Domvikar Schwager fordert Eid

Die Regensburger Bistumsleitung bemüht sich seit vielen Jahren, die Seligsprechung Therese Neumanns zu erreichen. Dabei spielen Zeugen eine wichtige Rolle. Die entsprechenden Vorbereitungen leistet zur Zeit Domvikar Georg Schwager. Wie geht dieser Mann vor? Vor allem: Wie beweist er, was zu beweisen seine Aufgabe sein müsste?

Am 3. November 2000 schrieb mir Domvikar Schwager: „Nachdem Sie durch mehrere Publikationen, welche die Causa Therese Neumann betreffen, in sehr entschiedener Weise gegen Therese Neumann aufgetreten sind ..., bitte ich Sie, sich zu einer Zeugenvernehmung (ex officio) einzufinden. Es soll Ihnen dadurch Gelegenheit gegeben werden, zur oben angegebenen Causa mündlich Stellung zu beziehen und Ihre Einwände eidesstattlich kundzutun.“

Als Termin gab mir Schwager an: „Montag, 20. November, 9.00 Uhr“. Im Bewusstsein seiner Machtfülle hat er mir also, ohne vorher anzufragen, eine Vorladung geschickt, die er allerdings am 23. Januar 2001 als „Tenninvereinbarung“ bezeichnete. Die Vorladung war der Beginn einer sich über mehr als vier Monate hinziehenden Korrespondenz; denn Schwager wich konsequent einer klaren Beantwortung meiner Fragen aus. Am 8. November hat er den Text der Vorladung ergänzt:

“Die an Sie ergangene Ladung wird als Gelegenheit geboten, neben Ihren publizierten Einwänden auch mündlich Ihre Vorbehalte einzubringen nach dem Grundsatz:,Audiatur et altera pars'!“

Offenbar versteht Schwager in Anlehnung an Caesar unter „audiatur“ nur „hören („Roma audit“). Meine „Einwände“ und „Vorbehalte“ müssten müssten dem Domvikar aber bekannt sein. Ich habe ihn gefragt, ob er meine Publikationen gelesen habe. Die bezeichnende Antwort lautete:

„Ihre Publikationen liegen unserer Abteilung vor und damit auch Ihre Einwände gegen die Causa Therese Neumann.“

Domvikar Schwager will also auch die andere Seite „hören“. Verlangt er vielleicht, dass ich ihm alle meine „Einwände“ und „Vorbehalte“ vorlese? Das würde doch sehr viel Zeit erfordern.

Wie kommt Schwager zu seiner absurden Forderung? Am 24. November 2000 habe ich ihn gefragt: „Wer oder welche Bestimmungen berechtigen Sie, mich ,ex officio' zu ,laden'?“ Er antwortete: „Die Rechtslage sieht vor, dass Personen, welche als Kritiker oder Gegner einer Causa bekannt sind, von Amts wegen zu vernehmen sind.“ Diese „Rechtslage“ war offenbar den Bischöfen Rudolf Graber und Manfred Müller nie bekannt. Ich habe beispielsweise beide aufgefordert, sie möchten den ehemaligen Benefiziaten von Konnersreuth Heinrich Muth eidlich vernehmen; keiner hat reagiert.

Möglicherweise ist Schwager dann die Unsinnigkeit seiner Forderung eingeleuchtet; denn nach seinem Hinweis auf die Rechtslage erklärte er: „Sollten Sie sich nicht mehr mündlich äußern wollen und meinen, alles hinreichend ausgeführt zu haben, so wird sich ein eventuell einzusetzender Gerichtshof lediglich mit Ihren schriftlichen Ausführungen auseinander zu setzen haben, freilich immer unter der Voraussetzung, dass es sich dabei um nicht durch amtlichen Eid verbürgte Aussagen handelt.“ Damit wird gesagt: Wenn bei einer kirchlichen Behörde nicht Gott zum Zeugen angerufen wird, hat eine Aussage nicht viel Wert. Da ist der Eid zu einer Inflationsangelegenheit geworden.

