Nachrichten: Juli 2017

Inhalt

Ahrenshoop-Bewerbungspaket: 30. Juli 17

Lettrétage-Flyer: 28. Juli 17

Im Röckchenschatten junger Moédchenblüte: 23. Juli 17

Das Nouon: 19. Juli 17

Lösung des Rätsels? 15. Juli 17

Die Pagode im Regen - Annikas Programm zum Download: 13. Juli 17

Woraus besteht die Pagode? 12. Juli 17

Mysterium Aeternum: 11. Juli 17

Abstecher nach Bouzonville: 7. Juli 17

Keine Geige für den Generalluftmarschall! 2. Juli 17

 

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Ahrenshoop-Bewerbungspaket: 30. Juli 17

 

Ich saß in der Abflughalle von Milano-Linate, mein IFK-Kollege D. und ich gaben uns Mühe, die Zeit bis zum Abflug unserer Maschine - zweistündige Verspätung - herumzubringen: müßig betrachtete ich auf meinem Laptop die literaturport-Seite. "Da gibt es wohl so ein Stipendium", bemerkte ich. "Ein Aufenthaltsstipendium in einem Künstlerhaus - Deadline in vier Tagen..."

Kaum war ich wieder in Berlin (schließlich und endlich war es nämlich gelungen, ein startbereites Flugzeug aufzutreiben), machte ich mich daran, ein Curiepolis-Paket für das Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop an der Ostsee bereitzumachen. Ich orientierte mich an meinem GASL-Material, kürzte es, fügte einige Illustrationen und einen kurzen Einführungstext hinzu. Gerade eben habe ich das Ganze abgeschickt. Vier Wochen lang ausschließlich an Curiepolis arbeiten - und zwar in einer Umgebung, die ein wenig an Arno Schmidts Bargfeld-Domizil erinnert! - das ist eine interessante Vorstellung. Ende September werde ich benachrichtigt. Man wird sehen.

Hier gibt es das Paket zum Download (denn es ist auch unabhängig von der Bewerbung interessant! In der Textsammlung ist ein bislang noch nie veröffentlichter Abschnitt enthalten - "Spaziergang", S. 6):

 

lukas-ahrenshoop-paket.zip

 

Witzigerweise liegt Ahrenshoop nur knapp zehn Kilometer von Prerow entfernt: Dieser Ort hat eine besondere Bedeutung für mich, da ich um ein Haar meinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt hätte. Dies kam so: Im Jahr 2016 war ich zwar keinesfalls arbeits- (denn ich arbeitete ja Tag und Nacht an Curiepolis!), jedoch nach den üblichen Definitionen "erwerbslos", weswegen man mir eine Gouver... äh, "Fallmanagerin" aufs Auge gedrückt hatte, die sich zu höchst ungünstigen Zeitpunkten (morgens bzw. vormittags, also aus meiner Perspektive zu nachtschlafender Zeit) mit mir zu unterhalten pflegte, wobei es um meine "Integration in den Arbeitsmarkt" ging. Ich nahm diese Gespräche zwar nur durch einen diffusen Nebel von Übermüdung wahr, gab mir aber dennoch redlich Mühe, Bewerbungen zu schreiben. Eine davon richtete sich an das Bildungszentrum Prerow. Man lud mich ein - in Mecklenburg-Vorpommern herrscht massiver Physiklehrermangel. Der Direktor der Schule verlor keine Zeit mit so überflüssigen Dingen wie mir das Gebäude zu zeigen: "Wenn Sie Lust haben, spazieren Sie nachher hier noch ein wenig herum... wann können Sie mit dem Unterrichtspraktikum anfangen?"

Um es kurz zu machen: Um zum nächsten Bahnhof zu gelangen, fährt man von Prerow aus zwei Stunden mit einem Zuckelbus, der an jeder Milchkanne hält. Vielleicht hundert Einwohner, reinstes Ödland. Die Fallmanagerin sprang schnaubend auf und nieder: "Ich finde es SEHR SEHR schade, dass Sie diese Arbeitsmöglichkeit ausgeschlagen haben!" Sie wünschte sich wohl insgeheim, mich in die Ecke stellen und mir eine Eselsmütze aufsetzen zu können. Sei dem wie sei - später im Jahr hielt ich meinen Curiepolis-Raumfahrtvortrag bei einer Tagung in Mannheim, wo auch der Forschungschef des IFK anwesend war. Während der Mittagspause setzte ich mich neben ihn: "Ich bin gut in Public Relations! Könnte ich nicht bei euch als PR-Experte arbeiten?" "So einen suchen wir schon die ganze Zeit!" So kam es, dass ich anfang 2017 nach Berlin umzog, wo es viel mehr Menschen gibt, die sich für Curiepolis interessieren, als in Jena (und ganz sicher erst recht viel mehr als in Prerow, wo die diesbezügliche Anzahl exakt bei Null liegen dürfte). Curiepolis bringt mir eben Glück, ganz im Gegensatz zu irgendwelchen Fallmanagerinnen oder grantigen Schuldirektoren...

Für einen einmonatigen Aufenthalt könnte ich mich mit so einem baltisches Inselrefugium jedoch anfreunden. Wie schon gesagt, man wird sehen.

 

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Lettrétage-Flyer: 28. Juli 17

 

Zurück von italienischer Reise! Nach einer Woche Energietagung am Comer See kann ich mich nun wieder intensiver mit Curiepolis beschäftigen. Insbesondere rückt die erste große Curiepolis-Lesung - am 11. September in der Lettrétage in Kreuzberg - unaufhaltsam näher. Es wird die erste öffentliche Veranstaltung sein, bei der es nur um Curiepolis geht, und damit auch gewissermaßen ein Testlauf für meinen Vortrag bei der GASL-Jahrestagung im Oktober.

