Gewalt am Arbeitsplatz  (Beitrag zur ICOH96)

Kurzfassung

Gewalt am Arbeitsplatz -- physisch [mittelbar/unmittelbar wie Körperverletzung, Tätlichkeit,
rassistische(sexuelle) physische Beeinträchtigung, Anschreien, sonstige indirekte Angriffe]
-- psychisch (Druck, Streß, Drohen, Mobbing, Persönlichkeitsverletzung, Stigmatisierung) -- ist in
unserer postindustriellen, wegen Gleichbehandlung ringenden Gesellschaft das eigentliche
Sicherheitsproblem in der Arbeitswelt geworden.
 

Eigene  Veränderungsbereitschaft (Sensibilität) ist Ausgangsbedingung für jedwede
Weiterentwicklung. Ideen werden nicht aus Zwang sondern aus Bereitschaft geboren. Idee und
menschen-maßvolles Langfristkonzept (Berücksichtigung menschlicher Rhythmen) schaukeln sich
im erwähnten Rückkoppelungsprozeß zu wirtschaftlichen Erfolg auf. Der Erfolg dieses Umgangs: die Gewaltspirale wird um eine Umdrehung höhergeschraubt. Arbeit
wird  noch mehr im Interesse kurzfristiger Bedarfsdeckung unter Einschränkung bzw.
Wegsperrung persönlicher Anteile - maschinenmäßig und fremdgetaktet - verrichtet.
Ein persönlichkeitszerstörender und Humankapital vernichtender Prozeß, der,  je höher sich die Spirale schraubt, den Arbeiter
nach und nach zum fremdgetakteten, deprivatisierten Abhängigen mutiert....
und den Geld-Kapitaleigner letzlich in seinem Tresor verhungern läßt.

Als Arbeitsinspektor im Streit mit der Frühpensionsrepublik muß ich mit "gebundenen
Händen" (Quasi-Berufsverbot als Arbeitsschützer)  dabei zusehen, wie  das "Land der Hämmer
zukunftsreich" (Österreich) in eine zukunftsarme Frühpensionsrepublik verwandelt wird, wie durch
stillschweigende Inkaufnahme EU-unreifer Arbeitsbedingungen Menschen zunehmend zu
maschinengetakteten Süchtigen mutieren, wie die irre Beschleunigung sinnloser Wiederholungs-
und Vernichtungsprozesse der Auslöschung "unpassender" oder "fremder" Arten - wie auch "fremder" Kultur - dient --- und wie die Autorität
des Staates von innen her zerfressen wird.

Um diese Spirale der Gewalt zu transformieren ist es notwendig dem Werkverantwortlichen und
den Werkenden eine gemeinsame Plattform der Synergie zu bieten, auf welcher sich beide
Interessen (Gewinn, Lohn) treffen können, ohne  totalitäre Reform (die nur spiegelbildliche
Umkehrung der Abhänigkeitsprozesse bewirkt - "Revolution") oder selbstzerstörende
Kampfmaßnahmen (Streiks, Aussperrung).

Die Plattform der Synergie:  Gewaltreduzierung resp. -losigkeit am Arbeitsplatz, d.h. wachsamer
Arbeitsschutz zur Neutralisierung destruktiver Elemente und Störfaktoren als Garant für
nachhaltiges Werken bei Schöpfung aus nicht nur quantitativen Leistungsvermögens sondern
auch kreativer Potentiale und diversifizierter Kultur.

In Zeiten, wo noch ausschließlich Technikern die "Managementaufgabe des Arbeitsschutzes"
übertragen ist, darf man sich auch nicht wundern, daß Arbeitsschutz und Sicherheit am
Arbeitsplatz in einen Topf geworfen werden. Persönlicher Diskriminierung aus In-valid-verachtung,
Rassismus und Fremden- und Frauenfeindlichkeit ist Tür und Tor geöffnet: die Verbannung von Menschen mit
Handicaps, von Frauen und "Fremden" aus dem Arbeitsleben kann mit dem agressiven Unterpfand
der "notwendigen Arbeitssicherheit" betrieben werden wie ein KZ-Krematoriumsschlot.
Ein halbes Jahrhundert nach Auschwitz ist es wohl an der Zeit, daß dem Mythos Sicherheit endlich seine  Maske
heruntergerissen  und die Fratze des rassistischen Raffers, der den Techniker zum Instrument
seiner Gier gemacht hat,  enttarnt wird.

Arbeitsschutz ist Menschenschutz und nur dann möglich, wenn die Gewalt aus Zwang und
Fremdtaktung reduziert und schließlich aufgelöst wird. Dem Individuum als Maß zu
bewerkstelligender Aufgaben und Prozesse muß ein höchstmöglicher Teil an Verantwortung nicht
nur im "wie" des Schaffens, sondern vor allem im "ob überhaupt" zugebilligt werden. Gegründete
Unterlassung von Arbeitsleistung darf nicht als Vertragsverletzung verfolgt werden, sondern muß
als Notwehrmaßnahme gegen Diskriminierung und sonstige Gewalt am Arbeitsplatz legitimes Mittel
zu Durchsetzung des menschlichen Maßes in der Arbeitswelt werden.

Österreich ist hinsichtlicher der Umsetzung europäischer Mindeststandards im Arbeitsschutz
vertragsbrüchig (Univ-Prof. Mosler, 31. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeits-und
Sozialrecht in Zell/See März 1996). Die zu erwartende Beschäftigungslage in Österreich ist
hinsichtlich des Verlustes am menschlichen Maß im Arbeitsschutz auf lange Sicht gesehen als
unbefriedigemd zu erachten, zumal das im Arbeitsschutz für die Volkswirtschaft zugrundeliegende
Innovations(und Reparatureinsparungs)potential in Österreich solange keine
beschäftigungsrelevanten Auswirkungen zeitigen wird bis hierzulande nicht nur die europäischen
Mindeststandards im Arbeitsschutz umgesetzt werden, sondern auch endlich zum menschlichen - auch im Sinne diversifizierter kultureller Prägungen -
Maß in diesem Bereich vorgestoßen wird.

Das gesunde menschliche Maß dabei kann nur heißen:  gewaltfreier (rassismusfreier) Arbeitsplatz !!!
Singh Ji, EU-Arbeitsinspektor Nomade



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