt hatte, versicherte sie:

"Ja, das weiß ich jetzt nicht; das weiß ich nur in der Ekstase. jetzt weiß ich auch nicht mehr als andere Menschen." (3a)

Wer hat nun eigentlich in der Ekstase aus Therese Neumann oder zu ihr gesprochen? In der ersten Zeit wurde diese Stimme der hl. Theresia von Lisieux zugeschrieben, später erscheinen als Sprechende der Heiland und der Schutzengel. Dieser gab manchmal Anweisungen, die offenbar keinem anderen Zweck dienten, als für Therese und ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten Zeugnis abzulegen.

Eines Tages, während Therese sich in Ekstase befand, unterhielten sich Pfarrer Naber und Benefiziat Härtl darüber, ob die soeben abgelaufene Vision über die Heilung zweier Blinder und über eine Teufelsaustreibung in der Hl. Schrift stünden. "Auf einmal fängt Therese zu reden an: ,Da hat einer gesagt: Er lese nach bei Matthäus 9'" (4) Der Bericht über die Heilung der zwei Blinden und des Besessenen ist so bekannt, daß der Zweifel der beiden Theologen unverständlich ist.

Ein anderes Beispiel aus dem Tagebuch des Pfarrers Naher:

"An einem Karfreitag war ich bei Resl gewesen und dann nach unten gegangen. Kaum im unteren Zimmer angenommen, wird die dortige Glocke von Resls Zimmer her geläutet. Da sonst niemand zu sehen ist, gehe ich nochmals in Resls Zimmer und werde dort mit den Worten empfangen: ,Hat grad einer gesagt: Er soll seinen Mantel anziehen, daß er sich nicht verkältet.' Ich hatte tatsächlich auf meinen Mantel auf dem Kanapee ganz vergessende" (5)

Soweit das Tagebuch. Steiner fügt in der Fußnote dem Bericht bei, Therese habe den Mantel gar nicht bemerken können; im Zustand der Eingenommenheit habe sie nichts sehen können also Blindheit. Hätte der Pfarrer nicht sehr bald das Vergessen seines Mantels bemerkt, bevor er sich erkältete?

Auch im Normalzustand will Therese Neumann vom Schutzengel beraten worden sein.

"Einmal erzählte Resl, sie habe ein Schriftstück, das sie gerade notwendig brauchte, verlegt gehabt. Sie habe schon in der Kirche gebetet gehabt, daß es zum Vorschein kommen möchte, und eben beim Ofen in ihrem Zimmer zu diesem Zweck gebetet. Da auf einmal hörte sie reden; sie meinte, es sei ihre Schwester Creszenz, aber sie sah nichts von der. Die Stimme sprach: Geh in das Dachkämmerchen neben dem Zimmer und heb einen Teil der Briefe weg, dann findest Du das Gesuchte."

Therese tat, wie geheißen, und siehe, das Schriftstück lag da.

Eines Tages kam Therese "vormittags zur Kommunion in den Pfarrhof"; der Pfarrer, den sie suchte, war noch nicht aus dem Schulhaus zurückgekehrt; darum ging sie einstweilen in den Garten und beschäftigte sich mit Blumen. Plötzlich hörte sie eine Stimme sprechen: "Liebes Kind! Denk heute bei der hl. Kommunion besonders an den Benefiziaten und auch den Tag öfter, damit er mutig und entschieden bleibt!" Benefiziat Härtl hatte den bischöflichen Auftrag erhalten, seine Eindrücke über die Stigmatisierte niederzuschreiben. Er hatte am Morgen gebetet, Gott möge ihm helfen, so zu schreiben, "daß der Sache gedient sei". (6) Fürwahr ein wichtiges Anliegen, das ein Eingreifen des Schutzengels verständlich macht!

b) Außerordentlicher Helfer

Vom Schutzengel erfuhr Therese gelegentlich auch spürbare

Hilfe. Es kam vor, daß sie aus dem Bett fiel, plötzlich aber lag sie wieder im Bett. Die Erklärung in der Ekstase lautete: Der Schutzengel hatte sie ins Bett gebracht.

"Als Therese 1927 einige Zeit im Pfarrhof war, drängte sie der Teufel einmal zum Fortgehen. Sie kam einen Teil die Stiege hinab, blieb aber dort aus Schwäche liegen. Niemand kam dazu, sie selber konnte sich auch nicht helfen, fand sich aber doch plötzlich wieder in ihrem Bett. In solchen Fällen, hieß es in der Ekstase, greife der hl. Schutzengel ein." (7)

Hat der Teufel sie zum Fortgehen gedrängt, damit der Schutzengel wieder Gelegenheit hatte, sie zurückzuführen?

