Preuße aus Leidenschaft

zum 100. Geburtstag von JOACHIM FERNAU

von Erik Lehnert* (Junge Freiheit, 11. September 2009)

Bilder, Links und Anmerkungen: Nikolas Dikigoros

Die Wirkung eines Autors abzuschätzen, ist schwer, insbesondere bei jemandem wie Joachim Fernau. Nimmt man seine Auflagenzahlen, die bei einigen Büchern in die Millionen gehen, scheint der Fall klar: Wer so eindeutig Partei ergreift für das Wahre und Schöne, wer soviel gelesen wird - und Fernaus Bücher werden wohl selten ungelesen im Regal verstaubt sein -, der muß doch in den Lesern etwas zum Schwingen gebracht haben. Oder wurde er nur zur Unterhaltung oder Bestätigung der eigenen Meinung gelesen?

Das könnte man annehmen, wenn man die Literaturkritik zum Maßstab nimmt, von der Fernau vor allem als Ärgernis wahrgenommen wurde, an dem man schlecht vorbeikam. Seine größten Erfolge konnte Fernau in den 1960er und 1970er Jahren feiern. Danach blieb er erfolgreich, aber der Bewußtseinswandel von '68, den auch Fernau nicht aufhalten konnte, scheint sich doch ausgewirkt zu haben. Und auch die Wiedervereinigung, die Fernau nicht mehr erlebte (er starb am 24. November 1988), konnte das Interesse für ihn nicht wiederbeleben. Ein dezidiert konservativer Autor wie Fernau, der nach heutigen Maßstäben zweifellos ganz rechts verortet würde, wird nicht mehr in den Schaufenstern angeboten, hat aber sein Stammpublikum.

Anm.: Dikigoros weiß nicht, ob es E.L. und andere Fernau-fans trösten würde, wenn sie wüßten (aber welcher gut-konservative Deutsche schaut schon gerne über den Tellerrand seiner Muttersprache hinaus?!?), daß Fernaus Bücher, die zu seinen Lebzeiten im Ostblock selbstverständlich verboten waren, dort nach der "Wende", d.h. seit den 1990er Jahren, ungeahnte Popularität gewannen. Sie wurden u.a. ins Serbo-Kroatische, Polnische, Tschechische und Slowakische übersetzt - z.T. unter stark abweichenden Titeln, auf die man nicht so leicht kommt; deshalb bildet Dikigoros hier einige von ihnen für Interessierte ab. (Es soll auch eine Übersetzung von "Die treue Dakerin" ins Rumänische geben - aber Dikigoros hat sie bisher noch nicht gefunden, ebenso wenig die angeblichen Übersetzungen ins Türkische, Japanische und Koreanische, die 2003 am Rande eines Interviews mit Fernaus Witwe erwähnt wurden; an deren Existenz hegt er auch erhebliche Zweifel, zumal dort die Übersetzungen von "Rosen für Apoll" und "Caesar läßt grüßen" ins Französische und Spanische, die bereits in den 1970er Jahren erschienen und durchweg floppten, nicht erwähnt sind, was nicht gerade für die Kompetenz der Interviewer spricht.)


Schlecht gewählte Titel: Apollon kam nicht vom Olymp, sondern aus Dälos; und die USA sind schon längst nicht mehr "the land of the free"...

Nachtrag: Gibt es denn auch gut gewählte Titel[-Bilder]? Na und ob: Schaut Euch doch mal das folgende Frontispiz von "Halleluja" an, das wohlweislich nur ein einziges Mal verwendet wurde, nämlich für die 1. Auflage. (Spätere Auflagen zeigen brav besagten Adler oder die Freiheitsstatue und/oder einen Indianerkopf, s.u.)

Wofür haltet Ihr das auf den ersten Blick? Für den Kopf eines stilisierten Weißkopfseeadlers, des Wappentiers der USA, der irgend etwas im Schnabel hält? Falsch - schaut bitte noch einmal etwas genauer hin. Wenn Ihr Dikigoros' Webseite "Welchen Frieden bringt das Meer?" gelesen habt, dann erkennt Ihr unschwer, daß es sich um einen Ausschnitt von Hokusais "großer Welle von Kanagawa" handelt. Und wenn Ihr beides gelesen habt, dann wißt Ihr auch, was Fernau - und Dikigoros - von der "Pax Americana" halten und worauf das anspielt. Anm. Ende.