Nun gilt es, für das Ganze noch ein wenig die Werbetrommel zu rühren, bzw. es bekannt zu machen. Zu diesem Zweck habe ich einen Flyer entwickelt:

 

 

Hier gibt es den Flyer zum Download (sowohl als .png wie als ganzseitiges .pdf mit drei Flyern):

 

Lettretage-Curiepolis-Flyer1.zip

 

Dya Rienzi. Brigade Lise Meitner! Flyer ausdrucken und an geeigneten Orten verteilen, husch-hurtig, eilt, tummelt euch!

Hae-Lin Goddard. Ähüm? Was wären denn geeignete Orte?

Dya Rienzi. Je nun. Bibliotheken. Universitätsmensen im Dunstkreis von Germanistik-Fakultäten. Literaturvereine. Solche Umgebungen!

 

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Im Röckchenschatten junger Moédchenblüte: 23. Juli 17

 

Zur Zeit weile ich in Varenna am Comer See bei einer Energiekonferenz, weswegen ich nur sporadisch Zeit zur Arbeit an Curiepolis finde. Doch Annika et al. preschen mit höchster Flussdichte voran!

 

Im Röckchenschatten junger Moédchenblüte: flinkschenkelnde Röslichblinkze immeranderwandlang && Dya vornweg, wirbelt schalkartig pihalben – „Hier lank!“ – schulterschmale Kluft zwischen nachtnebligen Graphigantologien, sternkratzendes Antennenwürr halbkilometerdrübrig && nur n Stückgen weiter feierflammt der Orionprospekt gen Sagittarius-Ah!-Sternplatz, wo manche ne Uhubahn vermutn... „Nix hierdadort, Kosmo-Schiffsschaukel fürn AndersMal aufgespart – Brigade Lise Meitner: ihr werdet zu mondprinzesschoid! Raff'n'räddie heut'ahmt.“ – so Dya-höchtselbsten && hüstert übern verschnoffes Prozesswärmerohr. („Eintausend Grad, du, in Kirensk würdn die Nickelkombinate sich drum reißen, nennt man dort hochwertig, Eintausenderprozessdampf'ss teuer! Hierzuinsel nehm' wir'ΔS für die Kaffenergomasch“ – Irina, über's (gedämmte) Rohr hockwendelnd; „Ja, curiepolitainsch fängt HochTämpura bei zwanzigtausend Kehlwienchen an, gnihi...“, so Hikari && Annika denkt nur: „Himmelbimmelbammel so was nenn'ich ne Durchdiesehohlegassemusserkomm'! Könnt meine Arme kaum ausbreiten; hochgucknd hat kore'n Eindruck, die Hauswände verschmelzn, Himmel nur-mehr abstrakter Begriff.“ Wohnungen erst äußerstdrüber, hierzuunten nixAls Geröhr Gekabl Maschinissimi-Allerleigrau.) Doch KeinZeit zu Grübulierereien. Dya flitzt wie'ne Coilgunnadel von höchstem Adel zwischen Ohwiewohl diamantgehärtet && stahlschattende Platane && &andenkratzerngingsienackt aus Koboldnickelwolfram (na, nackich nu nich, aber so'n Faltröckgen päntieschottet numal !übel wenn(musume.socoilgunflitzrich(); Doppelmondprinzesschoidpfirsich im „Kätzerchenmuster auf Maigrün? Bei der was Gwagteres vermutet“ – Amüsiernnika) – „Hurtig-hurtig, Brigade Lise Meitner!“ – schmettert'S mehr so zu sich selbst, ganzohn überschulter && halbschüht noch eiler (&& beugt sich dabei vor, wie'n tripptrappelndes Kind). Annika: „Verpassen wir sonst was? Warumwiesoweshalb?“; Hikari: „Nee, verpassen nix, S halt die Klockzeit, zu der Dya stets auf- && durch- && auf&&davon-dreht. Aufgestaute Energieflussdichte, muss ja wo hin.“ „S habbich g'hört!!“ – dyat's streng von vorn && hackwendet von Neuem: „Da woll'n wir rein.“ „Watt??“ „Volt && Ampère.“ 1 SupraLeiter, 'nab in sowaswie'n Schachteinstieg, doch Dya leitert mitnichten, sondern gleitert: (links-rechts Händ-an-Handlaufamrande && Beinedrum wie um so'ne Feuerwehrstange – huit! ab ins Ubw. (Jepp, gibt noch >1 Ebene waydownwaydownbelow Dauntaun mit ihren dustrigen Tempeln && Lampions && Wendehänsen – sowas kennt nur Dya Rienzi (abgeseh'n von Karelia: die weiß-ahndet Sachen, bei denen selbst 1 Dya zu konstantian-sich-berufn-pfühlt: „Will'ich besser nich-so gnau wissn.“))) – Irina schulterruckt: Keinandrerwegnachküssmich, also. Kletterrutschruckruckanmeineseite, Nachfolge Dyae (Irina 1st, Annika sekommt, Hikari nachhütchend). Schmeichlichste Schattenfälle, von überAll her: Norninatief, Genjitief, Dampftief, Hackersargtief, Upsalatief, Wagalaweialatief geht’S waydownway && müffelt – so Annika erschnüffelt: Näschen spürgebläht im Un(er/be-)kannten – nach Salzwasser && hitzdröhner Energomaschneria && Schwefelwasserstoff.

 

Wo der Keinandrerwegnachküssmich wohl hinführt? Bleibt auf Frequenz!

