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CD-Rezensionen Mai 2004

Bugge WESSELTOFT & New Conception of Jazz: "FiLM iNG"

Jazzland / Universal 060249866 1 239

Bugge Wesseltoft (p, key, Hammond B3), Ingebrigt Flaten (b), Anders Engen (dr), Paolo Vinaccia (mixing), Jonas Lönna (vinyl, electronic rhythm, sounds) + Joshua Redman (ts, ss); Dhafer Yousef (voc, oud), Bvidar Johansen (bs), Øyonn Groven Myhren (voc), u.a.
Rec. Juni – Dezember 2003

Gut, lassen wir die Bemerkung, dass an diesem "New Concept of Jazz" nicht mehr viel Neues dran ist, denn auch diese Feststellung würde nichts Neues mehr bringen. Solange Wessetofts Musik so spannend und gleichzeitig leicht genießbar bleibt, stellt sich die Frage nach "Neuschöpfung" doch nicht, oder? Geschmackvoll und stilsicher (egal, wo man in diese CD hineinhört, die Musik ist sofort als "Bugge" erkennbar) geht es wieder durch verschiedene Sphären von trancigem Jazz, stimmungsvollem Drum'n'bass und Worldmusic, gespickt mit interessanten Sample-Effekten. Die Besetzungen variieren dabei stark, von Solo bis Septett. Nach einem lebhaften Beginn, bei dem das Tanzbein unweigerlich zuckt, kehrt ein wenig Ruhe ein; es wird "chillig", wie man in Fachkreisen sagt. Die Gastmusiker sorgen für Abwechslung in der sowieso schon sehr vielfältigen Musiklandschaft, allen voran ein jazziger Joshua Redman und ein Dhafer Yousef mit gewohnt betörender Stimme, die eine pastoral anmutende Atmosphäre heraufbeschwört. Demgegenüber wirken Wesseltofts Solostücke mit gespenstischem Synthihauch und mechanischen Maschinerhythmen recht unterkühlt. Wobei in der Kälte immer etwas Melancholie durchschimmert. Insgesamt ist diese Hörreise also ein kalt-warmes Wechselbad der Gefühle. Wenn man dran bleibt, wird man mit einigen prickelnden Höhepunkten belohnt, deren Wirkung noch einige Zeit anhält.
(Stubenrauch)


Charles LLOYD & Billy HIGGINS: "Which Way Is East"

ECM 1878/79 (2 CDs), Vertrieb: Lotus Records
Rec. Jänner 2001

Charles Lloyd (ts, as, fl, p, taragato, Tibetan oboe, perc, maracas, voice), Billy Higgins (dr, g, guimbri, Syrian 'one string', hand drums, Juno's wood box, per, voice)

Der Buddhist Lloyd harmoniert mit dem Moslem Higgins auf dem spirituellen Weg gen Osten. Die zweieinhalb Stunden Duos und Solos, die auf dieser Doppel-CD zu hören sind, wurden von Dorothy Darr, Charles Lloyds Lebenspartnerin, im Wohnzimmer der Lloyds aufgenommen und waren ursprünglich nicht für die Veröffentlichung gedacht. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass die Aufnahmen tontechnisch nicht so ganz dem Standard entsprechen, insbesondere nicht dem von ECM selbst gesetzten. Umso mehr ist ECM dafür zu danken, diese Aufnahmen zugänglich gemacht zu haben, denn es handelt sich in mehrfacher Hinsicht um bemerkenswertes Material. Die Tatsache, dass Billy Higgins drei Monate nach diesen Sessions verstarb, verleiht dieser Produktion natürlich besonderes Gewicht, aber die Qualität der Musik besteht unabhängig davon. Stilistisch, atmosphärisch und klanglich wird eine ungeheure Vielfalt geboten, die durchdrungen ist vom Geist spontaner Kreativität, der Freude am Zuhören und am Miteinander. Beide Musiker lassen durch den Einsatz von Instrumenten aufhorchen, die man üblicherweise nicht mit ihnen assoziiert. Higgins spielt neben Schlagzeug diverse arabische Saiteninstrumente und Handtrommeln, sowie Gitarre, und er singt in mehreren Sprachen. Lloyd spielt neben seinen Stamminstrumenten Tenorsaxophon und Flöte viel am Altsaxophon (das er ca. 40 Jahre nicht mehr gespielt hatte!) und überrascht mit sensiblen Piano-Solostücken von Satie-hafter Zartheit. Die freien Duette von Saxophon und Schlagzeug sind eingebettet in die lange Tradition, in deren Zentrum die Begegnung zwischen John Coltrane und Rashied Ali steht. Lloyd, dem Kritiker ja immer wieder vorgeworfen haben, eine Art Coltrane-Klon und -verwässerer zu sein, lässt am Altsaxophon hier aber öfter an Ornette Coleman denken, als an Trane. Die musikalische Universalität der beiden Musiker lässt immer wieder erstaunliche, ungeahnte Facetten aufblitzen. Wahrhaft grandiose Musiker machen grandiose Musik, weil sie tief empfunden ist, und dabei ist er unerheblich, dass manche Ausführung auf einem "Nebeninstrumenten" vielleicht technisch nicht ganz so perfekt gerät. Die intime musikalische Reise geht kreuz und quer durch die verschiedensten Kulturen: Zu hören sind brasilianische Bossa, Sufi-Meditation, Tibetische Klänge, afrikanische Rhythmen und ... Blues! Higgins singt "Lord have mercy" und begleitet sich dabei an der Gitarre. Angesichts des nahen Todes, der ihm wohl bewusst war, bereitet diese Darbietung nicht nur musikalischen Genuss; sie verweist uns eindringlich auf das transzendentale Potenzial von Musik. In hoffnungsvoller Introspektion und mit Heiterkeit hilft Musik, die Realität anzunehmen. Diese CD ist World-Music und Freejazz höchster Güte, aber für den offenen Hörer hat sie mehr parat: Kraft, Trost, Befreiung.
(Stubenrauch)

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