Fatima „Erscheinungen“ und „Botschaften“

III. Marienerscheinungen 1917

1. Erscheinung am 13. Mai 1917

Eine weit größere Bedeutung als den Engelserscheinungen wird den Erscheinungen und Botschaften der Muttergottes beigemessen. Zum erstenmal zeigte sich Maria den Kindern am 13. Mai 1917 gegen die Mittagsstunde in der etwa drei Kilometer von Fatima entfernten Mulde, die als Cova da Iria bezeichnet wird. Die Kinder waren gerade beim Spielen, da leuchtete plötzlich „ein Blitz bei hellem Sonnenschein“ auf, obwohl kein Wölkchen am Himmel stand. Trotz des wolkenlosen Himmels äußerte Lucia die Befürchtung, es werde ein Gewitter kommen; aus Angst davor begaben sich die Drei auf den Heimweg. Sie waren gerade bei einer großen Steineiche angelangt, „als ein neuer Blitzstrahl sie blendete, noch mächtiger als der erste“. Voll Angst beschleunigten die Kinder ihre Schritte. Auf einmal erblickten sie in geringer Entfernung über einer kleinen Steineiche „in einem Lichtglanz, der heller leuchtete als die Sonne“, eine wunderschöne Frau. Diese beruhigte die verängstigten Kinder mit den Worten: „Habt keine Angst, ich tue euch nichts zuleide!“ „Die wunderbare Frau schien 15 bis 18 Jahre alt zu sein. Sie hatte schwarze Augen. Ihr Kleid war weiß wie der Schnee; es war am Halse mit einer goldenen Schnur geschlossen und reichte bis zu den Füßen, welche die Blatter der Steineiche kaum berührten. Ein weißer, goldumsäumter Mantel umhüllte den Kopf und die ganze Gestalt. Von den Händen, die sie vor der Brust gefaltet hielt, hing ein Rosenkranz aus weißen Perlen mit einem silbernen Kreuzlein herab. Heller Lichtschein umstrahlte das Antlitz; doch die reinen, unendlich zarten Züge schienen von Traurigkeit überschattet. Die Dame blickte auf die Kinder. Lucias frommes Herz ahnte, daß es die Muttergottes sei, aber sie wagte nicht, es zu glauben.“ Dann machte sie sich doch Mut, und „ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit“ fragte sie die Erscheinung: „Woher seid Ihr?“ Die Gefragte antwortete, sie komme vom Himmel. Sie kündete an, daß sie regelmäßig bis zum Oktober zur gleichen Stunde jeweils am 13. Monatstag erscheinen werde. Im Oktober werde sie verraten, wer sie sei und was sie wolle. Später werde sie dann noch ein siebtesmal kommen; diese letzte Erscheinung soll, wie behauptet wird, am 10. Dezember 1925 erfolgt sein. Lucia, die alle Furcht rasch verloren hatte, fragte die Frau, ob sie und ihre beiden Begleiter einmal in den Himmel kämen. Die Frau bejahte die Frage; zu Francisco gewendet erklärte sie, auch er werde in den Himmel kommen; aber er müsse „viele Rosenkränze beten“.

Die weitere Frage, die Lucia stellte, bezog sich auf das jenseitige Schicksal zweier Mädchen aus Aljustrel, die kurz zuvor im Alter von sechzehn bzw. zwanzig Jahren verstorben waren. "Die Erscheinung" antwortete, das eine Mädchen sei im Himmel, das andere jedoch, Amalia mit Namen, befinde sich im Fegfeuer und werde dort „bis zum Ende der Welt“ bleiben müssen.

Noch eine weitere Frage richtete Lucia an die Erscheinung: „Könnt Ihr mir sagen, ob der Krieg noch lange dauern oder bald zu Ende gehen wird?“ Die Auskunft lautete: „Das kann ich dir jedoch nicht sagen, ebensowenig wie ich jetzt schon sagen kann, was ich wünsche.“ Schließlich richtete die Erscheinung selber eine Frage an die Kinder: „Wollt ihr euch Gott schenken, bereit jedes Opfer zu bringen und jedes Leiden anzunehmen, das er euch schicken wird als Sühne für die Sünden, durch die die göttliche Majestät beleidigt wird, um die Bekehrung der Sünder von denen so, viele auf die Hölle zueilen, zu erlangen und als Genugtuung für die Flüche und alle übrigen Beleidigungen, die dem unbefleckten Herzen Mariens zugefügt werden?“ Tapfer antwortete Lucia im Namen der beiden Begleiter: „Ja, das wollen wir.“ „Eine Geste mütterlicher Liebe ließ die Kinder erkennen, wie sehr sich die Erscheinung über die Großmut der unschuldigen Kinder freute; dann kündete sie ihnen an, daß sie bald viel zu leiden haben würden, doch die Gnade Gottes werde sie stets stärken und trösten.“ Zuletzt empfahl die „Lichtgestalt“ den Kindern, „alle Tage den Rosenkranz zu beten, wie sie es eben getan hatten, um der Welt den Frieden zu erbitten“66.

Bei der ersten Erscheinung wie auch in den späteren Fällen konnten alle drei Kinder die Muttergottes schauen; die Gespräche aber mit ihr führte ausschließlich Lucia. Die Worte der überirdischen Dame wurden lediglich von den beiden Mädchen vernommen; Francisco hörte bloß, was Lucia sprach; für die Worte der Muttergottes war er regelmäßig taub; ja, „er sah sie nicht einmal die Lippen bewegen“67. Bei der ersten Erscheinung dauerte es sogar eine ganze Weile, bis auch Francisco die Frau zu Gesicht bekam. Nachdem er eine Zeitlang zugehört hatte, was Lucia sprach, wurde er unwillig. Aus diesem Grunde redete das Mädchen die überirdische Gestalt an: „Wie? Ihr seid Unsere Liebe Frau vom Himmel und der Franz sieht Euch nicht?“ Auf diese Worte hin gab die Frau zur Antwort: „Sage dem Franz, er solle den Rosenkranz beten, dann werde er Mich schon sehen!“ Lucia richtete den Auftrag aus; Franz zog seinen Rosenkranz aus der Tasche und betete „sechs oder sieben Ave Maria“; dann sah er plötzlich die Frau vor sich stehen68.

a) Fragen zur ersten Erscheinung

Die Szene wirft eine Reihe von Fragen auf. Es klingt unwahrscheinlich, daß die Kinder bei völlig heiterem Himmel aus Furcht vor einem Gewitter heimwärts liefen. - Wie haben die Augen der Kinder einen Lichtglanz heller als die Sonne ertragen können?

Es läßt sich ferner schwer vorstellen, daß ein zehnjähriges Kind bei derart ungewöhnlichen Ereignissen den Schneid aufbringt, alle möglichen Fragen zu stellen. Unverständlich erscheint vor allem die Frage nach dem jenseitigen Schicksal der zwei verstorbenen Mädchen, noch unverständlicher die Antwort der Erscheinung. Hatte es sich um die Muttergottes gehandelt, wer kann glauben, daß sie Kindern Auskunft gibt über das jenseitige Schicksal eben verstorbener bekannter Personen? Maria hat keinen Anteil an der Allwissenheit Gottes; und selbst wenn sie es gewußt hatte, niemals hätte sie den neugierigen Mädchen verraten, daß eine bekannte Person „bis zum Ende der Welt“ im Fegfeuer bleiben müsse. Die unmögliche Antwort „Mariens“ macht auch die Erklärung Fonsecas nicht wahrscheinlicher: „Das Mädchen hatte eine ähnliche Versuchung wie die heilige Maria Goretti zu bestehen, aber hatte nicht die Kraft der Heiligen. Bald darauf starb sie und hatte kaum noch die Zeit, in Eile zu beichten.“69 Wußte Fonseca, was die Sterbende gebeichtet hat? Bezeichnend für die großzügige Art, wie Schwierigkeiten beseite geräumt werden, ist die Erklärung, die P. Alonso zu der Auskunft über das Schicksal der verstorbenen Freundin Lucias, Amalia mit Namen, gibt. Lucia läßt die Muttergottes auf die Frage nach dem Schicksal der Verstorbenen sagen: „Sie bleibt bis zum Ende der Welt im Fegfeuer.“70 P. Alonso löst alle Schwierigkeiten, die sich aus der Antwort Mariens ergeben, gleichsam mit einer Handbewegung: „Selbstverständlich darf man das nicht wörtlich nehmen. Es soll heißen: 'lange Zeit'.“71 Für so schwach im Wortschatz halt P. Alonso die Gottesmutter, daß er sie nicht einmal den Unterschied zwischen „bis zum Ende der Welt“ und „lange Zeit“ begreifen läßt!