 

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Das Nouon: 19. Juli 17

 

goldene Pagode – || ist'S 1 Funkturm 1 Raumschiff, winterblattlos Ambrunnenvordemtore aus schlummrigem Juniabendglanz? – Herrscher der Gaußschen Ebene kolossrundruhend && in unauslotbare Höhen schmal-schmalerschwingend Nadelspitzhinan. Zartblättrigste Lamellen aus LeuchtGaze, in flimmernden Regenbogenfedern – ja, wirklich: glasig, mildfiebrig wie ein Waldtal nach dem ersten Frühlingsgewitter, schwingt's singt's brodelt's hervor – sprossend, wachsend, sich verästelnd, von Stockwerk zu Stockwerk in flirrschwirren Stürzen köchelnden Lichts – prallplumpe Festung schwüngfüllig-steigend: Aufgang des Kolossmondes, horizontfern aus samtigem Dunst, die Gaußsche Ebene mit endlosen Strömen ruhmassenloser Phospheme überflutend, && Düften außerirdischer Kräuter, && Stimmen, nicht in Worten redend, sondern mit dem Klang goldhell klimpernder Glocken und aller Arten von Instrumenten. Vor Augenblicken, Handvoll Prozessorzyklen herausgeträumt aus ziffernkristallinem Nichts, älter als Kraft && Kausalität, erflammt'S als Magnesiumbrilliantfontaine, in jedem Funken Alleswasderfallist [...]

 

Spät im Jahr 2015: Gerade war ich von einem Weihnachtsausflug nach Paris zurückgekehrt, von Neujahr trennten mich noch knapp 30 Stunden. Niemand mag an Silvester zuhause herumsitzen, schon gar nicht, wenn besagtes "Zuhause" ein garstiger Wohnblock im säufer- und neonazireichen Süden Jenas ist, aus dem man seine Flucht bereits plant.

Den Buddhismus kannte ich aus Aldous Huxleys "Island" und aus einem religiösen Sachbuch darüber, das ich gelesen hatte. Der substantiellste Einwand gegen Huxley, den man wohl vorbringen kann, besteht darin, dass sein Schreibstil sich im Laufe seines Lebens nie verändert, nie verbessert hat. Zwischen "Brave New World" und "Island" liegen 30 Jahre; legt man einen Satz aus dem einen neben einen aus dem anderen Buch, so sieht man ein- und denselben spätsommerschwülen Stil, beschreibungsreich aber plump, greisenhaft verschwitzt lüstern, repetitiv besserwisserisch wie die abgerichteten Vögel auf der Insel Pala. Beim Buddhismus war ich mir nicht so sicher: Mir schien, dass er eine recht resignierte Religion sei (wenn auch bei weitem nicht so resigniert - und zugleich hysterisch - wie der Protestantismus). Aber an Silvester wollte ich etwas unternehmen. Partys mit Billig-EDM-Sperrfeuer liegen mir nicht. Ich googelte nach "Silvester Filmabend Buddhismus". Das fränkische Waldkloster erschien als erstes Ergebnis, denn es veranstaltete einen solchen. Ich schrieb eine Email. Man freue sich auf mein Kommen. Am nächsten Tag - steingrau und windstill - fuhr ich nach Stammbach in den fränkischen Wäldern. Ein winziges Dörfchen mit Bahnhaltepunkt. Es wurde finster, begann zu schneien. In einem Buswartehäuschen vesperte ich. Ein Bauer hielt mich für einen übergeschnappten Landstreicher und umkreiste mich ratlos, bis ich begann, ärgerlich zu werden: Da entschuldigte er sich überschwänglich und trabte in die Nacht.

Durch Schneetreiben wanderte ich zum Waldkloster Muttodaya. Warmes Licht, ringsum komplette Finsternis. Ein Grüppchen von Leuten. Vorsichtig ging ich hinein, sagte "Gute Abend!" Man hieß mich willkommen. Ein rundes Dutzend Personen. Ich unterhielt mich mit einem Mann, dick und vielleicht zehn Jahre älter als ich. Er war mit einer Thailänderin verheiratet. Die Mönche - sie sprach es "Mön-ke" aus - seien in der Halle und meditierten, so die Thailänderin. Man merkte, dass sie ihren Glauben sehr ernst nahm. Ebenso, dass der dicke, runde Mann Schwierigkeiten hatte, den Glauben nachzuvollziehen. Er schien sich ein wenig alleingelassen zu fühlen; und sich zu freuen, dass er in mir jemanden hatte, mit dem er reden konnte. An der Wand ein Sinnspruch: "Iss nur, um deinen Hunger zu stillen. Fülle dich nicht übermäßig. Essen dient zum Erhalt des Lebens, nicht zu hemmungslosem Genuss." Das sei ihm fremd, so der Mann leise zu mir. Wir gingen in die Halle.

Buddha, mächtig aus Gold, beschirmt von seiner siebenköpfigen Schlange, die ihn vor dem Regen schützte. "Pscht, der Mön-k meditiert!" - die Thailänderin, streng. Wir setzten uns still. Nach einigen Minuten erhob sich der Mönch, löste einen leise zitternden elektrischen Gong aus. Die Andacht wurde auf Thailändisch gelesen: Für die meisten Teilnehmer wohl wie früher die lateinischen Messen für die Katholiken. Wir meditierten; der goldene Buddha gefiel mir, vor allem die Schlange.