Dabei gibt es den Fernau, wie wir ihn kennen, erst seit 1952, als sein erstes Buch erschien: "Deutschland, Deutschland über alles...", eine Geschichte der Deutschen. Fernau war zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre alt. Seitdem schrieb er ein Buch nach dem anderen. Unterbrochen nur durch einige wenige Reisen, die eigene Malerei und Erweiterung der umfangreichen Kunstsammlung. Zu jedem Sachbuch betrieb er umfangreiche Studien, bevor er mit der Arbeit begann. Dann arbeitete er kontinuierlich an dem Manuskript, vor allem in den Abendstunden. Jeden beschriebenen Bogen legte er in eine Mappe, auf der für jedes Kapitel das Datum der Fertigstellung vermerkt wurde.

Insbesondere bei Büchern, die Fernau persönlich nahegingen oder deren Thematik er ablehnend gegenübersteht, kam es zu Phasen der Resignation und Niedergeschlagenheit. Jedesmal atmete Fernau auf, wenn das Manuskript nach Korrektur und Abschrift durch seine Frau an den Verlag ging.

Fernau ist uns als Autor des Herbig-Verlags so gegenwärtig, als ob dort alle seine Bücher erschienen wären. Dabei mußte er sein erstes Buch 27 Verlagen anbieten, bevor sich der Stalling-Verlag in Oldenburg bereit erklärte, es zu drucken. Aber selbst der Stalling-Verlag, der einst im Bereich der Konservativen Revolution eine große Rolle spielte und vor allem ehemalige NS-Leute, Hans Rößner und Wilhelm Spengler, im Lektorat beschäftigte, war vorsichtig und wollte eine ganze Reihe von Änderungen durchsetzen. Nach langen Verhandlungen konnte Fernau ihnen alle ausreden bis auf eine, die den 20. Juli 1944 betraf. Fernau hatte geschrieben: "Das Urteil der Geschichte wird lauten: Stümper." (Anm.: Dikigoros könnte es nicht besser formulieren :-) Jetzt stand dort: "Das Urteil der Geschichte wird jenseits von Gut und Böse stehen." (Anm. Dikigoros: Leider hat der Stalling-Verlag damit - bisher jedenfalls - Recht behalten, obwohl das damals duchaus noch nicht abzusehen war.) Mit diesem Kompromiß erschien das Buch im Herbst 1952 und war für einen unbekannten Autor sehr erfolgreich; im ersten Quartal nach Erscheinen wurden 8.000 Stück verkauft, 1959 das 50. Tausend ausgeliefert. Doch Fernau war mit der Unterstützung seiner Arbeit durch den Verlag nicht zufrieden, da der seinen Projekten oft skeptisch gegenüberstand.

Schließlich führte Fernaus Geschichte der Liebe, "Und sie schämeten sich nicht" (1958), zur Trennung. Fernau hatte das Manuskript eingereicht und lange keine Reaktion erhalten. Schließlich bekam er einen Brief voller Bedenken, eine nett formulierte Ablehnung, in der es u.a. hieß, man gewinne den Eindruck, "daß es sich hier um keine Geschichte der 'Liebe', sondern um eine der Sexualität handelt..." (Anm.: Auch da hatte der Stalling-Verlag Recht; aber das mußte dem Verkaufserfolg ja nicht hinderlich sein - im Gegenteil :-)

Fernau war zu Konzessionen nicht bereit und mußte sich auf die Suche nach einem neuen Verlag begeben. Der Zufall führte ihn mit Walter Kahnert, dem damaligen Inhaber des Herbig-Verlags, zusammen. Beide waren sich sympathisch, und Kahnert fand an dem Buch nichts auszusetzen. "Und sie schämeten sich nicht" entwickelte sich rasch zu einem Bestseller, so daß Kahnert seine Entscheidung nicht bereuen mußte und das Verhältnis zwischen Autor und Verleger, von Kleinigkeiten abgesehen, ungetrübt blieb.