Wenn es Schwagers Urteil gemäß so wichtig ist, dass Aussagen durch einen amtlichen Eid verbürgt sein müssen, dann lautet die logische Schlussfolgerung, dass Männer wie Pfarrer Anton Vogl, Toni Siegert, Emmeram Ritter und Domvikar Schwager, die sich über die Echtheit der „Konnersreuther Phänomene“ und das heiligmäßige Leben Therese Neumanns geäußert haben, ihre Aussagen beeidet haben. Ist das geschehen?

Welche Personen müssen in der Causa Therese Neumann ihre Aussage beeiden? Auf die Behauptung Schwagers, dass Personen, welche als Kritiker und Gegner einer Causa bekannt seien, von Amts wegen zu vernehmen seien, habe ich ihn um die Angabe der einschlägigen Bestimmungen gebeten und gefragt: „Müssen nur Kritiker und Gegner einer Causa von Amts wegen vernommen werden?“ Da ich keine Antwort erhielt, habe ich am 18. Januar 2001 diese und andere nicht beantwortete Fragen wiederholt. Darauf schrieb mir Schwager am 23. Januar: „Als Antwort auf Ihr Schreiben vom 18.01.2001 kann ich Sie auf die Leges Novae pro Causis Sanctorum, Normae 21 verweisen.“ Nun, wie lautet diese Bestimmung? Sie hat folgenden Wortlaut:

“a) Episcopus vel delegatus aliquos testes ex officio vocat, qui ad inquisitionern perficiendam, si causa ferat, contribuere valeant, praesertim si ipsi causae contrarii sint.

b) Vocandi sint tamquam testes ex officio viri probati, qui pervestigationes documentorurn fecerunt et relationes de ipsis exararunt, iidemque sub iuramento declarare debent:

1) se omnes investigationes peregisse ac omnia collegisse, quae causam respiciant;

2) nullum documentum aut textum se adulterasse vel mutilasse.“

Der Text sagt:Als Zeugen sollen Personen vernommen werden, die einen Beitrag zur Causa liefern können -insbesondere, wenn sie Gegner einer Causa sind. Bei den als Zeugen zu Vernehmenden handelt es sich um bewährte Männer, die einschlägiges Material eingesehen und darüber einen Bericht erarbeitet haben. Diese sollen unter Eid versichern, dass sie alle Nachforschungen unternommen und all das gesammelt haben, was die Causa betrifft, und dass sie kein Dokument und keinen Text gefälscht oder geändert hätten.

Schwager versteht die Bestimmung nicht. Sie hat nicht Autoren im Auge, die ein Buch veröffentlicht haben, in dem sie die einzelnen Angaben mit Quellenhinweis belegen. Wer deren jeweiligen Ausführungen nicht Glauben schenken will, kann sich selber vergewissern, ob gefälscht oder geändert worden ist. Wenn Schwager Fälscher sucht, dann soll er die Schriften aller Autoren unter die Lupe nehmen, die über Konnersreuth arbeiten bzw. gearbeitet haben. Im übrigen ist Schwager bekannt, dass ich nicht alles einschlägige Material eingesehen und ausgewertet habe; aber dafür sind jene verantwortlich, in deren Auftrag er tätig ist. Ich habe mich sowohl an Pfarrer Anton Vogl von Konnersreuth wie auch an Manfred Müller, Bischof von Regensburg, mit der Bitte gewandt, das im Dokumentationszentrum von Konnersreuth lagernde einschlägige Material einsehen zu dürfen; es wurde mir nicht gestattet. Pfarrer Vogl teilte mir im Jahr 1994 mit, „eine Benutzung“ könne „unmöglich erlaubt werden“. Schon vorher, am 4. November 1991, hatte mir der Sekretär des Bischofs geschrieben: „Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie von seiten des Bischöflichen Ordinariats darum weder gebeten wurden noch dazu einen Auftrag besitzen.“ Was für einen katholischen Theologen der Diözese Regensburg unmöglich ist, begegnet bei anderen Autoren keinerlei Schwierigkeiten. Im Jahr 1994 hat der evangelische Theologe Dr. Günther Schwarz das Buch veröffentlicht: DAS ZEICHEN VON KONNERSREUTH. Der Prachtband wurde herausgegeben von der „Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse beim Bischöflichen Konsistorium für das Bistum Regensburg“. Den Druck übernahm der “Erhardi Druck“, der Eigentum des Bischöflichen Stuhles in Regensburg ist. Der Absatz im Buch: „Die Kritik des Josef