Maria soll die Kinder um die Bereitschaft gefragt haben, „jedes Opfer zu bringen und jedes ihnen auferlegte Leiden anzunehmen“ zur Sühne für die Sünden und für die Beleidigungen gegen das Unbefleckte Herz Mariens. Es erscheint doch merkwürdig, daß die kleinen Opfer der Kinder im Vergleich zu der Unmenge an Opfern von Millionen von Menschen eine ausnehmend große Bedeutung gehabt haben sollen und daß sich die Gottesmutter über „die Großmut der unschuldigen Kinder“ sehr gefreut habe.

In den Schriften über die Ereignisse in Fatima liest man, daß die drei Seherkinder bereits vor dem Jahr 1917 gewohnt waren, täglich den Rosenkranz zu beten. Dann hat eigentlich die an sie gerichtete Aufforderung keinen Sinn mehr, sie sollten alle Tage den Rosenkranz beten. Warum soll schließlich die Muttergottes bloß von Francisco, der die Worte gar nicht vernehmen konnte, verlangt haben, er solle „viele Rosenkränze“ beten? Maria hat angeblich am 13. Mai 1917 den Kindern empfohlen, sie sollten alle Tage den Rosenkranz beten, „wie sie es eben getan hatten“. Aber sie hatten doch bisher nach Lucias Eingeständnis bloß ihren arg verstümmelten Rosenkranz gebetet; erst am Tag nach der Erscheinung regte Jacinta an, den Rosenkranz nunmehr „ganz“ zu beten!

b) Wer ist die unbekannte Frau?

Die Erscheinung verriet nicht, wer sie war; sie versprach nur, sie wolle sich am 13. Oktober 1917 zu erkennen geben. Aber das hat sie doch, wie die einzelnen Erscheinungen offenbaren, schon längst vorher getan, so daß die Ankündigung als sinnlos erscheinen muß.

Lucia, so wird versichert, habe zwar „geahnt“, daß es die Muttergottes sei, habe aber nicht gewagt, „es zu glauben“72. So schreibt Fonseca. Aber, wie wir gehört haben, hat ja Lucia die Erscheinung unmittelbar angesprochen als „Unsere Liebe Frau vom Himmel“. Außerdem hat sie, bevor sie sich auf den Heimweg machte, erklärt: „Kein Mensch wird uns glauben, daß uns die Muttergottes erschienen sei.“ Sie forderte ihre beiden Begleiter auf: „Zu Hause sagen wir nichts davon, daß wir Unsere Liebe Frau gesehen haben!“73 Fischer urteilt in seiner 1937 veröffentlichten Schrift über Fatima: „Die drei Hirtenkinder wissen sofort, daß sie die Himmelskönigin vor sich haben."74

Obwohl die Dame mit dem Rosenkranz sich nicht zu erkennen gab, soll Jacinta noch am selben Tag ihrer Mutter erzählt haben: „Heute habe ich in der Cova da Iria die Mutter Gottes gesehen.“75 Am nämlichen Tag wurden Jacinta und Francisco beim Abendessen von ihrer Mutter gefragt, was sich in der Cova da Iria ereignet habe. Jacinta erzählte, „es sei ihnen Unsere Liebe Frau erschienen“; Francisco versicherte ebenfalls, „er habe auch Unsere Liebe Frau gesehen, wenn auch nicht gleich zu Anfang“76. Ähnlich lautete die Aussage Jacintas nach der vierten Erscheinung am 19. August 1917 ihrer Tante gegenüber: „Tante, wir haben wieder die Madonna gesehen!“77

Die Kinder erklärten von Anfang an, daß ihnen die Muttergottes erschienen sei. Aber auch diese selbst hat sich von Anfang an unmißverständlich zu erkennen gegeben. Die Erscheinung soll die Kinder gefragt haben, ob sie bereit seien, Genugtuung leisten für die Flüche und Beleidigungen, „die dem Unbfleckten Herzen Mariens zugefügt werden“. Abgesehen davon, daß Menschen Gott Genugtuung schulden, nicht einem Menschen, auch wenn es sich um die Muttergottes handelt, liegt in Antwort bereits ein Hinweis auf die Person. In vollkommen eindeutiger Weise wird das „Geheimnis“ dann bei der zweiten Erscheinung gelüftet. Die Dame spricht zu Lucia: „Jesus will sich deiner bedienen, damit die Menschen mich kennen und lieben lernen. Er will die Verehrung meines Unbefleckten Herzens in der Welt begründen; wer sie übt, dem verspreche ich das Heil. ... Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein der Weg, der dich zu Gott führt.“78 Wenn sich die Erscheinung bereits am 13. Mai mehr als bloß andeutungsweise und am Juni vollkommen eindeutig zu erkennen gegeben hat, dann erscheint die Ankündigung, im Oktober werde sie sagen, wer sie , überflüssig, ja völlig sinnlos. Das hat Lucia bei ihren Erzählungen nicht bedacht. Dazu kommt noch ein anderer Gesichtspunkt: Bereits im Jahr 1916 spricht der „Engel“ von den „heiligsten Herzen Jesu und Mariens“. Wenn nun im Jahr darauf die geheimnisvolle Dame von ihrem unbefleckten Herzen spricht, wer kann sie dann nur sein?

2. Zweite Erscheinung am 13. Juni 1917

Bei der zweiten Erscheinung am 13. Juni 1917 hatten sich bereits zu den drei Seherkindern fünfzig Neugierige gesellt. Diese hörten jedoch nur Lucia sprechen; sonst vernahmen und sahen sie nichts. Fonseca weiß allerdings zu berichten, die Leute hatten „eine ganz zarte Stimme wie das Summen einer Biene“ vernommen79. Die Botschaft bei der zweiten Erscheinung war ziemlich kurz. Die Dame forderte zunächst die Kinder auf, sie sollten fortfahren, „täglich den Rosenkranz zu beten und sollten das Lesen lernen“80 Dann kündigte sie an, sie werde am 13. Oktober zum letztenmal erscheinen; an diesem Tag werde sie „ein Geheimnis sagen“81.