[Anm. Dikigoros: Aber den alten Untertitel von "Deutschland, Deutschland über alles...", nämlich "von der Maas bis an die Memel Arminius bis Adenauer" ließ Kahnert ihm nicht mehr durchgehen - er wurde bei der Neuauflage ersatzlos von der Buchhülle verbannt. Erst anno 1981 sollte der Goldmann-Taschenbuch-Verlag geruhen, einen neuen Untertitel - "Von Anfang bis Ende" - auf den Buchdeckel zu setzen.

Und um auch das noch nachzutragen: Im April 2001 brachte der Herbig-Verlag eine von Fernaus Witwe verstümmelte Kurzfassung von "Und sie schämeten sich nicht" unter dem Titel "Liebe hin, Liebe her" auf den Markt, die jämmerlich floppte - und das sicher nicht aus Gründen der "political correctness". Anm. Ende.]

Als Kahnert 1964 starb, war das Schicksal des Verlags ungewiß, was Fernau beunruhigte und zu einem längeren Tauziehen mit dem neuen Verleger, Herbert Fleissner, führte. Dennoch erschien im Juni 1966 sein vielleicht wichtigstes Buch bei Herbig, "Disteln für Hagen". Anhand der Nibelungen, des "deutschen Homer", nahm Fernau eine "Bestandsaufnahme der deutschen Seele" vor und wollte zeigen, "wie wir (Deutschen) immer und ewig sein müssen." Das Ergebnis war zwiespältig: "Keiner kann der Idee so treu sein wie der Deutsche. Wo die Idee fehlt, schafft er sie. Wo das nicht möglich ist, ist er nicht treu." Nicht Siegfried, Hagen ist "der" Deutsche. Zehn Jahre früher wäre das Buch vermutlich von den Feuilletons ohne größere Schwierigkeiten durchgewinkt worden. Doch 1966 galten schon andere Spielregeln, die den Vergleich der Schlacht um Stalingrad mit dem Untergang der Nibelungen auf der Etzelsburg nicht unwidersprochen lassen konnten. [Anm. Dikigoros: Fünf Jahre später bemühte Fernau den Vergleich mit Stalingrad erneut, nämlich für die Niederlage der Römer bei Cannae - es paßte ja auch zu gut, daß die Flasche von Consul, welche das römische Heer befehligte, zufällig genauso hieß wie die Flasche von Generaloberst, welche die 6. Armee befehligte - die Hitler kurz vor Toreschluß sogar noch zum Feldmarschall ernannte. Aber über diesen Vergleich regte sich niemand auf...]

Der Germanist Peter Wapnewski veröffentlichte am 3. Februar 1967 auf zwei ganzen Seiten in der Zeit einen Artikel über Fernau, in dem er ihm moralisch das Recht absprach, Bücher zu schreiben. Angriffe gegen Fernau hatte es auch vorher schon gegeben, aber nie an so prominenter Stelle (der Spiegel sprang wenig später auf den Zug auf). Wapnewski hielt Fernau einen Artikel vor, der am 30. August 1944 unter der Überschrift "Das Geheimnis der letzten Kriegsphase" im Völkischen Beobachter erschienen war und dessen letzter Satz lautete: "Der Sieg ist wirklich ganz nahe." Wapnewski fragt: "Wie viele Menschen mögen für dieses Wort bezahlt haben, Gefallene, Aufgehängte?" Fernau antwortete mit einem Leserbrief in der Zeit, daß der Artikel für das Radio im besetzten Frankreich bestimmt gewesen sei und auf Partisanen abschreckend wirken sollte: "Er war, wenn Sie die Güte haben wollen, der Wahrheit wenigstens nachträglich die Ehre zu geben, das erste offene Wort über unsere katastrophale Lage..."