Hanauer“ wurde im Jahr 1994 ein zweites Mal veröffentlicht, und zwar im „Therese-Neumann-Brief Nr. 6“. Im selben Jahr 1994 erschien das umfangreiche Buch des Schriftstellers Wolfgang Johannes Bekh: THERESE VON KONNERSREUTH ODER DIE HERAUSFORDERUNG SATANS. Sowohl Schwarz wie auch Bekh erhielten im Dokumentationszentrum von Konnersreuth „freien Zugang“.

Eine weitere Schrift, die sich positiv mit dem Thema Konnersreuth befasst, ist im Jahr 2001 erschienen. Sie trägt den Titel: JOSEF NABER - DER PFARRER DER KONNERSREUTHER RESL. Der Autor Augustin Niedermeier gibt als Quellen unter anderem an: „Pfarrakten Konnersreuth, Akten des Dokumentationszentrums Konnersreut Domvikar Schwager hat mich zur eidlichen Vernehmung bestellt, weil ich „in entschiedener Weise gegen Therese Neumann aufgetreten“ bin. Darauf hin habe Ich Ihn gefragt, ob er auch Toni Siegert, der entschiedener Weise für Therese Neumann aufgetreten ist, eidlich vernommen habe. Seine Antwort lautete, er könne zu „Fragen bezüglich anderer Personen, welche sich in irgendeiner Weise zur Causa Therese Neumann geäußert“ hätten, „aus amtlichen Gründen keine Auskunft geben“. Damit meint er wohl Personen, die sich ihm gegenüber geäußert hatten, insbesondere den Inhalt dieser Gespräche. Aber darum geht es nicht. Es ist ja allgemein bekannt, dass sich Toni Siegert zur Causa geäußert hat, und über den Inhalt seiner Aussagen haben die „Therese-Neumann-Briefe“ reichlich informiert. Worauf ich Schwager hinweisen wollte, ist sein falsches Verständnis der Normae 21. Dort heißt es, „insbesondere“ seien Kritiker und Gegner einer Causa zu vernehmen;

aus dem „insbesondere“ macht er „nur“.

Am 20. Januar 2001 habe ich Schwager gebeten, er möge mir den Wortlaut wenigstens einiger der von mir zu beantwortenden Fragen mitteilen, damit ich mir ein Bild davon machen könnte, was mir zugemutet wird. Daraufhin hat er mir ein „schriftliches Interrogatorium“ zugesandt, mit der Anweisung, ich sollte nach meinen „Aussagen zu den einzelnen Fragen ...in Gegenwart eines Notars oder eines Pfarrers ... den vorgeschriebenen Eid -vor einem Kruzifix und einem Evangelienbuch (Heilige Schrift)“ mit den angegebenen Worten leisten. Ich war enttäuscht; denn ich hatte spezielle Fragen erwartet, die sich auf meine „publizierten Einwände“ beziehen. Das zugesandte „Interrogatorium“ mit seinen 136 Fragen ist mir schon lange bekannt. Sollte ich bestimmte Fragen umfassend beantworten, dann müsste ich weite Teile aus meinen Büchern abschreiben. Da wäre es doch weit vernünftiger, Domvikar Schwager würde meine Bücher lesen.

Ich greife aus dem „Interrogatorium“ einige Beispiele heraus: Die Frage 6 von den „einleitenden Fragen“ lautet:

„Wenn Sie die ThN nicht persönlich gekannt haben, aus welchen Quellen schöpfen Sie Ihre Kenntnis, aus schriftlicher Korrespondenz oder aus Aktenunterlagen, die Ihnen zugänglich waren? - Oder aus Biographien oder erläuternden Veröffentlichungen? Bitte würden Sie hier nähere Angaben machen (Autor, Titel, Verlag, Erscheinungs-Jahr, gegebenenfalls Archiv)?“ -Die Antworten auf diese Fragen sind in meinen Schriften zu finden. Soll ich etwa nunmehr den Text mündlich oder schriftlich wiederholen? Wie lange würde mich allein die Beantwortung einer einzigen Frage beschäftigen?