Einen wichtigen Teil der Botschaft vom 13. Juni 1917 hat Lucia bis Ende 1941 verschwiegen. Sie erzählt, sie habe zur Dame gesprochen: „Ich mochte Euch bitten, uns alle drei ins Paradies mitzunehmen.“ Daraufhin soll die Frau geantwortet haben: „Ja, ich werde bald kommen, um Francisco und Jacinta zu holen; Du jedoch mußt langer hier unten bleiben. Jesus will sich Deiner bedienen, damit die Menschen mich kennen und lieben lernen. Er will die Verehrung meines Unbefleckten Herzens in der Welt begründen; wer sie übt, dem verspreche ich das Heil; diese Seelen werden von Gott bevorzugt werden wie Blumen, die ich vor seinen Thron bringe.“ Schließlich sprach die Erscheinung noch: „Mein Töchterlein, leidest Du sehr? ... Verliere nicht den Mut! Ich werde Dich nie verlassen. Mein Unbeflecktes Herz wird Deine Zuflucht sein und der Weg, der Dich zu Gott führt.“82 Wie erwähnt, schrieb Lucia diese Worte im Dezember 1941 erstmals nieder. Dazu muß gesagt werden: Eine Prophezeiung, wie sie doch die Ankündigung des baldigen Todes der beiden Geschwister Jacinta und Francisco bedeuten soll, ist ohne den geringsten Wert, wenn sie erst mehr als zwanzig Jahre nach dem Eintreten des Ereignisses bekanntgegeben wird. Noch einmal soll darauf hingewiesen werden, daß angeblich die Erscheinung am 13. Mai angekündigt hat, erst am 13. Oktober werde sie sich zu erkennen geben. Hat dies die Muttergottes bereits einen Monat später vergessen? Hier, am 13. Juni, stellt sie sich ja bereits unmißverständlich vor!

3. Dritte Erscheinung am 13. Juli 1917

Am 13. Juli 1917 waren drei- bis viertausend Menschen zugegen, als Maria zum drittenmal erschien. Lucia fragte sie, was sie wünsche. Die Gefragte forderte die Kinder ähnlich wie einen Monat zuvor auf, täglich den Rosenkranz zu beten, und zwar „um den Frieden für die Welt und das Ende des Krieges zu erlangen“. Sie versicherte, „nur sie allein könne das erreichen“. Dann bat Lucia die Erscheinung, sie solle sagen, wer sie sei; außerdem forderte das Mädchen die Frau auf, sie solle ein Wunder wirken, damit alle an die Tatsächlichkeit der wundervollen Dinge glaubten. Die Dame versprach, im Oktober werde sie sie wer sie sei; sie werde dann auch „ein großes Wunder wirken, damit alle glaubten“83. Anschließend verkündete sie den Kindern ein großes Geheimnis in drei Teilen. Zwei davon gab Lucia erstmals im Dezember 1941 preis: den dritten Teil schrieb sie erst 1943 nieder. Mit diesen „Geheimnissen“ werden wir uns später noch eingebender beschäftigen müssen. Nur eine kurze Bemerkung soll zu der „Versicherung“ der Erscheinung gemacht werden, „nur sie allein“ vermöge der Welt den Frieden und das Ende des Krieges zu bringen. Wenn dem so wäre, dann wäre die Macht Gottes wesentlich eingeschränkt. Außerdem kam das Ende des Ersten Weltkrieges bestimmt nicht als Folge eines übernatürlichen Eingreifens; es ging in Wirklichkeit ganz natürlich zu, und beim versprochenen Frieden für die Welt bandelt es offensichtlich um mehr als eine sehr zweifelhafte Angelegenheit

4. Wunder und Erscheinung am 13. und 19. August 1917

a) Wunder am 13. August

Am 13. August hatten sich ungefähr fünfzehn- bis zwanzigtausend Neugierige am Ort der Erscheinung eingefunden. Die Leute warteten jedoch vergebens auf die Seherkinder. Am selben Tag hatte sie der Bezirksvorsteher arretieren lassen und erst wieder am Tag darauf entlassen84. Obwohl die Seherkinder nicht kommen konnten, offenbarte sich Maria an diesem Termin durch Wunderzeichen. „Alle versicherten übereinstimmend, einen Donnerschlag gehört und einen Blitz gesehen zu haben; daraufhin habe sich um die Steineiche eine wunderschöne Wolke gebildet; nach etwa zehn Minuten hatte sich die Wolke erhoben und sei verschwunden.“ „Diese außergewöhnlichen Erscheinungen, die man zum Teil schon in den beiden vorhergehenden Monaten beobachtet hatte, waren diesmal viel auffallender.“ Dies galt zum Beispiel vor allem für den „Donner, der gleichsam das Scheiden der Himmelskönigin anzeigte“. Zeugen erklärten später, sie hätten „zwei heftige Detonationen gehört“, die so stark gewesen seien, „daß viele Leute flohen, weil sie meinten, es seien Bomben oder Gewehrfeuer. Doch bald blieben sie stehen; denn sie sahen, wie mit einem Schlag die Wolken in den leuchtenden Farben des Regenbogens strahlten, so daß die Blatter der Bäume wie Blüten aussahen“85 Der Phantasie der Menschen sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Nur auf einen in die Augen , fallenden Widerspruch soll hingewiesen werden: Es beißt: „Alle versicherten, einen Donnerschlag gehört und einen Blitz gesehen zu haben“; später erklärten dann Zeugen, sie hätten „zwei heftige Detonationen gehört“. Fonseca behauptet, „alle“ Anwesenden hätten die wunderbaren Vorgänge erlebt. Will er damit sagen, daß an die zwanzigtausend Menschen als Zeugen vernommen worden sind? Wie groß wird in Wirklichkeit die Zahl derer gewesen sein, die glaubten, etwas Wunderbares zu erfahren? Wir brauchen ja bloß an die gewohnte Redeweise der Menschen zu denken, wenn sie von „allen“ sprechen.

b) Vierte Erscheinung am 19. August 1917

Mit Verspätung von einigen Tagen holte die Muttergottes die am 13. August ausgefallene Erscheinung nach. Am 19. August ging Lucia in Begleitung Franciscos und dessen Bruders Joâo mit ihren Schafen auf die Weide zu einem Ort namens Valinhos; Jacinta war nicht dabei. Da erblickte Lucia plötzlich den eigenartigen Blitz, der ihr bereits als Vorbote der Muttergottes bekannt war. Sofort ließ sie durch Joao dessen Schwester Jancinta holen. Es waren gegen 16 Uhr, als die wunderbare Frau erschien. Diese beklagte sich darüber, daß man die Drei daran gehindert hatte, sich am festgesetzten Tag zur Cova da Iria zu begeben. Sie forderte in gewohnter Weise zum Rosenkranzgebet auf und versprach wiederum, auf eine entsprechende Bitte Lucias hin, im Oktober ein Wunder zu wirken, damit alle glaubten. Die Ankündigung lautete: „Hätte man euch nach Vila Nova d'Ourém gebracht, würde das Wunder viel eindrucksvoller sein. Als Kompensation wird auch der heilige Joseph mit dem Jesuskind kommen, um der Welt den Frieden zu geben, unser Herr, um das Volk zu segnen, unsere Frau als schmerzhafte Mutter.“86 Wir werden noch sehen, daß das versprochene Wunder angeblich außerordentlich „eindrucksvoll“ war. Aber wenn schon Maria erklärt haben soll, es werde „weniger eindrucksvoll“ sein, wer sollte damit eigentlich bestraft werden? Im Hinblick auf die weltliche Behörde hat die Strafe keinen Sinn; denn diese sah weder das weniger eindrucksvolle Wunder noch hatte sie das eindrucksvollere erlebt. Demnach wurden mit Absicht die Unschuldigen „bestraft“.