Doch Wapnewski ging es weniger um den Artikel aus dem Jahre 1944 als darum, den Fernau des Jahres 1967 als unverbesserlichen Nazi abzustempeln - und seine Leser gleich mit. Der Generationenkonflikt, der in den 1960er Jahren eskalierte, trat deutlich zutage. Fernau schrieb in "Deutschland, Deutschland über alles..." zum Ende des Zweiten Weltkriegs: "Deutschland war im Besitz phantastischer Erfindungen, die sehr wohl imstande schienen, eine vollständige Wendung zu bringen... Aber die Zeit reichte bei weitem nicht mehr aus. Die Alliierten waren in Frankreich gelandet. Es war zu spät." Fernau fühlte sich also keineswegs durch die Alliierten 'befreit' und konnte sich 1952 noch mit einem Großteil der Deutschen darin einig sein. (Anm. Dikigoros: Darin konnte er sich noch bis 1985 mit den meisten Deutschen einig sein, bevor der Lügenbaron v. Weizsäcker das Märchen von der "Befreiung" als Staatsdogma verkündete.) Er erzählte dies nicht aus der Perspektive eines Geschichtsprofessors oder mit erhobenem Zeigefinger, sondern als jemand, der der Katastrophe selbst gerade noch entronnen war. Dieser Sicht billigt Wapnewski keine Daseinsberechtigung mehr zu, da Fernau mit keinem "Nebensatz" auch nur andeute, "daß Hitlers Sieg die noch furchtbarere Niederlage gewesen wäre." Wapnewski sagte nicht, daß er es anders erlebt hat, sondern stellte apodiktisch fest, da er als Professor und damit als Autorität über den Laien urteilte. Mittlerweile sind Karteikarten aufgetaucht, nach denen Wapnewski seit 1940 als Mitglied der NSDAP geführt wurde, was die Vorwürfe gegen Fernau noch einmal in einem anderen Licht erscheinen läßt.

Die Generation, der Wapnewski (geb. 1922) angehört, hatte ihre prägende Jahre im Nationalsozialismus erlebt. Bei Fernau, der am 11. September 1909 geboren wurde, war das anders. Er erlebte zumindest die letzten Jahre der Weimarer Republik sehr bewußt und bewahrte sich vermutlich deshalb eine innere Distanz zur NS-Ideologie. In seinem Roman "Die jungen Männer" (1960) versuchte er zu zeigen, wie die Machtergreifung Hitlers auf jemanden wirken konnte, der die ständigen Regierungswechsel der 1930er Jahre erlebt hatte. Er ist aus der Sicht eines stummen, jungen Mannes verfaßt und kann sich deshalb des nachträglichen Kommentars enthalten. Die Situation stellte sich dem zeitgenössischen Betrachter als offen dar. Wer konnte wissen, wie das ausgehen würde? Fernau maßte sich auch im nachhinein nicht an, darüber zu urteilen, was jemand hätte wissen müssen.

Diese Distanz zu den Ereignissen der Zeit ist zunächst verwunderlich, wenn man weiß, daß Fernau seit 1930 in Berlin lebte und als Journalist arbeitete. Doch 1933 änderte sich für Fernau noch nichts. Erst ein Jahr später begannen sich die politischen Geschehnisse nach und nach auf ihn auszuwirken, und die Machtergreifung Hitlers erschien als einschneidendes Ereignis. Fernau wurde gekündigt, weil er nicht bereit war, in die NSDAP einzutreten, und arbeitete als freier Journalist. Die Olympiade 1936 erlebte er als Sonderberichterstatter für das Reichssportblatt und blieb auch danach in diesem Metier erfolgreich. Seit 1937 war er mit einer Jüdin verlobt, womit er gegen die Nürnberger Rassegesetze verstieß. (Anm. Dikigoros: Das stimmt nicht - lediglich eine Heirat wäre verboten gewesen :-) Seine Ver lobte konnte 1939 nach England ausreisen, und Fernau wollte ihr eigentlich folgen. Doch als er von einer Englandreise noch einmal nach Deutschland zurück kehrte, lag die Einberufung zum 1. September vor.

Damit begannen schwere Jahre für den überzeugten Zivilisten Fernau, der sich in die Welt des Militärs erst hinein finden mußte. Fernau kam zunächst zu einem Polizeibataillon und mußte sich nach seiner Grundausbildung an der Vertreibung der Polen aus dem Posener Gebiet beteiligen. 1940 wurde er zur Waffen-SS abkommandiert, die gerade dabei war, eine eigene Kriegsberichter-Kompanie aufzubauen, und dafür Journalisten suchte.