Das in seiner Art wohl seltsamste Erlebnis mit dem Schutzengel soll sieh am Pfingstsonntag 1931 ereignet haben.

"Therese war während des Hauptgottesdienstes hinten im Schiff der Kirche unter den Leuten. Dies bekam ihr nicht gut und sie fühlte sich nach der ersten Vision sehr übel; das Herz wollte nicht mehr funktionieren. Wir waren alle gegangen, sie auf dem Kanapee liegend zurücklassend [man hatte sie in ihr Zimmer zurückgebracht - D. V.]. Gleich darauf läutete es von ihrem Zimmer aus nach unten. Der Vater geht hinauf und findet Therese im Bett liegend wie bei Nacht, ausgezogen und dagegen protestierend, daß man sie zu Bett gebracht habe. Vor dem Kanapee auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers liegt ihr Obergewand mit dem Schurz und dem Unterrock darunter und der Uhrschnur mit der Uhr um den Hals, alles noch in der Lage und vollständig geschlossen, wie es Therese an ihrem Leibe getragen hatte. Therese erzählte hernach, es sei ihr erst vorgekommen, als ob sie jemand vorn an beiden Schultern berühre und daraufhin das Gewand hinabfalle; hierauf habe sie nochmal eine gleiche Berührung gefühlt, was nicht nach ihrem Wunsche gewesen sei. Im erhobenen Ruhezustand wurde gesagt, das alles habe der hl. Schutzengel gemacht, damit Therese keinen Schaden nehme."

Es ist durchaus nicht ersichtlich, woher ein Schaden hätte drohen können. Ebenso stellt sich hier die Frage: Warum ging Therese am Pfingstfest nicht an ihren Platz hinter dem Hochaltar, wie es sonst ihre Gewohnheit war? Wieso erkannte sie ihren Schutzengel nicht, den sie sonst neben sich wußte und sah? Sie war ja, wie die Erzählung aufzeigt, nicht bewußtlos. Ferner hören wir von einer Klingelanlage. Diese diente zuweilen einem besonderen Zweck; es wurde Hilfe herbeigeholt, falls irgend jemand "hinderte" oder wenn der "schlechten Luft" wegen gelüftet werden mußte. Darf man Berichte und Aussagen von derart bedenklicher Art als mystische Phänomene bezeichnen?

Die Heimat der Engel ist der Himmel. Die Vorstellung, daß der Schutzengel ständig an der rechten Seite des Menschen weilen muß, kann nur als naiv bezeichnet werden. Die Aufgabe des Schutzengels gegenüber dem Menschen erstreckt sich in erster Linie auf dessen Seelenheil. Auch die Berufung der Therese Neumann auf die Auskünfte durch den Schutzengel ist ebenso fragwürdig wie der Glaube, daß aus ihr der Heiland gesprochen habe.

Es überrascht einigermaßen, daß Therese Neumann zwar an Marienfesten die Mutter Gottes geschaut haben will, daß sie aber keine weiteren Offenbarungen durch sie erhalten hat. Lediglich am 8. Dezember 1926 will die Visionärin von Maria angesprochen worden sein. Dabei "gab sie wiederholt Freudenlaute von sich und strampelte vor freudiger Erregung mit den Beinen". Dem Pfarrer erzählte sie, die Mutter Gottes habe ihr erklärt, "daß sie zur Weihnachtszeit leidensfrei sein werde und viel Freudiges erleben werde; vorher habe aber sie und der Pfarrer noch vieles zu leiden" (8). Derartige Aufschlüsse erhielt Therese sonst durch die hl. Theresia von Lisieux, zu der sie, wie der nachfolgende Abschnitt zeigt, ein ganz besonders inniges Verhältnis hatte.

3. Therese Neumann und Theresia vom Kinde Jesu

Schon vor den "mystischen Beziehungen" zum Schutzengel, ja bereits vor der Stigmatisation, nämlich im Frühjahr 1923, setzte angeblich die Hilfe durch die hl. Theresia vom Kinde Jesu ein. Seit August 1914 soll Therese Neumann begonnen haben, diese Selige zu verehren. Ihr Vater erhielt zu Beginn des ersten Weltkrieges zwei Bildchen geschenkt, die er seiner ältesten Tochter gab, weil er glaubte, es handle sich um deren Namenspatronin. Von da an verschaffte sie sich mehrere einschlägige Schriften über die Heilige aus Lisieux. Sie las vor allem die Geschichte einer Seele und die Zeitschrift "Rosenhain".

Am 23. April 1923 vermochte sie, nach jahrelanger Blindheit, plötzlich wieder zu sehen. Therese Neumann selber kam zwar nicht auf den Gedanken, daß sie die Heilung der Kleinen Theresia zu verdanken hatte, aber ihre Mutter sprach die Vermutung aus, die am selben Tag in die Schar der Seligen Aufgenommene habe vielleicht geholfen. Später freilich redete Therese nicht mehr von einer bloßen Vermutung, sondern von einer Tatsache.