Als sich die Muttergottes am 19. August offenbarte, waren bloß die vier genannten Hirtenkinder zugegen. Aber nur die beiden Mädchen sahen ihre Gestalt und horten ihre Reden; Francisco sah zwar, wie sonst auch, die Frau aber horte er nicht sprechen; Joao „sah nichts und hörte nichts"87

5. Fünfte Erscheinung am 13. September 1917

Zum Termin am 13. September 1917 fanden sich ungefähr 25.000 bis 30.000 Menschen in der Cova da Iria ein. Während die Menge betete, wiesen plötzlich Tausende zum Himmel und riefen: „Schau, schau, dort –– siehst Du es nicht? Dort! O wie schön!“ Was sahen die Leute? Am Himmel, den nicht ein einziges Wölkchen trübte, sah man „deutlich eine Lichtkugel, die langsam und majestätisch gegen Osten schwebte“. Plötzlich verschwand die wunderbare Kugel. Nur noch ein Mädchen schrie freudig erregt: „Ich sehe sie! Ich sehe sie noch! ... Jetzt geht sie hinunter!" Nach einigen Minuten begann das Kind von neuem zu rufen: „Da ist sie! Da ist sie! Sie steigt noch einmal in die Höhe!“ Die Kugel verschwand nach kurzer Zeit „gegen die Sonne zu“.

Dies war sozusagen bloß das Vorspiel für das spätere, größere Ereignis. „Zu Mittag verbreitete sich eine große Färbung über die Atmosphäre und die Sonne verlor ihre Lebbaftigkeit.“ Lucia, die bei der Steineiche kniete, brach unvermittelt das Gebet ab und rief freudestrahlend: „Da ist sie! Da kommt sie!“ Wie gewohnt, forderte die Frau wiederum zum Rosenkranzgebet auf, „um das Ende des Krieges zu erbitten“. Dann erneuerte sie ihr am 19. August gemachtes Versprechen, daß im Oktober der heilige Josef und das Jesuskind kommen würden, „um der Welt den Frieden zu bringen“; außerdem werde Christus erscheinen, „um das Volk zu segnen“. Schließlich erklärte sie, mit dem Geld, das gespendet würde, sollten die Ausgaben für den Bau einer Kapelle bestritten werden. Das geheimnisvolle Gespräch, das Lucia mit der Erscheinung führte, wurde begleitet von wundervollen Dingen. „Außer der Lichtkugel und der Verminderung der Sonnenstrahlung, die so bedeutend war, daß man den Mond und die Sterne sehen konnte, begleiteten noch andere Zeichen das geheimnisvolle Zwiegespräch oder folgten ihm. Die Atmosphäre nahm eine gelbliche Färbung an; eine weiße Wolke, die auf eine gewisse Entfernung sichtbar war, umgab die Steineiche und die Seher. Vom Himmel fielen seltsame weiße Flocken, kleinen Blümchen oder Schneeflocken ähnlich, die wenige Meter über dem Erdboden verschwanden. Das letzte Phänomen wiederholte sich spaterhin mehrere Male, wenn Pilgerzüge zur Cova da Iria kamen, besonders am 13. Mai 1924.“88

Freilich, nicht alle Schaulustigen bemerkten die wunderbaren Ereignisse. Es gab auch solche unter den Anwesenden, die nichts Außergewöhnliches gesehen zu haben behaupteten. Andere wieder hatten die Veränderungen in der Starke und Farbe des Sonnenlichtes bemerkt.“89 In einiger Entfernung von dem am 13. September versammelten Leuten befand sich Dr. Manuel Nunes Formigao, der spätere Kanonikus am Patriarchalsitz von Lissabon, der sich alsbald als einer der eifrigsten Verkünder der wunderbaren Ereignisse von Fatima betätigen sollte. Aber an jenem Tage waren seine Eindrücke durchaus nicht die besten. Ohne Zweifel spielte dabei der Umstand mit, daß er sich nicht unmittelbar im Kreis der Menge befand. In einem Brief schreibt er: „Da ich mich der Liebe zur Wahrheit verbunden fühle, mochte ich meinen Brief nicht beschließen ohne zu gestehen, daß meine Eindrucke von dem, was an diesem Tage in Fátima geschah, nicht ermutigend waren. Ich ging nicht zum Schauplatz der Erscheinungen hin, ich sprach auch mit fast niemand, sondern ich blieb auf der Straße in etwa dreihundert Meter Entfernung stehen. Ich konnte auch kaum die Abnahme des Sonnenlichtes feststellen, die mir als ein bedeutungsloser Vorgang erschien, der vielleicht der Höhenlage der Serra zuzuschreiben ist.“90 Fonseca und andere stellen die Ereignisse so dar, als ob alle Anwesenden „seltsame weiße Flecken“ gesehen hätten. Sie übertreiben sehr. Ferdinand Baumann sagt bloß: „Einige, an deren Glaubwürdigkeit nicht gezweifelt werden kann, behaupten, etwas wie Blumen gesehen zu haben, die vom Himmel fielen, aber nicht den Boden berührten, sondern in einer gewissen Hohe verschwanden.“91

Warum haben wohl an jenem 13. September nicht alle Anwesenden wunderbare Dinge erlebt? An der geringeren Würdigkeit für ein Wunderzeichen kann es wohl nicht gelegen haben. Bemerkenswert ist die Ankündigung der Muttergottes, im Oktober werde der heilige Josef und das Jesuskind kommen, „um der Welt den Frieden zu bringen“. Wie soll man diese Ankündigung verstehen, da ja offensichtlich der Friede nicht gekommen ist?

6. Sechste Erscheinung am 13. Oktober 1917 und das Sonnenwunder

a) Erscheinung

Für den 13. Oktober 1917 hatte die Erscheinung ein großes Wunder versprochen. An diesem Tag versammelten sich 50.000 bis 70.000 Neugierige am gewohnten Ort. Der Tag war kalt, trüb und regnerisch. Der anhaltende Regen durchnäßte die Wartenden „bis auf die Knochen“. Kurz vor Mittag kamen die Seherkinder an; sie trugen diesmal ihre Sonntagskleider. Ihre Mütter begleiteten sie zur Steineiche, wo sich Maria bisher regelmäßig gezeigt hatte; von dem Baum war freilich nicht mehr übriggeblieben als der bloße Stamm; das übrige war Andenkenjägern zum Opfer gefallen. Es war gegen Mittag, als Lucia die „Gebärde der Oberraschung“ machte. Sie brach ihr Gebet ab und rief: „Jetzt hat es geblitzt!“ Dann schaute sie in die Höhe und schrie: „Da ist sie! Da ist sie!“ „Die Anwesenden sahen, wie sich eine weiße Wolke um die Seher bildete, die dann zu einer Hohe von etwa fünf zu sechs Metern aufstieg; es sah aus wie Weihrauch.“ Lucia fragte, obwohl sie die Dame schon langst kannte: „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von uns?“ Die Dame antwortete, „sie sei die Rosenkranzkönigin und wolle, daß man an diesem Ort eine Kapelle zu ihrer Ehre errichte; sie empfahl zum sechstenmal, man solle fortfahren, alle Tage den Rosenkranz zu beten, und sie fügte hinzu, der Krieg gehe dem Ende entgegen und die Soldaten würden bald heimkehren“92

Am 13. Juni hatte die Muttergottes versprochen, sie werde am 13. Oktober „ein Geheimnis sagen“93. In den Worten Mariens befindet sich jedoch nichts, was man als Geheimnis bezeichnen könnte.