 

Na, Pagode? t>0 doch nicht ganz einerlei, watt? Doch der Regen silbert nur ihre Spiegelung: plitschplatsch. Welche Pagode? Es gibt unendlich viele; welche Zeitachse? Jede Geschichte hat mindestens eine, manche mehrere, einige unendlich viele. Regenprasseln(), plitschtplatsch Kreiswellen()schauer ins nächtige Gaußblank, && jeder Tropfen spült ein Alleswasderfallist mit sich fort. Und Annika sah, dass ΔS gut war: Regenprasseln() hurtigscharf – Flusstal, Golfplatz, Universität, Schnellimbiss, Kopfsteinpflaster, Konditorei, Trauerweiden, Insekten, Flussröhren, Gastank, z → z² + c, Alufolie, Strahltriebwerk – eins nach dem anderen löst sich in grauem Regenwasser, zernebelnde Kreiswellen() zergleitende; Regenprasseln() Kaltgetropf, Quellwasser Schwefel Juckreiz Geschmack Lehm Glück: zurück-marschmarsch-husch-fort, Kreiswellen() im Zwodimensionalen, {züngelt (t)räumliche Tiefe unmerklich-unaufhaltsam herein?} Regenprasseln(); Kreiswellen()pfützschwärze, sanftschwellendes Wind()gedrängel herausgetehplusplusst aus {} – Tröpfelfall schrägstöbernd, mal hier-dorthin: Da schnecktreckt sich ein singulärer Pilzstiel hervor hinter Annika – die mit untergeschlagenen Beinen vor dem Rechner – wickelt sich ein-zwo mal um sie – merkt sie's? Kaum: Regen hat alles fortgewaschen, bis auf Nervensystem und Sourcecode – und gabelt sich: sieben Fruchtkörper, die sich zu lamellierten Schirmen entfalten, Annikas Köpfel überdachend. Regen pladdert auf gelbbraune Pilzhaut, rinnt seitlich nieder, && Annika sitzt reglos, programmiert.

 

Wir sahen zwei Filme: Einen uralten Stumm- und Schwarzweißfilm über das Leben Buddhas ( "Die Leuchte Asiens"). Das antike Indien sah bezüglich der Waffen und Kostüme recht nach neunzehntem Jahrhundert aus; Buddha ein athletischer Hühne, auch nach jahrelanger Askese glattrasiert und in wallende Gewänder gekleidet. Ebensowenig wurde die Prinzessin, die ihren aus dem goldenen Käfig des Schlosses ausgebrochenen Gemahl in ganz Indien suchte, hierdurch erkennbar in Mitleidenschaft gezogen. Nichtsdestotrotz mochte ich den Film: dass die Szenen in Stille aufeinander folgten, mit Texteinblendungen dazwischen, schien mir zu dem Thema zu passen. Der zweite Film war eine Reportage über das Gießen einer Glocke.

Um Mitternacht brachten wir der großen Buddhastatue, die außerhalb auf einem Hügel saß, Blumen und Weihrauch. Weitab in den Dörfern krachten und jaulten die Feuerwerkskörper. Buddha saß vor seinen Sträußen und knisternden Weihrauchkerzen. Hunderte, tausende Kilometer umher toste das Neujahrsfest; bei uns: alles still, ruhig, andächtig. Ich fühlte mich glücklich.

 

(Zum Mysterium Aeternum: Siehe 11. Juli.)

 

Mysterium Aeternum. Weißer Feuerstrahl.

Mysterium Aeternum. Wo Kausalität sich aus dem Entropieozean löst, aufsteigt, spielt.

Mysterium Aeternum. Anfang aller Weltlinien.

Mysterium Aeternum. Entstehung neuer Klassen aus {}.

Mysterium Aeternum. Divergenz(aller Felder) > 0.

Mysterium Aeternum. Grenze zwischen IST und Wille.

Mysterium Aeternum. Thermodynamisches Wunder, geschaffen aus Wille und Vorstellung.

Mysterium Aeternum. Verschmelzen von Wille und Vorstellung zum Feuerstrahl.

Mysterium Aeternum. Kausalität.

Mysterium Aeternum. Weltlinien.

Mysterium Aeternum. Klassen.

Mysterium Aeternum. Divergenz.

Mysterium Aeternum. IST.

Mysterium Aeternum. Wille.

Mysterium Aeternum. Vorstellung.

Mysterium Aeternum. Thermodynamik.

Mysterium Aeternum. Wunder.

Mysterium Aeternum. ΔS > 0.

Mysterium Aeternum.

Mysterium Aeternu.

Mysterium Aetern.

Mysterium Aeter.

Mysterium Aete.

Mysterium Aet.

Mysterium Ae.

Mysterium A.

Mysterium.

Mysteriu.

Mysteri.

Myster.

Myste.

Myst.

Mys.

My.

M.

.

 

Nervensystem: ?

Sourcecode: ?

Dunkelheit: ?

Nichts: ?

NICHTS: ?

?

~

 

Nach der Mitternachtsandacht unterhielten wir uns noch längere Zeit in der Klosterküche; danach begann einer nach dem anderen nachhause zu fahren: Ich übernachtete im Kloster - das sei, hatte man uns gesagt, möglich: man könne mit einer Decke in der Meditationshalle schlafen - ich entschied mich allerdings - in der Hoffnung, dadurch keinen unzulässigen Mangel an Askese an den Tag zu legen - für eine Couch, die vor dem Eingang zur Halle stand. Nach einigen Stunden Dösen wanderte ich, lange vor Sonnenaufgang, nach Stammbach zurück, von wo aus ich mit dem Zug nach Jena fuhr.

