BLUMENTOPF

 

Biographie:

"Blumentopf, kegel- oder pyramidenstumpfförmiges Gefäß aus Ton (hart gebrannt, aber porös) Kunststoff u.a. zum Bepflanzen mit Zier- oder Nutzgewächsen"
(aus dtv Brockhaus Lexikon, Bd. 2, Aug-Bop)

Der Samen wurde mit ihrem Anfang September '97 veröffentlichten Debütalbum "Kein Zufall" gepflanzt. Langsam, aber prächtig gediehen die Verkaufszahlen, der von manchen als Nachtschattengewächs verkannten Style-Spezies namens Blumentopf und ihre humoreske Boygroup-Abrechnung/Teenie-Tragödie "6 Meter 90" bereicherte so einige Musikkanäle, Airplaycharts und DJ-Sets.

Auf unzähligen Jams und Tourneen (u.a. mit Fettes Brot und Main Concept) erarbeiteten sich die Freisinger Freestyle-Könige landauf-landab einen uneingeschränkt guten Namen. Die Crowd liebt sie und sie lieben die Crowd. Wahr ist: "Mein gut gemeinter Rat ist: verpaß nie die Party, wenn der Topf in deiner Stadt", denn dann "regnet es Flows bis 'n Loch in deinem Dach ist". Und das ist O-Ton Blumentopf: Mindstate neuer Longplayer anno '99.

Nach über 1 1/2-jähriger Hege und Pflege holt ihr heiß ersehntes Nachfolgealbum "Großes Kino" nun also die Ernte ein : True Stories im 16:9 - Format lassen den Zuhörer geflasht zurück; die Musik stellt den maßgeschneiderten Soundtrack zum alltäglichen Leben der fünf HipHop-Besessenen, die ihre "Seelen in Silben" und dabei gesteigerten Wert auf die "Quintessenz" legen. Wie sagt schon Holunder auf der ersten, infunktiösen Singleauskopplung "Fensterplatz" : "Denn wenn wir Euch das Gefühl, das wir beim rappen hatten, vermitteln / werden aus Käufern Künstler und aus Opfern Täter".

Kein Zufall, feilen doch die fünf HipHop-Freidenker jeden Tag in ihrer smarterweise 'Haushalt 2000' betitelten WG an ihren Flows, ihrer Delivery und taufrischen Rap-Styles. 'Build Ya Skillz' ist für die fünf Freunde eine Frage des sportiven Wettbewerbs, gedopt wird nur mit oral verabreichtem Wortwitz und gerne lädt man sich dazu auch seelenverwandte Homies ein. So kicken sie beispielsweise Lebensweisheiten mit ihren erfahrenen österreichischen Züchterkollegen Total Chaos und Texta (mit denen sie im September '98 auch gemeinsam auf großer "Kaleidoskop"-Tour waren) oder üben chillig-entspannt mit MC Rene den verbalen "Hüftschwung".

"Großes Kino" präsentiert kein vorgetäuschtes 'Ghetto-Life in 85356'. Es projiziert vielmehr authentische, dokumentarische, unterhaltsame, aber auch phantasievolle Filme auf die Retina unseres inneren Auges. Die starke Szenenhaftigkeit ihrer mitreißenden Momentaufnahmen, die verfremdenden Elemente - wie ungewöhnliche, aber immer konsequent umgesetzte Perspektivenwechsel ("Block und Bleistift", "Am Schachbrett")- zeugen von ihrer ungetrübten Freude an cleveren Wortspielereien. Warum Hollywood-like Special-Effects und Dramaturgie auffahren, wenn das Leben einem auch so schon oft genug den Blues verpaßt ("Kein Plan"). Ist ein charmantes Augenzwinkern (wie auf "Fuck The System") da nicht viel schöner? Und bleibt es nicht auch weitaus länger in Erinnerung? Na, wenigstens 'n bißchen! Überhaupt: liegt der Reiz nicht doch genau in dem, was letztlich unausgesprochen bleibt?

Kung Schu, Holunder, Specht, Master P und Sepalot sind nicht nur Regisseure, Produzenten und Drehbuchschreiber in Personalunion, sondern stets Hauptdarsteller und Meister ihres Fachs. Während also andere HipHop-Zellkulturen in thematisch-strengen Monokulturen aufwachsen (checkt "Das Buch der Phrasen"), pflegen die umtriebigen Freising-Five lieber den umsichtigen Beobachteraspekt : "Blumentopf - wir pressen Leben in Plastik". "Großes Kino" ist der 'gelbe Fleck' in der deutschsprachigen HipHop-Wahrnehmung - definitiv die Stelle des schärfsten Sehens!

Produzent und DeeJay Sepalot ist manisch-besessen vom seelenvollen Balsam der 6Ts- und 7Ts-Funk&Soul-Ära und hat bei seiner exquisiten Auswahl von Beats und Samples jenen grünen Daumen, den sich andere nur wünschen. Mit einer großen Gießkanne benetzt er, ganz relaxt, mit seiner (oft abstrakt angehauchten) Sound-Nährlösung die gewachsenen Skillz seiner vier reimenden Kollegen und schafft so eine wild wuchernde HipHop-Flora, zu dem selbst die Maiglöckchen mit dem Kopf nicken. Im November '97 nahm er seinen Mixtape-Ableger "topfhits vol. 1 & 2" auf, welcher neben seiner - auch bei Blumentopf immer wieder spürbaren - untrüglichen Liebe zu Rakim, Gang Starr, EPMD und Biz Markie, auch solche Classics-Perlen wie Barry White, Bob James und Billy Cobham ans Tageslicht förderte. Der junge Mann mit der markanten Hornbrille setzt eben stilsicher auf Qualität, statt auf Hipness.

Blumentopf sind also wie man hört, sieht und fühlt - ebenso wie das gleichnamige Pflanzgefäß - für natürliches Wachstum geschaffen. "Großes Kino" ist so gesehen schon wieder reif für eine Umtopfung, weil seine Wurzeln extrem tief wuchern und die saftigen Reim-Früchte schon schwer an den blühenden & (aus)treibenden Beatz-Blättern hängen...

 

 

DISCOGRAPHIE

 

 

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