Nach erneuter Grundausbildung erfolgte sein erster Einsatz im Frankreichfeldzug. Die Weltanschauungstruppe scheint ihm unbehaglich gewesen zu sein. Doch der Versuch, sich versetzen zu lassen, scheiterte. Nach einer halbjährigen Freistellung wurde er in den Kessel von Demjansk eingeflogen und anschließend zum Untersturmführer (Leutnant) befördert. (Anm. Dikigoros: Andere - z.B. die Macher von Wikipedia - behaupten, Fernau sei SS-Obersturmführer gewesen. Beides ist falsch. Fernau war - wie die meisten Kriegsberichterstatter - "Sonderführer" ohne militärische Befehlsgewalt. Der Rang "Sonderführer Z" galt für alle Subalternoffiziere, unterschied also nicht zwischen Leutnant und Oberleutnant bzw. Untersturmführer und Obersturmführer.) Nach zahlreichen Einsätzen als Kriegsberichter im Osten erfolgte die Versetzung nach Paris zur "Feindpropaganda". In diesem Zusammenhang entstand der erwähnte Artikel aus dem Jahr 1944.

In der Endphase des Krieges hatte Fernau Glück. Seine Einheit wurde nach Deutschland verlegt, und Fernau gelang es, sich in Bayern selbst zu demobilisieren und in München gemeinsam mit seiner Frau Gabriele, die er im März 1943 geheiratet hatte, unterzutauchen. Die Jahre bis 1949 waren hart und von Gelegenheitsarbeiten geprägt. Erst nach der Entnazifizierung konnte er wieder unter seinem richtigen Namen veröffentlichen. Zunächst machte er sich an die Aufarbeitung des Krieges. Sein Drama, das sein einziges blieb, "Des Sommers Grün" (1979 als Privatdruck erschienen), beruht auf Notizen, die er sich im Kessel von Demjansk gemacht hatte, und versucht das Geheimnis der Tapferkeit in auswegloser Situation zu ergründen. Die Erzählung "Hauptmann Pax" (1954) - der ursprüngliche Titel lautete "Bericht von der Furchtbarkeit und Größe der Männer" - behandelt die Flucht deutscher Soldaten aus russischer Gefangenschaft während des Krieges. Es geht um die Frage: Wozu ist ein Mann fähig, wieviel Leid kann er ertragen?

Da in den Jahren des Wiederaufbaus vielen nicht der Sinn nach tragischen Geschichten stand, schrieb Fernau unter dem Pseudonym John Forster einige kurzweilige Geschichten über das Kriegsende: "Heldentum nach Ladenschluß" (1954 als Buch erschienen). Der hier angeschlagene, launige Ton findet sich dann auch in seinem ersten Buch wieder, an dem er seit 1950 arbeitete. Diese Sprache war der Schlüssel zum Erfolg. Das lag nicht nur daran, daß ihm die Schwierigkeit gelang, einfach zu schreiben. Es ist noch etwas anderes. Er vergleicht historische Begebenheiten mit der Gegenwart, um dem Leser das Verständnis zu erleichtern. Fernau nimmt den Leser an die Hand, spricht ihn direkt an, formuliert die Fragen, die sich dem Leser stellen könnten, und gibt Antworten oder suggeriert dem Leser die richtige Schlußfolgerung: Beispielsweise zum Peloponnesischen Krieg: "Sparta war nach 27jährigen Ringen der Sieger. Hatte es für die Zukunft eine bessere Idee? Gibt es Sieger, die eine haben?"

Fernau hat seinen Stil einmal als "rhetorisch" bezeichnet und dabei auf Nietzsche als sein Vorbild für diese Sprache verwiesen. Die Urteile anderer gingen darüber weit auseinander. Eine Germanistin warf ihm in ihrer Dissertation vor, seine "reaktionäre, ja faschistische Konzeption witzig vorzutragen," um sie "so unangreifbar wie möglich anbieten zu können." Armin Mohler traf da schon eher den Punkt, wenn er schreibt: "Fernau setzt sich die Narrenkappe bloß auf, um dafür an jenen Stellen, auf die es ihm ankommt, um so unmittelbarer und ernster zu sprechen."