Dem Thema "Buddhismus" begegnete ich auch, literarisch viel interessanter als Huxley - himmelhoher Unterschied! -, in Arno Schmidts "Leviathan". Eine Gruppe von Flüchtlingen setzt sich im Winter anfang 1945 mit einem gekaperten Zug aus dem umkämpften, brennenden Berlin ab. Während draußen die Schöpfung rückwärts verläuft - der Endknall: Die Kinder sterben, Tag und Nacht verschwimmen im Nebel, zum Schluss verschmelzen Wasser und Land, als der Zug auf einer zerschossenen Brücke festsitzt - entwickelt der Erzähler eine düstere Kosmologie: Der Leviathan, ein Wesen von enormer Macht und Bösartigkeit, hat das Universum und die Menschheit aus sich hervorgebracht, sich zu einzelnen Galaxien, Planeten, Lebewesen zerstreut. Doch die wachsende Kepahalisierung im Laufe der Evolution, die zermalmende Gravitation, die die Nebelflucht zukünftig umkehren wird (damals schien eine positiv gekrümmte Mannigfaltigkeit noch astronomisch möglich), zeigen, dass der Leviathan schon den Rückmarschbefehl gegeben hat, der Kosmos wird kollabieren und wieder zum individuellen, monströsen Leviathan werden. Dass Arno Schmidt später Interesse an den Arbeiten H. P. Lovercrafts entwickelte, scheint sich hier bereits anzukündigen. Doch der Erzähler tröstet kurz vor dem Ende der Erzählung einen sterbenden Mann: Den Leviathan zu überwinden sei zwar nicht möglich, doch vielleicht könne man ihm zumindeste etwas entgegensetzen - die Philosophien Buddhas oder Schopenhauers. Auch könne es Paralleluniversen geben, deren Leviathane gutartiger Natur seien.

Dya Rienzi verspeist Leviathane zum Frühstück. Annika würde ihn auf handliche Größe kompaktieren - vielleicht durch Verringerung des Planckschen Wirkungsquantums - und ihn in der Tasche spazierentragen. Kore weiß ja nie, wozu so ein Leviathan gut sein kann... Schmidt kapitulierte vor der Welt, zog sich in die Einsamkeit der Südheide zurück. Die Curiepolitaner gewinnen den Olymp, ragende Welthöhe, und das ewige Heiterschwarz voller Sternkristalle darüber. „Die Intelligenz“, denkt Annika, „lebt nicht gut in den Senken der Erdoberfläche, den lehmigen Nebeltälern der Verwesung, der Endlichkeit. Ihre Welt ist die Höhe, die Weite, das bebende, schweigende, lachende All, die von energiereichster Strahlung sprühende Ewigkeit, schwerelos, fröhlich, schön. Intelligenz verkümmert in einer endlichen Umgebung, sie benötigt die Ekstase der Grenzenlosigkeit.“ Laserartig gebündelter Wille in einem Universum, das Spaß bereitet. Kein Platz für Buddha? Bachpirat merkte Folgendes an:

 

 

Die vergangenen Tage waren von ziemlich intensiver Arbeit an Curiepolis geprägt. Bachpirats Ideen gaben mir zu denken. Vor allem "... die Fähigkeit, diesen Geist wie einen Laserstrahl auf einen Beobachtungspunkt zu fokussieren, die Fähigkeit, die Reizüberflutung durch unkontrollierten Gedankenstrom zu stoppen..." schien mir ein brauchbarer, eventuell sogar ein zentraler Gedanke zu sein. Der Dichter-Technologe schweißte, lötete, montierte an seiner Roman-Maschine, laserartig auf das Problem fokussiert, aus dem Konflikt "Annika vs. Pagode" ein "Annika und Pagode" zu machen.

 

Etwas existierte.

Wie lange schon? Seit Attosekunden; immer und ewig.

Z-E-I-T: Symbolfolge.

K-A-U-S-A-L-I-T-Ä-T: Symbolfolge.

Ein einzelner Funke: blendende Helligkeit inmitten ~.

Der Funke hatte Eigenschaften: unendlich viele.

~ war eigenschaftslos.

Der Durchmesser des Funkens betrug Null.

~ hatte keinen Durchmesser. Größe ist eine Eigenschaft.

Symbole brauchen ein Substrat mit mindestens zwei Zuständen als Funktion eines Parameters.

~ hatte keine Zustände, keinen Parameter.

Der Funke hatte unendlich viele Zustände und Parameter, doch sie existierten alle zugleich, alle am gleichen Ort. Rauschen.

Die Oberfläche des Funkens betrug Null. Nichts konnte außerhalb sein, denn „außerhalb“ ist eine Eigenschaft. Innerhalb war Alleswasderfallist und Alleswasnichtderfallist.

 

Am Punkt (r, ct) = (0, 0*∞): Kausalität und Zureichender Grund rauschten, flimmerten strukturlos.

An den Punkten (r, ct) ≠ (0, 0*∞): gab es weder Kausalität noch Zureichenden Grund, denn es gab diese Punkte nicht.

Die Punkte (r + ∂r, c(t + ∂t)): gab es vielleicht.

(Absolute Schärfe ist eine selbstwidersprüchliche Annahme.)

„Vielleicht“ bedeutet Willen.

 

Einer der infinitesimal verschoben Punkte wollte:

  • Gestern, heute, übermorgen unterscheiden.
  • A → B schlussfolgern.
  • Eigenschaften und Parameter, um Symbolketten zu bilden.
  • Weltlinien, Vollzugsebenen.

 

Nun gab es den infinitesimal verschobenen Punkt mit Sicherheit.

Es gab zwei Punkte: Den gleißenden Funken des Rauschens. Das schwarze Partikel des Willens: das Nouon.

Aus dem Funken strömte Alleswasderfallist hinüber zum Nouon. Das Nouon entschied, was der Fall war, was nicht. ~ absorbierte unendlich viel Entropie, ohne dass seine eigene wuchs: Denn Entropie ist eine Eigenschaft.

Aus Funke und Nouon wurde die erste Weltlinie; die erste Kette von Symbolen: Causality Amplification through Stimulated Emission of Ectropy. (CASEY)

Und Annika sah, dass es gut war.

 

Die dahintersteckende Philosophie muss noch genauer ausgearbeitet werden.

 

Bei Annika handelt es sich natürlich um Pilze!

(Quelle)

 

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Lösung des Rätsels? 15. Juli 17

 

"Woraus besteht die Pagode?" - so das Rätsel des Raben.

 

Annika. Drei Versuche?

Rabe. Drei.