Die Nummer V des Interrogatoriums hat als Thema: „Charismatische Gaben, außerordentliche Tatsachen und außergewöhnliche Phänomene, die ThN zugeschrieben werden.“ Die Frage 93 hat folgenden Wortlaut:

„Halten Sie Manipulationen für ausgeschlossen? Wie begründen Sie das? Oder halten Sie Manipulationen für möglich? Welche Beweise können Sie dafür vorbringen?“

Die Nummer 97 will wissen:

„Haben Sie auch negative oder zweifelnde Stimmen gehört? Von wem und welcher Art? Auf was haben sich diese bezogen?“

Die Nummer VII will Auskunft über den „Ruf der Heiligkeit zu Lebzeiten und nach dem Tod“.

Da wird gefragt: “109. Gibt es Personen und Kreise, die den Ruf der Heiligkeit der ThN nicht teilen, daran zweifeln und deshalb gegen die Einleitung eines Seligsprechungsverfahren sind? Bitte nennen Sie Namen und geben Sie die Anschrift bekannt!“

Die anschließende Frage hat den Wortlaut:

„110. Wie stehen Sie persönlich dazu? Wie begründen Sie Ihre Haltung? Sind Sie sich der Tragweite Ihrer Stellungnahme bewusst?“

Bemerkenswert ist das Begleitschreiben, das Schwager seinem Brief vom 2. 3 .2001 beigelegt hat. Da fordert er mich auf, „über den Inhalt der Vernehmung Stillschweigen zu bewahren“. Ich habe nachgefragt, was damit gefordert würde: Schweigen über den Wortlaut der einzelnen Fragen, Schweigen über meine jeweiligen Antworten, Verpflichtung dazu unter Eid? Schwager gab am 14. März 2001 die verlangte Auskunft: „Auf Ihre Anfragen kann ich Ihnen antworten, dass es bei kirchlichen Eheprozessen üblich ist, auf die Schweigepflicht hinzuweisen und diese auch unter Eidesleistung einzufordern (vgl. Ehegerichtsverfahren ). Dies erfordert der Schutz der Privatsphäre jener Person, über welche Zeugen befragt werden, auch wenn sie bereits verstorben sind. Sollten Sie die eidesstattliche Erklärung unterschreiben, so bezieht sich diese auf den Inhalt Ihrer Antworten, die Sie an uns weitergeben.“

Was das Thema Ehegerichtsverfahren mit den „Konnersreuther Phänomenen“ und mit der Frage, ob Therese Neumann ein heiligmäßiges Leben geführt hat, zu tun haben soll, ist schleierhaft. Außerdem geht es in keiner Weise um eine Privatsphäre, sondern um eine Frage des öffentlichen Interesses. Dazu kommt: Brauchen Leute wie Toni Siegert keinen Eid zu leisten, weil Verehrer der Stigmatisierten nichts anderes sagen können als die Wahrheit? Weiter: Werden nur „Gegner und Kritiker“ zu einer eidlichen Vernehmung zitiert, damit ihnen so der Mund verboten werden kann?

Schwager sagt, die von mir verlangte eidesstattliche Erklärung beziehe sich auf den Inhalt meiner Antworten. Das versteht sich. Aber die Beantwortung der mir auf Grund des vorgeschriebenen Textes gestellten Fragen kann nie etwas anderes sein als eine Wiederholung von all dem, was in meinen Publikationen nachgelesen werden kann. Wo soll also die Schweigepflicht beginnen und wo soll sie enden? Dürfte ich dann womöglich meine Bücher nicht mehr verbreiten?