Hinter diesem Ton verbarg sich aber auch eine tiefe Melancholie und resignative Traurigkeit. Die Mutlosigkeit bezeichnete er einmal als seinen größten Fehler. In dem stark autobiographischen Roman "Das wunderbare Leben" (1975) finden sich einige Hinweise auf die Ursache dieser Haltung. (Anm. Dikigoros: Der Titel lautet "Ein wunderbares Leben", s.o.) Er schildert darin das Leben seiner Mutter als so bedrückend, daß es nur durch die Flucht in die Phantasie zu ertragen ist: Ihr Vater stirbt, nachdem er sein Vermögen verloren hat, die Familie verarmt. Sie verliebt sich in einen jungen, hoffnungsvollen Ingenieur, der sie schließlich für eine andere sitzen läßt. Nach Jahren des Wartens, die sie wie in Winterstarre verbringt, heiraten sie, nachdem seine Frau gestorben ist. Alles scheint gut, ein Sohn (er selbst!) wird geboren, ihr Mann ist beruflich erfolgreich und stirbt plötzlich. Mutter und Sohn klammern sich aneinander. Als die beiden aus Bromberg vertrieben werden - wie alle Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg (Anm. Dikigoros: Na kaum, dann hätte es den Bromberger Blutsonntag nicht gegeben!) -, stirbt der Sohn an einer unheilbaren Krankheit. Die Mutter lebt seitdem völlig in der Phantasie, und als diese Parallelwelt bedroht ist, stirbt auch sie. Soweit der Roman. In Wirklichkeit zogen Mutter und Sohn erst nach Hirschberg, wo Fernau sein Abitur ablegte, und anschließend nach Berlin. Die Mutter starb 1943.

Diese Melancholie ließ Fernau nicht mehr los, und aller Erfolg konnte nicht darüber hinweg täuschen, daß Fernau im Grunde seines Herzens traurig war. In seinen Büchern scheint diese Traurigkeit an vielen Stellen auf. In "Halleluja. Die Geschichte der USA" (1977) bringt er sie besonders drastisch zum Ausdruck: "Es ist alles kaputt, was uns die Ewigkeit fühlen ließ, alles, was das Rasen der Uhr aufhielt und uns ahnen ließ, nicht verloren in der Vergänglichkeit zu sein." Jüngeren Lesern, die ihm diesen Pessimismus zum Vorwurf machten, antwortete er: "Sie sind jung, und wenn Sie hoffen wollen, so dürfen Sie es auch. Es genügt, dem Zerstörerischen nicht den kleinen Finger zu reichen." (Anm. Dikigoros: Nein, das genügt nicht - aber Fernau konnte natürlich nicht hellsehen - sonst wäre er wohl noch pessimistischer geworden.)