b) Sonnenwunder

Den großartigen Abschluß dieser letzten Erscheinung im Jahr 1917 bildete ein überwältigendes Sonnenwunder, das die Menge der Schaulustigen erleben durfte, die bereits zum Teil „in den frühesten Morgenstunden“ des 12. Oktober aufgebrochen waren, um ja rechtzeitig in der Cova da Iria einzutreffen. Ein Wunder war von der Muttergottes bereits am 13. Juli angekündigt worden. Damals war sie von Lucia aufgefordert worden: „Wirket ein Wunder, damit alle glauben!“ Die Angesprochene antwortete: „Von heute ab in drei Monaten werde ich etwas tun, daß alle glauben“94. Darüber unterrichtete Lucia den Pfarrer von Fatima bereits am 14. Juli. Das Wunder ereignete sich also am 13. Oktober. Kurz vor 14 Uhr hörte der Regen „wunderbarerweise“ auf. Lucia erklärte den Umstehenden, sie sollten ihre Schirme schließen. „Der Himmel war trübe von Wolkenfetzen und hatte hier und dort blaue Lücken; doch sie trat einige Male in den Spalten des klaren Himmels hervor.“ Manchmal schienen die weißen Wolkenfetzen „eine rosa oder durchsichtig blau Farbe anzunehmen, wenn sie vor der Sonne vorüberglitten“. Da rief auf einmal Lucia, „von einem inneren Impuls gedrängt“ mit lauter Stimme: „Schaut auf die Sonne!“ „Welch überwältigendes, nie gesehenes Schauspiel! Der Regen hörte plötzlich auf, die Wolken zerrissen und die Sonnenscheibe wurde sichtbar; doch sie war silbern wie der Mond. Mit einem Male begann die Sonne mit ungeheuerer Geschwindigkeit wie ein Feuerrad um sich selbst zu kreisen, gelbe, grüne, rote, blaue und violette Strahlenbündel werfend, die Wolken, Bäume, Felsen, Erde und die ungeheuere Menge in phantastische Farben tauchten. Einen Augenblick hielt sie an, dann begann der Tanz der Feuerscheibe von neuem. Noch einmal stand sie still um dann ein drittes Mal den wunderbaren Anblick zu bieten, noch farbenprächtiger als vorher. Atemlos, verzückt stand die Menge. Plötzlich hatten alle den Eindruck, als löse sich die Sonne vom Firmament und eile auf sie zu. Ein vieltausendstimmiger Schreckensschrei gellte auf. Dann klang es durcheinander: 'Ein Wunder, ein Wunder!' und: 'Ich glaube an Gott!' – 'Ave Maria! ' – 'Mein Gott, Barmherzigkeit!' Die Leute warfen sich in den Schlamm auf die Knie und beteten laut den Reueakt. Dieses Schauspiel dauerte gut zehn Minuten.“ Das Wunder wurde sogar von Personen beobachtet, die fünf und mehr Kilometer entfernt weilten. Noch ein zusätzliches Wunder ereignete sich: „Nach dem Sonnenwunder waren zur allgemeinen Überraschung die Kleider, die eben noch ganz durchnäßt gewesen waren, vollstündig trocken.“

Am 13. September hatte die Madonna den Kindern versprochen, im Oktober werde auch der heilige Josef mit dem Jesuskind erscheinen. Dies geschah denn auch. Als die Seherkinder der scheidenden Madonna mit ihren Blicken folgten, „wie sie sich gegen die Sonne erhob und schließlich in der Unendlichkeit des Raumes verschwand, sahen sie plötzlich neben der Sonne die Heilige Familie: rechts die seligste Jungfrau mit einem weißen Gewand und himmelblauen Mantel bekleidet, das Antlitz leuchtender als die Sonne, links den heiligen Josef mit dem Jesuskind, das ein bis zwei Jahre alt zu sein schien. Die Heilige Familie segnete die Welt mit dem Kreuzzeichen. Als die Vision verschwunden war, sah Lucia den Heiland, wie er das Volk segnete, und dann noch einmal die Madonna in zwei verschiedenen Erscheinungsweisen.“ Lucia sagte aus: „Es schien die Schmerzensmutter zu sein; doch sie hatte nicht das Schwert in der Brust; und ich glaube, sie noch in einer anderen Weise gesehen zu haben: als Maria vom Berge Karmel.“ Als diese Vision vorbei war, „konnten die Seher ihre Aufmerksamkeit auf die Sonnenphänomene richten“95.

Als am 13. Oktober 1917 die letzte Marienerscheinung erfolgte, „hatte, genau wie bei allen anderen, nur Lucia gesprochen; Jacinta hatte sowohl die Worte der Dame wie auch die ihrer Kusine gehört; Francisco hatte nur gesehen“96. Auch bei der Schlußerscheinung waren nicht alle Seherkinder in gleichem Maße mitbeteiligt. „Die beiden anderen Kinder hatten genau wie Lucia während einiger Minuten die Heilige Familie gesehen, nicht aber die anderen Gestalten.“97 Es fällt auf, daß die erst siebenjährige Jacinta regelmäßig mehr hörte und sah als der um zwei Jahre altere Francisco.

c) Zeugen des Sonnenwunders

Wenn über das Sonnenwunder von Fatima berichtet wird, gewinnt man den Eindruck, als ob es so ziemlich alle Schaulustigen erlebt hätten. Wegener berichtet: „Alle Anwesenden ohne Ausnahme haben es gesehen.“98 Netter behauptet: „Nur zwei oder drei Personen dürften es gewesen sein, die in der Cova da Iria zu dieser Zeit weilten und nichts Außergewöhnliches an der Sonne bemerkten.“99 Aber wie will er denn das wissen? Wer hätte auch jene etwa 60.000 Personen über ihre Eindrücke befragen wollen und können? In einer Kleinschrift über Fatima wird gesagt, „sechzehn Augenzeugen“ hätten sich vor dem Pfarrer von Porto de Mos unter Eid über das Sonnenwunder geäußert 100. Aber sagt nicht viel aus; es sagt vor allem nichts aus über die Zehntausende, die sich nicht zu Wort gemeldet haben. Nur gelegentlich erfährt man von Leuten, die nichts Wunderbares geschaut haben. So spricht P. Martindale von zwei in Fatima anwesenden Engländerinnen, die das Sonnenwunder nicht gesehen haben. Eine andere Dame, Izabel Brandâo de Melo, schrieb am 13 Oktober 1917 einen Brief und erklärte sich zu dem Sonnenwunder folgendermaßen: „Ich sah es nicht, obwohl ich den Blick auf die Sonne richtete und mich furchtbar erregt fühlte, als ich hörte, wie jedermann schrie, er sehe außerordentliche Dinge an der Sonne.“101 Aufschlußreich ist ein im Buch:Netters veröffentlichtes Bild, das einen kleinen Teil der Volksmenge zeigt, wie sie kniend das Sonnenwunder verfolgt ein beträchtlicher Teil der Leute blickt nicht einmal zum Himmel102! Dabei handelt es sich wahrscheinlich gar nicht um eine Aufnahme, die am 13. Oktober 1917 gemacht wurde. P. Staehlin sagt nämlich hinsichtlich der Fragwürdigkeit von Bildberichterstattungen: „Wir alle erinnern uns an die Photographien des 'Sonnenwunders' die in den Tageszeitungen, Zeitschriften und im Buch von Dr. Formigâo zu sehen waren und die ... alle an einem darauffolgenden Tag bei gewöhnlichem Sonnenuntergang gemacht worden.“103

Also nicht alle in der Cova da Iria Versammelten waren Zeugen des Sonnenwunders. „Dafür sahen aber Personen, die sich Kilometer von der Cova entfernt damals aufhielten, dieses Sonnenwunder, wenn auch einige von ihnen es nur in etwas gekürzter Form erlebten.“ Im etwa 13 km entfernten Alburitel man das versprochene Wunder „an den Sternen“, wie „das einfache Volk sich ausdrückte“. Eine Gruppe von zwanzig Personen erlebte dort, wie die Menge in der Cova da Iria, das „Feuermeer“ der Sonne „und ein dreimaliges Stürzen derselben aus sie, so daß sie sich zu Boden warfen“. Auch im 25 km entfernten Leiria sahen „einige Leute das Sonnenwunder“; in Torres einer Entfernung von 38 km, „zeigte sich an der Sonne etwas“. Ja sogar im 160 km entfernten Praia da Granja gab es „Personen, die die Kreisbewegung der Sonne sahen“104.