Warum fordert Schwager von mir überhaupt einen Eid? Im Schreiben vom 2. März 2001 macht mich der Domvikar „pflichtgemäß“ darauf aufmerksam, „dass es sich bei dieser Zeugeneinvernahme um eine wichtige Angelegenheit handelt“, und dass ich mich „ deshalb durch eine bewusst falsche Aussage einer schweren Sünde schuldig“ machen würde. Außerdem sagt er in seinem Brief, den er mir am 20. März 2001 geschrieben hat: „Die in Ihren Büchern gemachten Ausführungen sind jedermann zugänglich. Ob Sie freilich alle dort gemachten Behauptungen unter Eid bezeugen können, liegt nur an Ihnen.“ Zum einen muss ich fragen: Kennt denn Schwager meine “Ausführungen“? Meine Frage, ob er meine Bücher gelesen habe, hat er, wie gesagt, nicht beantwortet. Zum zweiten: Welche „Behauptungen“ soll ich unter Eid bezeugen: Die Behauptungen anderer, seien sie pro oder contra Therese Neumann, oder meine „Stellungnahmen“, die sich auf die Quellen stützen, die ich

jeweils angegeben habe? Falls Schwager meinen Darstellungen keinen Glauben schenken will, dann soll er doch nachweisen, dass sie falsch sind! Er hat mich am 3. November 2000 zu einer „Zeugenvernehmung“ zitiert; dabei hat er mich auf meine Schrift WAHRHAFTIGKEIT UND GLAUBWÜRDIGKEIT IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE hingewiesen. Diese ist meine Antwort auf die Vorträge, die Toni Siegert in gottesdienstlichen Räumen gehalten hat. Prälat Emmeram Ritter bezeugt: Er besitzt „gerade jene wünschenswerte Objektivität, die unabdingbar notwendig ist. Es gibt in seinen Forschungsergebnissen keinen Satz, den er nicht durch Quellen eindeutig belegen könnte.“30 Was Ritter behauptet, ist nachweislich genau das Gegenteil von dem, was der Wahrheit entspricht.

Schwagers Schlusssatz in seinem Schreiben vom 20. März 2001 lautet so:

„Wenn Sie von der absoluten Richtigkeit Ihrer Behauptungen überzeugt sind, so können Sie diese doch in aller Aufrichtigkeit einfach und ohne größere Schwierigkeiten beeiden.“

Daraufkann ich nur antworten: Lassen Sie sowohl Prälat Ritter als auch Toni Siegert die Richtigkeit ihrer Behauptungen beeiden! Beide werden dies „ohne größere Schwierigkeiten“ tun. - Schwager überzeuge sich!

Domvikar Schwager ist sich seiner Wichtigkeit voll bewusst. Im November 1999 hat er einem Reporter seinen „Gerichtshof' in Regensburg, in dem er „Tag für Tag zu Werke geht“, und an dem er „die Arbeit eines Staatsanwalts“ verrichtet, gezeigt. „In dem Gerichtshof“ so erklärt er, „gibt's keine Anklagebank, auch keine Verkehrssünder, Tagediebe, Bankräuber. Ein Verfahren nennt man hier Causa, die Menschen, um die es sich dreht, Diener Gottes. Ihre Anwälte heißen Postulatoren.

Der erste Richter ist der Bischof, die alles entscheidende Kraft der Papst und Georg Schwager ist irgendwo dazwischen. Er wertet Zeugenaussagen aus, lässt Gutachten anfertigen, holt Erkundigungen ein. Denn der Domvikar ist Leiter der Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse beim Bischöflichen Konsistorium in Regensburg“. Diese „Abteilung“, so versichert Schwager, ist „tatsächlich ein Gericht“, ein „bischöflicher Gerichtshof“; eine solche Abteilung gebe es im ganzen deutschen Sprachraum „woh1 nur dreimal“. Den Grund dafür gibt er nicht an, aber es dürfte der sein, dass für eine solch schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe nur schwer ein geeigneter Theologe zu finden ist. Georg Schwager, „ein Mann, der Tag für Tag nach genauen Regeln Ermittlungen führt - fast wie ein Staatsanwalt“, hat “in Rom an der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse studiert und mit Diplom abgeschlossen!“31

Was will Schwager eigentlich?

Im Laufe unseres Briefwechsels habe ich Schwager zweimal die Frage gestellt: „Was wollen Sie eigentlich?“ Er hat die Frage nicht beantwortet.