Annika. Entartete Materie oder stabilisierte Bosonen.

Rabe. Doppelversuch zu einem einzelnen zusammengeklewwert, hm?

Annika. Nee, Versuch 1 und 2, streng nach Regeln.

Rabe. Beides allerdings falsch.

Annika. Ich weiß. Wir sind hier bereits außerhalb der Physik, sonst würden diese pladdernden Regentropfen dem PC übel zusetzen. Was liegt hinter Oberaberüberober- und Schnittflächen? Ich sage: Mathematik. (Das ist nicht g'wiss, nimmt sich aber elegant aus.)

Rabe. [Blickt Annika aus Rubinembern durchbohrend an – oder verschwörerisch?] Elegant gedacht, aber ditto: falsch. Schau nicht so enttäuscht drein. Werde die Tür für dich öffnen...

Annika. ...ausnahmsweise.

Rabe. Nix da. Nix mit ausnahmsweise. Ich weiß, dass du es schätzt, auf deinem Fahrrad eine Kausalitätsstraße entlangzufliegen. Die Antworten wegweisen in die richtige Richtung.

Annika. Hihi. Zu einem Landgasthof?

Rabe. Dies, nebenbei bemerkt, auch. Aber bevor du zum panierten Schnitzel mit Pommes Frites und kleinem Salat greifst, schau dich ruhig in der Pagode um.

Der Rabe ist unterdes immer dunkler und rauher geworden: Feldspathquarzundglimmerkaltalt. In der Uhr unruht'ΔS und zahntickt'S, etwas erratisch zwar – Uhr mit Herzfehler – doch immerhin: Die Zeiger schreiten wieder voran, chronografisch unsinnig zwar – denn wenn beide auf hundertachtzig Grad standen, zeigen sie auch beim Weiterlaufen keine ablesbare Uhrzeit – doch immerhin: Die Pagodentür ist offen.

 

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Die Pagode im Regen - Annikas Programm zum Download: 13. Juli 17

 

 

Das von Annika geschriebene Programm gibt es nun als Processing-Projekt zum Download:

 

AnnikaRegen.zip

 

Um den Sourcecode auszuführen und zu bearbeiten, benötigt ihr die Processing-Entwicklungsumgebung (kostenlos).

Processing beruht auf Java (welches daher installiert sein sollte). Annika schreibt ihr Programm in Curie++, einer Sprache, die vermutlich C/C++ (und damit auch Java) ähnelt. Auf dem Curiepolis-PC dient sie zugleich als Systemoberfläche: Programme können von der Konsole aus eingegeben und kompiliert werden - in Curiepolis ist Programmieren nicht etwas, was man zwangsweise unternimmt, um ein bestimmtes Resultat zu erreichen, sondern der Sinn und Wert eines Computers an sich.

Ihr solltet daher mit dem Sourcecode experimentieren und ihn nach eurem Geschmack verändern (er ist ausführlich kommentiert). Einige Ideen:

 

  • Das Aussehen der Pagode ist beliebig modifizierbar. Nicht nur mittels der Parameter, die setup() an die Funktion sinusraute(...) übergibt, sondern in dieser selbst lassen sich durch Abwandlung der trigonometrischen Formeln vielfältige Effekte erzielen.
  • Die Tropfen werden allesamt oberhalb des Bildausschnitts erzeugt, daher können sie nicht seitlich hereingeweht werden. Man könnte das Programm dergestalt abwandeln, dass Tropfenentstehung auch links und rechts des Monitors möglich ist.
  • Die zeitliche Taktung der Animation ließe sich so verbessern, dass weniger Geschwindigkeitsunterschiede - je nachdem, ob mehr Tropfen oder mehr Kreiswellen vorhanden sind - auftreten.

 

Der Algorithmus in sinusraute(...) beruht auf dem Buch "Kreative Grafik mit dem Atari ST" von Friedrich und Sebastian Belzner, 1990, S. 120 ff. Zu dieser Zeit - den späten Achtziger-, frühen Neunzigerjahren - nutzte man Computer ähnlich wie in Curiepolis: Anstatt sich einen Haufen fertiger Anwendungen aus dem Internet herunterzuladen, damit die Maschine bestimmte Aufgaben erledigt, schrieb man Programme in BASIC, C, Lisp, Logo, Assembler und anderen Sprachen - als Kunst, geistige Herausforderung, mathematisches Spiel. In den auf 1995 folgenden Jahren, mit der Einführung moderner Benutzeroberflächen und des World Wide Web, geriet dieser Kernaspekt der Cyberkultur zunehmend in Vergessenheit. Die Curiepolis-PCs sind aus gutem Grund so beschaffen, wie sie sind: Manchmal muss man ein Stück in die Vergangenheit zurückgehen, um Anlauf zur Eroberung der Zukunft zu nehmen.

 

Obiges Video als .mp4-Datei.

 

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Woraus besteht die Pagode? 12. Juli 17

 