Bei seinem größten Verkaufserfolg, den "Rosen für Apoll" (1961), waren diese pessimistischen Töne noch recht verhalten. [Anm. Dikigoros: Dabei bietet die Geschichte des alten Hellas doch wahrlich genug Anhaltspunkte für unerfreuliche Parallelen - heute, da wir von Lesben, Schwuchteln und Päderasten regiert tyrannisiert werden, sogar noch mehr als damals.] Aber Fernau machte kein Hehl daraus, daß er der griechischen Antike mit Sympathie begegnete, und entwarf ein Gegenbild zu seiner Zeit, ohne die Parallelen zu vergessen. Als er später "Caesar läßt grüßen" (1971), die Geschichte Roms, schrieb, war Fernau nicht mehr so milde gestimmt. [Anm.: Der Verlag offenbar auch nicht, denn er brachte es fertig, alle drei Wörter im Titel falsch zu schreiben - eine wohl einmalige Leistung -; Dikigoros hat sich erlaubt, das stillschweigend zu korrigieren.] In Rom sah er vor allem das Abbild seiner Zeit: einer geistlosen Zeit, unter deren "Stumpfsinn" er gelitten habe, wie er schreibt. Das hat viele Konservative, denen ja eine große Schwäche für das Römische Imperium nachsagt wird, vor den Kopf gestoßen. Armin Mohler sah es anders und bezeichnete Fernaus Buch als "eines der bittersten und sicher das furchtloseste Buch" eines Deutschen nach 1945.
[Anm. Dikigoros: Das sah Mohler falsch. "Halleluja" war ebenso bitter (aber dennoch nicht ohne Galgenhumor :-) und noch viel mutiger, selbst wenn man berücksichtigt, daß es geschrieben wurde, lange bevor am 1., pardon, am 3. April 2021 das "Gesetz gegen Haßkriminalität" in Kraft trat. (Das Berliner Verbrecher-Regime will uns - unter dem Vorwand, uns vor einer nicht existenten "Pandemie" "schützen" zu müssen, nicht nur unserer fundamentalsten Freiheitsrechte berauben, z.B. der Bewegungsfreiheit und der Freiheit zu sprechen oder gar zu singen - ja sogar des Rechts, frei, d.h. ungeknebelt, zu atmen! -, sondern sogar die fundamentalsten Gefühle verbieten, wie Liebe und Haß - beide sind untrennbar mit einander verbunden, weil sie beide vom selben Hormon - Oxytocin - erzeugt werden.) Denn "Halleluja" schließt mit einem lautstarken Aufruf zum Haß gegen die USA. Das ist zwar heutzutage nichts besonderes mehr - die US-"Millenials" hassen ihr Land ja selber wie die Pest und wollen es am liebsten abschaffen -; aber in der BRDDR wird man das sicher bald zum Vorwand nehmen, nicht nur Neuauflagen - die es ohnehin schon lange nicht mehr gibt - zu verbieten, sondern es auf dem Scheiterhaufen der "cancel culture" vollständig zu verbrennen (apollonisch griechisch "holokavtomai", falls jemand den Ursprung des Lieblingswortes der US-amerikanischen Shoa-businessmen noch nicht kennen sollte), d.h. alle etwa noch in öffentlichen Bibliotheken vorhandenen Exemplare "auszusondern". Dagegen wird es in den meisten muslimischen Staaten - insbesondere den arabischen - wohl nie verboten, sondern ganz im Gegenteil in Ehren gehalten werden. Niemand wird Dikigoros weismachen können, daß die Anschläge vom 11. September 2001 nicht von diesem Buch inspiriert waren - nicht umsonst lebten die Hintermänner in der BRDDR, und nicht umsonst war "Halleluja" das einzige Werk Fernaus, das ins Arabische übersetzt wurde - und daß sie rein zufällig an Fernaus Geburtsstag verübt wurden. Anm. Ende.

Seinem letzten Geschichtsbuch, "Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute" (1981), merkt man an, daß sich Fernau diesem Gegenstand mit weniger Bitterkeit und großer Liebe näherte. Die Geschichte der Preußen betraf ihn, den Nachfahren hugenottischer Einwanderer, selbst: "Begreife dich aus den Anfängen der Gemeinschaft deiner Vorfahren. Im Beginn der Gemeinschaft liegt die Entscheidung, ob das Molekül Sauerstoff oder Nitroglyzerin wird... Meine Vorfahren waren Preußen."

Daß aus Hugenotten Preußen werden konnten, zeigt, daß "preußisch" keine Staatsangehörigkeit war, sondern eine charakterliche Prägung, die es geben kann, obwohl Preußen nicht mehr existiert. Preußisch ist, in auswegloser Situation nicht aufzugeben: nicht weil man von der Hybris eines Endsiegs erfüllt wäre, sondern weil es sich so gehört. In diesem Sinne ist Fernau trotz seiner 100 Jahre nicht nur aktuell, sondern nach wie vor notwendig.


*Dr. Erik Lehnert, Jahrgang 1975, studierte Philosophie, Geschichte sowie Ur- und Frühgeschichte. 2006 promoviert über Karl Jaspers und die Philosophische Anthropologie. Anschließend Lektor bei der Edition Antaios und Redakteur der Zeitschrift "Sezession". Seit 2008 ist er Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik (IfS).


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