Unser Kontakt begann anfangs Mai 1999. Schwager sandte mir zu meiner großen Überraschung den „Therese-Neumann-Brief 1998“. Zugleich äußerte er den Wunsch nach einem „persönlichen Gespräch“. Meine Frage, welche Themen behandelt werden sollten, beantwortete er mit der Auskunft, seine Einladung sei als „Anfrage gedacht, dass wir uns persönlich kennenlernen“ würden; „darüber hinaus“, so meinte er, könnten wir uns über die Person Therese Neumann aus meiner Sicht und die Umstände in Konnersreuth“ unterhalten. Am 25. Mai 1999 habe ich geantwortet, meine Sicht müsste hinlänglich bekannt sein. Außerdem habe ich auf die in „Sonderbriefen“ verbreiteten Vorträge Siegerts hingewiesen und gefragt, ob er bereit sei, meine Stellungnahme dazu „zu den gleichen Bedingungen zu veröffentlichen“. Mit dieser Anfrage war unser erster Briefwechsel beendet.

Zu einem weiteren Briefwechsel kam es nach Schwagers Aufforderung, ich sollte mich bei ihm zu einer „eidlichen Zeugenvernehmung“ einfinden. Welches Ziel verfolgte er dabei? Da eine klare Auskunft verweigert wurde, muss ich versuchen, sie aus den verschiedenen Schreiben Schwagers zu erraten.

Die Aufforderung zu einer „Zeugenvernehmung (ex officio)“ sollte mir Gelegenheit geben, zur Causa Therese Neumann „mündlich Stellung zu beziehen“ und meine „Einwände eidesstattlich kundzutun“ (3.11.2000). Dann wurde gesagt, “die ergangene Ladung“ biete mir die Gelegenheit, neben meinen „publizierten Einwänden“ auch mündlich „meine Vorbehalte einzubringen“ (8.11.2000). Ähnlich äußerte er sich am 21. November 2000, meine „Einwände gegen die Causa Therese Neumann“ seien bekannt aus meinen Veröffentlichungen; nunmehr solle ich diese „auch mündlich“ äußern. Das heißt also: Schwager verlangt von mir, ich sollte meine bekannten „Einwände“ und „Vorbehalte“ mündlich vortragen und meine Aussagen beschwören. Er begründete aber auch zugleich sein Verlangen mit dem Bemerken: „Andere Zeugen, die bereits Stellungnahmen zu Therese Neumann abgegeben haben, mussten dies ebenfalls eidesstattlich tun.“ Aber was ist mit „anderen Zeugen“ gemeint? In der Antwort auf meine Nachfrage, in der das Wort „müssen“ fehlt, gestand mir Schwager das Recht zu, „auf eine mündliche Zeugenvernehmung zu verzichten“ (21.11.2000). Am 30. November 2000 verwies er auf „die Rechtslage“, die vorsehe, „dass Personen, welche als Kritiker oder Gegner einer Causa“ bekannt seien, „von Amts wegen zu vernehmen“ seien. „Trotzdem“ gestand er mir auch diesmal die „freie Entscheidung“ zu, „die Ladung auf mündliche Vernehmung anzunehmen oder nicht“ (30.12.2000).Auch am 16. Januar 2001 fehlte der Hinweis auf eine Pflicht; er sprach nur von einem „Angebot“. Das entspricht nun nicht mehr dem, was Schwager über die „Rechtslage“ gesagt hätte, die verlange, dass Kritiker und Gegner einer Causa „von Amts wegen zu vernehmen“ seien. Am 21. Februar 2001 vergaß er die „Rechtslage“ und versicherte, seine Absicht, mich zu vernehmen, bestünde darin, „nicht nur die positiven Stimmen für eine mögliche Eröffnung der Causa Therese Neumann zu hören, sondern auch die kritischen“. Dann fuhr er fort: „Mit meiner amtlichen Aufforderung wollte und will ich bewusst auch Ihrer kritischen Stimme die Möglichkeit einer zusätzlichen mündlichen Äußerung bieten“. Da er aber, so führte er weiter aus, meinen Schreiben entnehme, ich sei der Meinung, „in meinen schriftlichen Ausführungen und Publikationen alles niedergeschrieben zu haben“, glaube er, dass sich „eine Befragung erübrigt“ (21.2.2001).