Das zweite "Wunder" ereignete sich am 3. Mai 1925. In den Verband am wunden Fuß hatte man drei am Grab der damals noch seligen Theresia berührte Rosenblätter gelegt. Nach Abnahme des Verbandes zeigte sich auf der Wunde ein frisches Häutchen.

Noch aber war die Selige selbst nicht in Tätigkeit getreten. Das war erst am 17. Mai 1925 der Fall. Jetzt will die ans Bett Gefesselte ein wundervolles Licht geschaut und eine Stimme gehört haben, die sie fragte, ob sie gesund werden möchte. Unter anderem vernahm Therese das auszeichnende Wort: "Du bist des Heilands liebstes Kind." (1) Die Sprechende stellte sich zwar nicht vor, aber sie gebrauchte ein Zitat, das nachher zur Lösung des Rätsels führte. Unter anderem erklärte nämlich die "Stimme": "Durch Leiden werden weit mehr Seelen gerettet als durch die glänzendsten Predigten. Ich habe es früher schon geschrieben." Der Pfarrer, dem das Zitat bekannt vorkam, suchte und fand es in dem erwähnten Buch Geschichte einer Seele. Nunmehr wußte man also, daß die Heilung ein Werk der Kleinen Theresia war. Hier muß berücksichtigt werden, daß auch Therese Neumann die genannte Schrift gelesen hat, so daß der Gedanke an die selige Theresia eigentlich hätte naheliegen müssen, denn schon früher bestand zwischen der Patientin und der Seligen ein inniges Verhältnis. Um die Wende des Jahres 1922/23 wandte sich die Kranke an die Selige mit der Frage, ob sie stellvertretend die rheumatischen Beschwerden ihres Vaters übernehmen dürfe; ihre Bitte wurde erhört. Leider gibt Gerlich, der über die Anfrage durch Therese Neumann berichtet, nicht an, ob und wie die Selige geantwortet hat.

Seit dem dritten Wunder bestand kein Zweifel mehr über die Helferin in der Not. Diese ist wiederholt ihrer Verehrerin erschienen und hat zu ihr anerkennende Worte gesprochen. Es war offenbar überhaupt die besondere Aufgabe der Heiligen, die Patientin mit Lobsprüchen zu überhäufen und sie als Vorbild für andere hinzustellen. Natürlich vermochte nur Therese selber die Ansprachen der Heiligen zu verstehen; aber sie sorgte schon dafür, daß sie bekannt wurden. Am 30. September 1925 kündigte die Heilige der Kranken an, die Restfolgen der Lähmung ihrer Beine würden verschwinden, und am 13. November desselben Jahres ließ sie eine lebensgefährliche Blinddarmentzündung ausheilen. Vom 13. Februar bis zum 17. Mai 1926 war Therese wieder ans Krankenbett gefesselt. Da erschien ihr am 17. Mai die Heilige und versprach ihr für denselben Tag eine kleine Erleichterung im Leiden. Natürlich fehlte auch nicht die übliche Anerkennung: "Ich habe Dir schon immer gesagt: Du brauchst nichts zu fürchten; bleib aber schön demütig und verlier den kindlichen Geist nicht!" Kaum hatte sich der Pfarrer entfernt, da wußte Therese, worin die versprochene Erleichterung bestand. Kurz vor dem Besuch des Pfarrers hatte sie zu gehen versucht, aber es war unmöglich. Nun aber stand sie auf und ging zuerst in die Kirche und dann in den Pfarrhof (2) . Am Weihnachtsabend desselben Jahres hatte die nunmehr Stigmatisierte wieder eine Erscheinung, wobei ihr die Selige, wie früher auch, Lob und Anerkennung zollte.

Im folgenden Jahr, am 30. September 1927, offenbarte sich die Heilige "zum ersten Mal" in ihrer wirklichen Gestalt, nämlich im Gewand einer Klosterfrau.

"Milde und freundlich blickte sie auf Therese nieder und gab ihr dann Mahnungen, Aufmunterung und Trost, gleichzeitig aber verkündete sie ihr noch schwere Leiden und viele Kämpfe. Sie solle aber kindlich demütig bleiben."