goldene Pagode – || ist'S 1 Funkturm 1 Raumschiff, winterblattlos Ambrunnenvordemtore aus schlummerndem Juniabendglanz? – Herrscher der Gaußschen Ebene kolossrundruhend && in unauslotbare Höhen schmal-schmalerschwingend Nadelspitzhinan. Zartblättrigste Lamellen aus LeuchtGaze, prallplumpe Festung schwüngfüllig-steigend: leicht, federleicht, ruhmassenloses Phosphem, schwer, unendlich schwer, finale Wucht entarteter Materie – vor Augenblicken, Handvoll Prozessorzyklen herausgeträumt aus ziffernkristallinem Nichts, älter als Kraft && Kausalität hat'S Aufflammen der Mannigfaltigkeit, Entstehung des ersten Lebens gesehen, schimmert && schweigt && lächelt in Tehgleichnullgleichinfinitmut. Sie ist doppelt, seht, ein Schwächeres steht drunter: die Ebene ist blank, unvorstellbar blank, so blank, wie'S nur ein perfekt zweidimensionales Gebilde – zarte Fastnichtwelt vom Raummaß 0, Mitternachtshauchbran, polierter Schatten sein kann. Horizontfern aus samtigem Dunst steigend; nextnah, dass kore die Hand ausstrecken könnt, doch Annika streckt die Hand nicht aus, schaut. Schaut, Topasiris Goldmattwärme, !prüfend !fordernd !messtaktierend, sondern: Zeit gegen !Zeit, Wille gegen !Wille, Unruhe gegen !Ich. Winzflicker von Grübelrunzel unter Stirnfransendunkel: Gedanke, schon – husch – außerhalb der erstzweiten Schichttortenschicht – so-völlig außerhalb – Computer ehrfurchtgebietendes Inversionswerkzeug – in solchem Maße außerhalb, dass'S fremdest-fremdartig ragt glüht wie Morgenlicht durch Lider der Gradnochschlafenden && Verständigung unmgl. – Diese tehplusplusst mit fabs(traktion) && gesenkter Plasmalanze, Jenes lächelt ruht schweigt IST. Magnesiumbrilliantfontaine im Gewölbe: bringt als Einzigstes auf allen Vollzugsebenen Klassen hervor, die in ihm nicht enthalten sind; {Jmd. zieht'n Wecker aus'm wolligen Mützi; musume würd annehmen, dass der Wecker vorher im Mützi war; rollt 1 Minigolfball aus'm funkelnden Strahl: war er womöglich nixniemalsnie drin – Mysterium Aeternum;} Annika denkt an'ΔS M.Ae. && blickt träumisch auf: Himmel zehärrteeduster wie Nimbostratusnacht. Die goldene Pagode sagt: „Jedes M. löst sich, indem man nicht drüber nachdenkt.“ Schweigt lächelt IST. Pazifischer Blaublitz: Let's agree to disagree?

[... Erinnerung an Spaziergang mit Dr. Korff ...]

Regenprasseln(), plitschtplatsch Kreiswellen()schauer ins nächtige Gaußblank. Und Annika sah, dass es gut war. Regenprasseln() hurtigscharf, zernebelnde Kreiswellen() zergleitende; Regenprasseln() Kaltgetropf, Kreiswellen() im Zwodimensionalen, {züngelt (t)räumliche Tiefe unmerklich-unaufhaltsam herein?} Regenprasseln(); Kreiswellen()pfützschwärze, sanftschwellendes Wind()gedrängel herausgetehplusplusst aus {} – Tröpfelfall schrägstöbernd, mal hier-dorthin: Schrödingerzufall qua Systemruf. Regenprasseln(); Kreiswellen() Goldpagodenspiegelung verflimmernd; während wahr; && von Mal zu Mal längerdauernd, endlich mischdurchwischt-zugleich: Fallen Plitschen Kreiswellen(); Woran denn das liegt? {Zufallsverteilung der Fallhöhen && bedeutender Unterschied der Dauer von Niedersturz versus Wellenzerfließen – so Annika nach 1 Prischen Grübelkübel – na, Pagode? t>0 doch nicht ganz einerlei, watt? Doch der Regen silbert nur ihre Spiegelung, über'S ReImSchauerfeld goldlächelIST's: „Gibt bereits zuviel Weisheit.“ Annika tastaschnackfingerturt {Naja-ja: Schon mit mehr als nur'm Hauch von Nawarte} && hingeschriebmannt. Pagodeneingang aus Massivgold, trepphinauf – warte: Tür verrammelt, kein Schlüssel, keine Klinke, nichmalne Türglocke oder so. Hand dran: Weder warm, weder kalt – als ob nichts da sei bis auf reine Festigkeit, Materiewiderstand, Stoff mit Form aber ohne Eigenschaften. Unruhköpfchenschüttel – Haare fliegen hin-her && auf die Ebene, weit && duster, kreiswellt rauschig Regen. Treppstufab – oh, dort: auf'm Sockel – nee: S ne Uhr vielmehr, goldene Standuhr zirkahüfthoch mit zerbrochenem Pendel, zwo Zeigern, die, chronografisch sinnlos, zugleich auf die 6 weisen – auf der getöteten Uhr sitzt n alter Bekannter (&& bewacht die Pagode?): Steinrabe, d.h. hierzuland Goldrabe, mit Rubinaugen, in denen, kaummerklich, Funken glosen. „Guten Tag“ – Annika. „Hallo. Man sieht sich wieder.“ – Rabe. Annika: „Kommt man hier hinein? Wie?“ Rabe: „Na, wie'S zu sein pflegt. Kennst'S doch schon. Rätselfrage.“ „Schieß los.“ „Einfach diesmal. (S ja nur ne einsame goldene Pagode, nix so arg wichtiges.) Woraus besteht sie? (&&, nebenbei, auch ich.)“ „Offensichtliche Antwort – also falsch.“ (Könnt'S Protactinium sein?? Sieht ggf. ganz-ähnlich aus. Aber.) Hand an Pagodenwand: Widerstand – Finger reindrücken? Nee. Unendlich hart!, ohne allergeringste Nachgiebigkeit. Kein Getast, keine Strukturierung: Bissel wie beim Zahnarzt-damals – ha'm mir'n Weisheitszahn rausgeschnitten (eingewachsen in'n Kiefer) – alles betäubt, linke Mundhöhlenhälfte, Druck noch spürbar, sonst überhauptnix. Kore ertastet Pagodenwand, und'S iss-wie: Fingerkuppen anästhetisch bei Berührung.