Aber was ist nun der eigentliche Grund für Schwagers Vorgehen? Er schreibt: „Bleibt nur zu hoffen, dass die in Ihren Publikationen angegebenen Quellen (Personen und Dokumente), auf Grund derer Sie zu Ihrer negativen Beurteilung über Therese Neumann gelangt sind, so beschaffen sind, dass an deren Glaubwürdigkeit und Authentizität nicht zu zweifeln ist.“

Wenn Schwager, der sich in der Rolle eines Staatsanwalts fühlt, diesbezügliche Zweifel hegt, dann beweise er doch, dass die von mir benutzten Quellen nicht glaubwürdig und nicht authentisch sind. Es ist geradezu grotesk, von mir zu verlangen, ich solle mich unter Eid verbürgen, dass die von mir zitierten Personen und Dokumente glaubwürdig bzw. authentisch sind. Ich nenne ein Beispiel: die Aufzeichnungen des Konnersreuther Benefiziaten Heinrich Muth. Weder Bischof Rudolf Graber noch Bischof Manfred Müller sind meiner Aufforderung nachgekommen und haben den Benefiziaten vernommen. Dieser hätte seine Aussagen durch einen Eid bekräftigen können. Ich bin voll davon überzeugt, dass Muth jederzeit die Wahrheit gesagt hat. Aber warum soll denn ich meine subjektiven Überzeugungen eidlich bekräftigen?

Ein anderes Beispiel: Der Postulator in der Causa Therese Neumann, Pfarrer Anton Vogl, und der Vizepostulator Pater Ulrich Veh haben, wie verkündet wurde, bei Therese Neumann die Erfüllung der Heroizität aller Tugenden überzeugend nachgewiesen. Wie steht es? Sind die von den beiden Theologen angegebenen Quellen (Personen und Dokumente ), auf Grund derer beide zu ihrer positiven Beurteilung Therese Neumanns gelangt sind, so beschaffen, dass an der Glaubwürdigkeit nicht zu zweifeln ist? mussten beide ihre Überzeugung durch einen Eid bekräftigen?

Schwagers Amtsvorgänger Emmeram Ritter hat in einer Reihe von Beiträgen in „Therese-Neumann-Briefen“ die Stigmatisierte von Konnersreuth als Wunderkind und Heilige höchsten Grades hingestellt. Hat er unter Eid bekräftigt, dass seine Aussagen der Wahrheit entsprechen? Er hat sich wiederholt auf den Journalisten Toni Siegert berufen und dessen absolute Glaubwürdigkeit betont. Hat er sich dafür durch einen Eid verbürgt?

Schließlich muss auch Domvikar Schwager gefragt werden, ob oder wie er sich vergewissert hat, dass seine Quellen, auf Grund derer er zu seiner positiven Einstellung zu Therese Neumann gelangt ist, so beschaffen sind, dass an deren Glaubwürdigkeit und Authentizität nicht zu zweifeln ist.

Am 20. März 2001 hat mir der Domvikar geschrieben: „Wenn Sie von der absoluten Richtigkeit Ihrer Behauptungen überzeugt sind, so können Sie diese doch in aller Aufrichtigkeit einfach ohne größere Schwierigkeiten beeiden?“ Ich gebe die Frage an den Domvikar zurück: Können Sie die absolute Richtigkeit Ihrer eigenen Behauptungen beeiden?

Noch einmal: Welches Ziel verfolgt Schwager mit seinem Verlangen, ich solle einen, noch dazu unsinnigen Eid leisten? Erwartet er damit vielleicht den endlich unanfechtbaren Beweis, dass Therese Neumann nahrungslos gelebt, über eine ganze Palette von anderen „wunderbaren Gaben“ verfügt und ein Tugendleben in heroischem Maße geführt hat?

An dieser Stelle kann man wohl mit Fug abbrechen und die Antwort getrost dem Urteil des geschätzten Lesers überlassen.


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Letzte Änderung: 2. Juli 2006