Netter beschäftigt sich mit der Frage, warum nicht alle auf ein Wunder Wartenden Zeugen des Sonnenwunders wurden; er sagt: „Sicherlich haben viele Menschen im Umkreis der Cova da Iria das Sonnenwunder nicht erlebt, andere jedoch, die oft noch weiter von dieser Cova entfernt weilten, sahen es. Warum? Gott kann die Menschen erwählen, um an ihnen solche Eindrucke hervorzurufen. Ebensogut konnte er einige Menschen selbst in der Cova da Iria davon ausschließen, in ihnen solche Eindrücke hervorzubringen (das hat nichts damit zu tun, ob diese Menschen im Stande der heiligmachenden Gnade waren oder nicht!)... .Die Tatsache also, daß nicht alle in der Cova da Iria das Sonnenwunder erlebten oder wenigstens nicht alle Phasen desselben, ist kein Beweis gegen den göttlichen Ursprung dieses Zeichens! Aber die Tatsache, daß es viele Leute sahen, die es nicht sehen wollten (im Vergleich zu ihnen, die es nicht sahen, sind es sicher hundertmal mehr), und daß es dazu half, die Botschaft Fatimas zur Rettung der Welt zu verbreiten, ist ein untrügliches Zeichen dafür, daß es Gott zum Ursprung hat!“105 Dieser Logik wird sich bestimmt nicht jedermann anschließen wollen. „Nach verschiedenen Aussagen“ soll sich „dieses Zeichen an der Sonne“ später noch mehrere Male wiederholt haben. „So will es ein gewisser Dr. Pinto Coelho am 15. Oktober 1917 gesehen haben.“ Außerdem soll Jacinta de Almeida Lopes am 2. Februar 1918 gegen 13 Uhr in der Cova da Iria wiederum „dieses Zeichen an der Sonne“ geschaut haben wie bereits am 13. Oktober 1917106.

d) Sonnenwunder und Papst Pius XII.

Das Sonnenwunder des Jahres 1917 hat sich angeblich im Jahr 1950 noch viermal wiederholt. Eine „adelige alte Dame“ weiß zu berichten, Papst Pius XII. habe ihr anvertraut, „das Sonnenwunder im Vatikan erlebt zu haben, und das trotz seiner schwachen Augen, die normalerweise kaum noch in der Lage gewesen seien ein Naturphänomen dieser Art überhaupt wahrzunehmen“107. Am 13. Oktober 1951 feierte Kardinal Frederico Tedeschini in der Cova da Iria eine Pontifikalmesse. Wahrend der Ansprache erwähnte er auch das Sonnenwunder vom Jahr 1917. Dann fuhr er fort: „Ohne Auftrag und ganz von mir aus möchte ich meinen portugiesischen Freunden und allen hier versammelten Pilgern etwas mitteilen, das fast noch wunderbarer ist. – Ich sage euch, daß noch jemand das Wunder gesehen hat; er sah es, weit entfernt von Fatima er sah es in Rom. Es war der Papst selbst, der es sah, Pius XII. ... Es geschah um vier Uhe nachmittags am 30. und 31. Oktober und am 1. November des vergangenen Jahres 1950, und dann noch einmal acht Tage später, zu der gleichen Stunde, an der das Dogma der Aufnahme Mariens Himmel verkündet worden war. In den Garten des Vatikans richtete der Heilige Vater seinen Blick auf die Sonne, und da wiederholte sich vor seinen Augen das Wunder, das vor 33 Jahren diese Cova hier am gleichen Tag wie heute gesehen hatte...“108. Kardinal Tedeschini erwähnte bei seiner Ansprache allerdings nicht, daß Pius XII. auch andere im Vatikan weilende Personen auf die sonderbaren Erscheinungen aufmerksam gemacht hat sie jedoch nichts Außergewöhnliches wahrgenommen109.

e) Beurteilung

Wir stehen vor der Frage: Haben alle diese „Zeugen“ ein tatsächliches Wunder erlebt? Der Bischof von Leiria hat in Hirtenbrief am 13. Oktober 1930 erklärt: „Dieses Phänomen, das keine Sternwarte feststellte und das deshalb nicht natürlich war, beobachteten Personen aus allen Ständen und sozialen Schichten, Gläubige und Ungläubige, Journalisten der führenden portugiesischen Tageszeitungen und selbst Menschen, die kilometerweit entfernt waren, – was jede Erklärung durch Massensuggestion unmöglich macht.“110 In dem Hirtenbrief finden zwei Schlußfolgerungen, die in keiner Weise überzeugen können. Der Bischof folgert aus der Tatsache, daß keine Sternwarte etwas von einem Sonnenphänomen registriert habe, der Vorgang sei „nicht natürlich“ gewesen weiterhin meint er, „jede Erklärung durch Massensuggestion“ sei „unmöglich“. Er ist also der Ansicht, es müsse sich um ein Wunder gehandelt haben, weil keine Sternwarte vom Sonnenwunder etwas gemerkt habe. Soll das heißen, daß solch ein Wunder nur mit bloßem Auge beobachtet werden kann, nicht aber mit einem Fernrohr? Will man das Argument des Bischofs weiter führen, dann lautet es so: Hatten Sternwarten die wunderbaren Erscheinungen registriert, dann läge kein Wunder vor, sondern nur ein natürliches Ereignis!

Beim „Sonnenwunder“ in Fatima dreht es sich wie bei Parallelfällen offensichtlich lediglich um natürliche Lichterscheinungen, die von den auf ein Wunder Wartenden als außerordentlich empfunden wurden.

Auch das zweite Argument des Bischofs von Leiria ist nicht zutreffend, wenn er erklärt, eine Massensuggestion könne unmöglich vorgelegen haben, weil zu den Zeugen der Lichteindrücke Personen verschiedenen Standes und sogar Leute, die sich fern vom Erscheinungsorte aufhielten, gehörten. Aber der Bischof gibt, ohne daß er es merkt, selber einen Hinweis, der eine gesteigerte Suggestibilität bei den Schaulustigen erkennen läßt. Er spricht in seinem Hirtenbrief kurz vor dem erwähnten Zitat von dem „Sonnenphänomen“ und fahrt dann fort: „Die Kinder bezeichneten im voraus den Tag und die Stunde, in der es sich ereignen sollte. Die Nachricht durchlief ganz Portugal.“ Zunächst einmal muß etwas richtiggestellt werden: Die Stunde des Wunders wurde nicht vorausgesagt. Aber es ist richtig, daß die Volksmassen ein außergewöhnliches Ereignis aufgrund der vorausgegangenen Ankündigungen erwarteten. Bereits am 13. Juli bat Lucia von einem außerordentlichen „großen Wunder“ gesprochen; am 19. August und am 13. September war wiederum von einem kommenden Wunder die Rede111. Der Eintritt des erwarteten Ereignisses wurde der Menge dann noch besonders suggeriert durch den Ruf: „Schaut auf die Sonne!“112 Wie leicht konnte sich zu der Zeit, da an dem regnerischen Tag das Sonnenlicht durch das Gewölk drang, in den Augen der Zuschauer der Eindruck des Wunderbaren einstellen! Wäre der Himmel vollkommen klar und wolkenlos gewesen, niemand hatte den Eindruck eines Wunders gehabt, weil es dann unmöglich gewesen wäre, in die Sonne zu blicken. Offenbar war diese durch Dunst verschleiert. Ein Augenzeuge berichtet: „Auf einmal zerteilen sich die Wolken“; die Leute wenden den Blick zur Sonne, „die sich an einem wolkenlosen Stuck des Himmels zeigt; sie scheint eine große Scheibe matten Silbers zu sein, und man kann sie, ohne die geringste Beschwerde für die Augen, anschauen; denn sie blendet nicht“113.