Ferner sagte Theresia:

"Liebes Kind! Wir freuen uns, daß Du Dich dem Heiland ganz hingibst. Du darfst aber noch viel leiden, besonders in nächster Zeit, und kannst so dem Heiland Seelen näherbringen. Fürchte Dich aber nicht, besonders werde nicht irre, wenn der böse Feind alles daran setzt, um die Absichten Gottes zu vereiteln. In dieser Zeit folge besonders ganz blind Deinem Beichtvater und vertrau ihm jeden Zweifel an! Ihn gab Dir der Heiland zum Berater und Beschützer. Hab' festes Vertrauen, bleib recht demütig, kindlich einfältig und lieb den Heiland über alles! Sag auch Deinem Beichtvater, er solle ganz unbesorgt sein, wenn viele, viele Schwierigkeiten und Kämpfe kommen werden. Er soll auch ruhig sein über die Herablassung und das besondere Wirken des Heilandes, wenn es auch von höherer Seite mißverkannt wird. Hab nur Vertrauen auf den Heiland, er ist mit Euch!" (3)

Man muß bedenken, daß eben um diese Zeit mit besonderem Nachdruck die Forderung ausgesprochen wurde, Therese solle sich in eine Klinik zur Feststellung der Nahrungslosigkeit begeben. Insbesondere der Bischof von Regensburg war daran interessiert. Nach dem, was die "heilige Theresia" zu sagen wußte, standen auf der einen Seite Therese Neumann und ihr Beichtvater, die "von höherer Seite Mißverkannten", auf der anderen Seite stand "der böse Feind", der die Absichten Gottes zu vereiteln bestrebt war; sein Helfershelfer war demnach der zuständige Bischof. Er hat das Schreiben des Konnersreuther Pfarrers, in dem die erwähnten Worte berichtet wurden, nicht mehr erhalten, da er zuvor verstorben war. Die Stigmatisierte von Konnersreuth hat ihn zur Strafe für das "Unrecht", das er ihr und ihrem Beichtvater zugefügt hatte, ins Fegfeuer versetzt.

In den folgenden Jahren hatten die Erscheinungen und Ansprachen der hl. Theresia nur den einen Zweck, Therese Neumann im Blick auf ihre Gegner zu trösten. Im Herbst 1936 hatte die Stigmatisierte sogar eine Erscheinung während ihrer Urlaubsreise in die Schweiz. Die Heilige von Lisieux versicherte:

"Gutes Kind, sei getrost, habe Vertrauen, arbeite und leide ruhig weiter. So kannst du dem Heiland Freude machen, was ja dein Wunsch ist."

Bereits im Abschnitt über die Rolle, die der Schutzengel im Leben der Stigmatisierten von Konnersreuth gespielt hat, war davon die Rede, daß für sie im "Zustand der Eingenommenheit" die hochdeutsche Sprache unverständlich klang wie eine Fremdsprache. Die hl. Theresia sprach regelmäßig hochdeutsch zur Visionärin, und diese verstand jedes Wort und vermochte nachher sogar die Ansprachen Wort für Wort getreu wiederzugeben (4).

Unmittelbar nach dem letzten Weltkrieg erhielt die Stigmatisierte wiederum Lob und Anerkennung von ihrer Schutzpatronin. Die Heilige sprach:

"Sei ruhig und habe Mut; um deinetwillen ist wunderbare Hilfe gebracht und ein teuflischer Plan durch göttliche Macht vereitelt worden. Du wußtest dies im voraus und hattest die furchtbare Gefahr vorausgesehen, die dich bedrohte; aber unser Herr nahm dein Opfer an, das nicht umsonst war. Deine Sendung ist noch nicht zu Ende. Du mußt sein ein lebendiges und von der göttlichen Vorsehung berufenes Zeugnis für die übernatürlichen Wirklichkeiten." (5)

Die Lobende und Gelobte sind auch hier ein und dieselbe Person!

Da die Heilige bloß in hochdeutscher Sprache redete, hätte ihre Schutzbefohlene einmal beinahe ein auszeichnendes Wort nicht verstanden. Es war im fahr 1927, als Therese in Anwesenheit des Pfarrers eine Vision hatte, in der die Heilige sich zeigte. Nach der Schauung beklagte sich die Visionärin, "diese habe gar so hochdeutsch gesprochen". Der Pfarrer fragte: "Was hat sie denn gesagt?" Therese erwidert: "Du bist der Lieb... Lieb ... Lieb ... Ach, die Kleine Theresia spricht gar so hochdeutsch!" Der Pfarrer: "Hat sie vielleicht gesagt: ,Liebling'?" Resl lebhaft: "Ja, so hat sie gesagt: ,Du bist der Liebling des Heilandes, weil du ihm nichts verweigerst.'" Therese tat sich schwer, das schöne Wort wiederzugeben. Warum? Winthuis nennt den Grund: In Konnersreuth sei das Wort "Liebling" völlig unbekannt und dürfte darum auch Therese Neumann nicht geläufig gewesen sein!

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Letzte Änderung: 26. Dezember 2002