Daß es sich nicht um ein wirkliches Geschehen an und mit der Sonne handelte, sondern daß bloß suggestive Wirkungen vorlagen, beweist auch die Tatsache, daß die Eindrücke bei den einzelnen Personen verschieden waren, und daß andere, die sich mehrere Kilometer entfernt aufhielten, das „Wunder“ nur „in gekürzter Form“ erlebten. Die anwesenden Zeugen beobachteten durchaus nicht das gleiche. So berichtete die Zeitung „Seculo“: Nach dem „Wunder“ hatten die Leute ihre Eindrücke ausgetauscht. „Die Mehrzahl gab an, das Zittern und Tanzen der Sonne gesehen zu haben; andere behaupteten, das lächelnde Antlitz der seligsten Jungfrau selber geschaut zu haben; und schwören, daß die Sonne sich im Kreise drehte wie ein künstliches Feuerrad; daß sie sich niedersenkte, wie wenn sie mit ihrem Licht die Erde in Brand setzen wollte. Andere behaupten gesehen zu haben, wie sie nacheinander verschiedene Farben annahm“. Ein Zeuge, der ungefähr zehn Kilometer von der Cova entfernt wohnte, sagte im Jahre 1931 aus: „Ich blickte unverwandt die Sonne an; sie schien nur bleich, ohne den gewöhnlichen Glanz; sie kam mir vor wie eine Kugel aus Schnee, die um sich selbst kreist; dann plötzlich schien sie im Zickzack herunterzukommen und drohte auf die Erde zu stürzen. Aufs höchste erschrocken lief ich, um mich hinter den Mauern zu verstecken. Alle weinten und erwarteten jeden Augenblick den Weltuntergang.“ Ja, ein anderer Zeuge sah bei dieser Gelegenheit sogar Maria114.

Fonseca schildert das Sonnenwunder, das sich in drei Phasen abgespielt habe. Über die letzte sagt er: „Plötzlich hatten alle den Eindruck, als löse sich die Sonne vom Firmament und eile auf sie zu; ein vieltausendstimmiger Schreckensschrei gellte auf.“115 Fonseca behauptet also, alle Anwesenden :hatten geschaut, wie sich die Sonne mit großer Geschwindigkeit auf die Erde hin bewegte. Hier wird einfach ohne Einschränkung etwas als Tatsache hingestellt, was gar nicht zutrifft. In Wirklichkeit schweigen die Seherkinder bei ihren Vernehmungen über das „Fallen“ der Sonne; es wissen darüber auch die Berichte nichts, die den amtlichen kirchlichen Untersuchunge zugrunde liegen116 .

Beim großen „Sonnenwunder“ handelt es sich offenbar bloß um suggestive Eindrücke, nicht um ein objektives Geschehen; es gleicht dem „Sonnenwunder“, das sich mehrmals im Juli 1944 in Amberg in der Oberpfalz abgespielt hat. Damals ging die Erwartung von Mund zu Mund, daß sich das Sonnenwunder von Fatima wiederholen werde. Mehrere Tage nacheinander gingen viele Leute gegen Abend auf einen nahegelegenen Hügel, Eisberg genannt, um das Wunder zu erleben. Tatsächlich behaupteten nicht wenige, gesehen zu haben, wie sich die Sonne in rasender Geschwindigkeit gedreht habe und wie von ihr Strahlen verschiedener Färbung ausgegangen seien. Schwestern in einem Lazarett erblickten vom Dachboden aus sogar noch mehr: Sie erkannten in der Sonne ein Kreuz und auch Maria mit dem Jesuskind. Als ein anwesender Arzt rief: „Seid ihr denn alle verrückt geworden?“, kam bezeichnenderweise sofort die Antwort: „Jetzt sehe ich nichts mehr.“ Der Verfasser dieser Schrift war in der betreffenden Zeit in Amberg stationiert und hat das „Wunder“ selber erlebt. Es handelte sich um nichts weiter als um eine optische Täuschung. In jenen Tagen gestattete gegen Abend die Atmosphäre bereits geraume Zeit vor Sonnenuntergang, in die leuchtende Scheibe zu schauen. Nach einiger Zeit hatte man den Eindruck, als ob sich die Farben der Scheibe änderten und als ob vor die Sonne eine Scheibe träte, die sich in großer Geschwindigkeit drehe. Daß dabei neben der Ermüdung der Augen auch die Suggestion eine wichtige Rolle spielte, zeigt die Tatsache, daß die rotierende Scheibe auf einen entsprechenden, vom Beobachter gemachten „Befehl“ hin die Richtung änderte.

Übrigens fielen die merkwürdigen Phänomene nicht bloß in Amberg, sondern auch in den verschiedensten Gegenden Deutschlands und Osterreichs wiederholt auf. Auch der Weihbischof von Bamberg, Dr. Landgraf, hat in einer Predigt bestätigt, „daß er und mit ihm viele andere 1944 dieses Phänomen oft beobachtet habe, ohne daß es damals jemandem eingefallen wäre, an ein Wunder zu denken.“ Im darauffolgenden Jahre 1945 wurden am 19. März ähnliche Phänomene in Höhr Grenzhausen im Unterwald von Dr. A. Strauch mit seinen Familienangehörigen und „vielen anderen“ Personen beobachtet. Die jüngste Tochter der Familie hatte gegen 16.30 Uhr von der Straße her gerufen, am Himmel sei etwas ganz Besonders zu sehen. Dr. Strauch erzählt: “Beim Hinaustreten bot sich uns nun das überraschende Schauspiel, daß sich grünlich-rote Lichterbänder, die man etwa in etwa mit von innen erleuchteten Glasröhrchen vergleichen könnte, in Abstanden und in rascher Aufeinanderfolge, so daß gleichzeitig immer mehrere zu sehen waren, von West nach Ost über den wolken- und dunstfreien blauen Himmel, den ganzen Bogen des Himmelsgewölbes überspannend, hinbewegten. Da wir annahmen, daß diese Erscheinung von der Sonne ausgehen mußte, begaben wir uns aus dem Schatten des Hauses an eine Stelle, von der aus wir die am Nachmittagshimmel noch ziemlich hochstehende Sonne frei beobachten konnten. Zu unserem Erstaunen stellten wir als erstes fest, daß wir mit ungeschütztem Auge auf die durch keinerlei Dunstschleier verhüllte Sonne zu blicken vermochten, und nun sahen wir auch, wenn es auch jeder Erfahrung und jeder vernünftigen Überlegung zu widersprechen schien, diese sich mit großer Geschwindigkeit wie um eine lockere Ache drehte, so daß sich der Sonnenramd ständig um ein Geringes verschob. An dieser leichten Verschiebung sowie an den auf der Sonne kreisenden Feuerspiralen ließ sich die Geschwindigkeit der Rotation gut erkennen. Ich habe dann diese merkwürdige Naturerscheinung wahrend ihrer ganzen Dauer von etwa 40 Minuten durch ein gutes Zeißglas mit vorgehaltener leicht geschwärzter Glasplatte genauestens beobachtet und konnte dabei deutlich erkennen, daß infolge der oben erwähnten leichten Achsenverschiebung die Sonne in kurzen Abständen zeitweise von einem schmalen, schwarzen Außenring umgeben schien. Vielleicht, aber ich kann das als Laie nur vermuten, lassen sich von diesen Lichtunterbrechungen am Sonnenrand die von der Sonne aus über das Himmelsgewölbe geschleuderten Lichtstäbe erklären. Dieser uns damals wie heute unerklärliche Vorgang wurde an demselben Tage gleichzeitig in dem etwa 15 km weiter östlich gelegenen Dorfe Ötzlingen von meiner sich dort aufhaltenden ältesten Tochter und vielen anderen Personen beobachtet... . Vorher war allerdings das Phänomen der rotierenden Sonne bereits einmal von Bekannten in Koblenz gesehen worden, deren Bericht darüber wir aber mit ziemlicher Skepsis zur Kenntnis genommen hatten.“117

Wie unbewußte Suggestion wirksam werden kann, zeigt ein Bericht des Regensburger Professors Dr. Stöckl. Er traf Mitte Juli 1944 am Rand eines Dorfes bei Regensburg eine Frau, die staunend in die Abendsonne blickte. Sie versicherte: „Ich sehe die Muttergottes, – gerade wie sie auf dem Bild in meiner Stube ist. Ich habe das in der letzten Zeit jeden Abend gesehen.“ Dr. Stöckl selber schaute nicht mehr als „die ganze Pracht der großen roten Sonnenscheibe“119

Prof. Walz hat am 2. Februar 1950 noch einmal auffallende „Naturphänomene“ zwischen 15 und 16 Uhr beobachtet; er schreibt: „Die Sonne rotierte wieder, diesmal aber nur langsam und von kurzer Dauer, ein paar Minuten, jedoch mehrere Male. Ich konnte ohne jede Schmerzempfindung in die Sonne sehen. Die Sonnenscheibe sah ich vollständig als grasgrüne Scheibe, dann blau und rot. Nachher sah ich in verschiedenen Richtungen des Himmelsgewölbes große gelbe Lichtkugeln emporsteigen, von ca. 1 m Durchmesser (Ich sah dies zum ersten Male in meinem Leben!), sowie verschiedenen Stellen der Hemisphäre gelbe Lichtflecken von ähnlicher Größe, aber verschiedener Gestalt (nicht kreisrund).“ Prof. Walz wechselte seinen Standort und beobachtete weiter:„Nach ca. zehn Minuten sah ich in ganz auffallender Weise, obwohl ich die Sonne von meinem Standort aus gar nicht sehen konnte, von allen Seiten der Erdoberfläche vom äußeren Ende des Horizontes auf den Berghügel zu, wo wohl beinahe 50.000 versammelt waren, in ziemlich gleichen Zwischenräumen, herrlich beleuchtete gelbe Straßen (Lichtstreifen, wie Strahlen) auf uns an den Berg konzentrisch zulaufen, von 3- 5 m gleichmäßiger Breite, wobei die dazwischenliegenden Streifen von ungefähr gleicher Breite naturfarben in gewöhnlichem Tageslicht sich eigentümlich abgrenzten. Diesen Vorgang beobachtete ich ca. 2- 3 Minuten.“120 Prof. Walz erklärt zu seinen Beobachtungen am 2. Februar 1950: „Das habe ich noch nie gesehen und hielt dies für ganz auffallend und für übernatürlich. Die Muttergottes sagte auch zu den Kindern, daß dies ein übernatürliches Zeichen sei.“121

Ähnlich wie in Fatima wollen auch in Heroldsbach Zuschauer in der Sonne wunderbare Gestalten geschaut haben. Die einen sahen die Muttergottes, andere erblickten den Erzengel Michael, wieder andere eine Monstranz, einen Kelch oder ein Kreuz 122.

Wer glaubt, daß in Fatima ein Sonnenwunder geschehen ist, muß folgerichtig auch die an anderen Orten beobachteten Phänomene als echte Wunder bezeichnen; er muß auch jenes von Heroldsbach anerkennen; er muß auch dann die dort geschehenen angeblichen übernatürlichen Erscheinungen und Botschaften für echt halten, obwohl sie vom zuständigen Bamberger Bischof und vom Hl. Offizium in Rom ausdrücklich als unecht erklärt worden sind. Im Römischen Dekret vom 25. Juli 1951 wird gesagt: .“Es steht fest, daß die genannten Erscheinungen nicht übernatürlich sind. Daher wird der entsprechende Kult am erwähnten Ort und auch anderwärts verboten.“123

Prof. Dr. Stöckl, der an der Regensburger Phil.-Theol. Hochschule Physik und Astronomie lehrte, erklärte die merkwürdigen Phänomene der rotierenden Sonnenscheibe so: „Bei nicht zu hohem Sonnenstand, namentlich wenn Wolkenschleier oder Dunst und Staub der Erdatmosphäre sich mehr und mehr geltend machen und das Sonnenlicht dämpfen, dann kann man einige Minuten in die Sonne blicken, ohne Schaden zu nehmen. Es treten dann folgende subjektive Wahrnehmungen ein (ich habe damals den Versuch öfters an mir gemacht): Etwas nach nicht ganz einer Minute (die Zeit wechselt je nach dem Schleier der Atmosphäre, je nach dem augenblicklichen Reizzustand des Auges) glaubt man eine blaue dunkle Scheibe vor der Sonne zu sehen (bereits ein einer starken Oberreizung der Elemente der Netzhaut). Diese dunkle Scheibe ist nach meiner eigenen Erfahrung und nach Mitteilungen vieler Beobachter vom 13. Juli 1944 stets kleiner als die Sonnenscheibe, so daß der Sonnenrand ringförmig über diese dunkle Scheibe hinausragt. Dann auf einmal hat man den Eindruck, als ob die Sonnenscheibe sich mit rasender Geschwindigkeit drehe in der einen oder anderen Richtung, wie man will. Das habe ich selber öfters wahrgenommen. Es ist dies eine subjektive Erscheinung, begründet in den Vorgängen in unserem Sehapparat, und hat mit der Außenwelt gar nichts zu tun. Die Sonnenkugel hat einen Durchmesser von 1.300.000 Kilometer und dreht sich in etwa 27 Tagen um ihre Achse. Wenn diese Riesenkugel plötzlich anfangen würde, sich mit rasender Geschwindigkeit zu drehen – die Folgen für das ganze Menschengeschlecht waren nicht abzusehen.

Am 13. Juli 1944 haben nach mir zugegangenen Berichten die guten Leute alles mögliche auf der Sonne gesehen, je nach ihrer politischen Anschauung: Eine Arbeitsmaid, ein Schlachtschwert, Uhren, welche sehr rasch liefen, Spinnräder, sehr viele natürlich das Bild von Ihm (Hitler!). Alles mögliche! Massenpsychose!“124

Alle diese genannten Beobachtungen sind eine Parallele zu dem Sonnenwunder von Fatima; es handelt sich in jedem Fall um rein natürliche Dinge. Dies wurde ja auch experimentell nachgewiesen. Beispielsweise berichtet Staehlin von einem durch Suggestion hervorgerufenen „Sonnenwunder“. Auf solche Weise erlebten „beinahe hundert Jungen und Männer, ohne daß dabei ein Mädchen oder eine Frau als Auslöserin des Phänomens mitgewirkt hätte“ mehr als drei Minuten lang ein „astronomisches Wunder“. Sie sahen „einen Tanz der Sonne“, den sie hernach „in vollständiger Übereinstimmung auch der Einzelheiten“ beschrieben. „Alle diese Halluzination hatten – und es war unter der Gruppe nicht ein einziger, der sie nicht gehabt hätte – gehörten jener Gegend an, in der es damals eine Reihe von Erscheinungen gab“.125


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Letzte Änderung: 23. April 2008