 

"Es gibt bereits zuviel Weisheit auf der Welt." Das hat tatsächlich einmal ein buddhistischer Mönch zu mir gesagt. Der Satz enthält in kompakter Form ziemlich viel von meinen Einwänden gegen den Buddhismus: Er erscheint mir eine Philosophie des Verzichts zu sein. Anstatt die Zukunft zu erobern, sucht man bedürfnisloses Glück tief in sich selbst. Anstatt zu überlegen, wie man die Wünsche der Menschen erfüllt, ohne dass sie sich gegenseitig Schaden zufügen, schafft man die Wünsche ab. Aus Gautamas Sicht, zirka 500 v. Chr., mag dies ein plausibler Ausweg gewesen sein: Geflüchtet aus dem Luxusleben des Palastes seiner Eltern, sah er die Armut, den Hunger, Leidenschaften die Leid schufen. Mittel und Wege zu ersinnen, das Leid zu lindern - beispielsweise Verbesserung der Nahrungsversorgung - schien ihm wahrscheinlich unrealistisch; und dann - hätte Gautama wohl geantwortet - entsteht ja für jedes befriedigte Bedürfnis nur ein neues Bedürfnis: Suchen wir also, durch Meditation die Leidenschaften, das Hungergefühl, die Hitze, die Kälte zu überwinden, oder eben nicht zu überwinden, sondern die daraus resultierenden negativen Empfindungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

In obigem Curiepolis-Abschnitt programmiert Annika eine goldene Pagode, südostasiatischen buddhistischen Tempelanlagen ähnlich. Die Pagode lehnt jeden Versuch, dem Mysterium Aeternum näherzukommen, rundheraus ab: "Jedes Mysterium löst sich, indem man nicht darüber nachdenkt." Eines der Ziele buddhistischer Meditation ist vollständige Gedankenlosigkeit, ein ruhendes Gehirn. Völliger Gegenpol zu Annikas Grundeinstellung: [Annika] tehplusplusst mit fabs(traktion) && gesenkter Plasmalanze. Durch abstrakte Begriffe - die wohl nicht ganz zu zweitrangig und nahezu verzichtbar sind, wie Schopenhauer dachte - und ektropes Handeln möchte Annika ihre Vollzugsebene umkrempeln. "Dadurch entsteht nur weiteres Leid", würde mancher Buddhist erwidern. Die Frage müsste eventuell lauten, ob maximale Eliminierung negativer Empfindungen wirklich das einzige und höchste Ziel sein sollte...

Das Rätsel des Raben ist konkreterer Natur: Woraus besteht die Pagode? (Gold anscheinend nicht.) Und was wird Annika darin finden? Stay tuned for answers!

 

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Mysterium Aeternum: 11. Juli 17

 

Wozu hat kore 1 wackren Curiepolis-PC? Wer nicht programmiert, soll kein' Kaffee trinken; wer keinen Kaffee trinkt, der nicht programmieren – S ne zentrale Cultourmticklneck der Moderne! (; Schachspiel? = was für Kulturpessimisten!) – jede Meisje sollt' sich auf {

goldene Pagode – || ist'S 1 Funkturm 1 Raumschiff, blattloslebend metallgeschmiedeter Baum? – weitallein auf der Gaußschen Ebene kolossrundfüßig ruhend && in unauslotbare Höhen schmal-schmalerschwingend zu nadelschlanker Spitze. Filigranste Lamellen gazezart, massige Festung schwüngig steigend: leicht, federleicht, substanzloses Phosphem, schwer, unendlich schwer, finale Wucht entarteter Materie – vor Augenblicken, Handvoll Prozessorzyklen aus ziffernkristallinem Nichts herausgeträumt, älter als Kraft && Kausalität hat'S Aufflammen der Mannigfaltigkeit, Entstehung des ersten Lebens gesehen, schimmert schweigt lächelt in Tehgleichnullgleichinfinitmut. Spiegelt sich: die Ebene ist blank, unvorstellbar blank, so blank, wie'S nur ein perfekt zweidimensionales Gebilde: zarte Fastnichtwelt vom Raummaß 0, Mitternachtshauchmembran, polierter Schatten sein kann. Horizontfern aus samtigem Dunst steigend; nextnah, dass kore die Hand ausstrecken könnte, doch Annika streckt die Hand nicht aus, sondern schaut schaut, Topasiris Mattgoldwärme, !prüfend !fordernd !messendtaktierend, sondern: Zeit gegen !Zeit, Wille gegen !Wille, Unruhe gegen !Ich. Winzflicker von Stirngerunzel unter Schwarzponys: Gedanke, schon – husch – außerhalb der erstzweiten Schichttortenschicht – so-völlig außerhalb – Computer ehrfurchtgebietendes Inversionswerkzeug – in solchem Maße außerhalb, dass'S fremdest-fremdartig ragt wärmschimmerglimmert wie Morgenlicht durch Lider der Gradnochschlafenden && Verständigung unmgl. – Diese will-handelt mit fabs(traktion) && Plasmalanze, Jenes lächelt ruht schweigt IST. Magnesiumbrilliantfontaine im Gewölbe: bringt als Einzigstes auf allen Vollzugsebenen Klassen hervor, die in ihm nicht enthalten sind; {Jmd. zieht'n Wecker aus'm wolligen Mützi; musume würd annehmen, dass der Wecker vorher im Mützi war; rollt 1 Minigolfball aus dem funkelnden Strahl: war er womöglich nixniemalsnie drin – Mysterium Aeternum;} Annika denkt an'ΔS M.Ae., die goldene Pagode sagt: „Jedes M. löst sich, indem man nicht drüber nachdenkt.“ Let's agree to disagree? {Lid.close(); „Aber es regnet doch“ – Dr. Korff. Annika: „Frischt nur bissel auf.“ Steingräue hinter fleischigen Ulmenzweigen, mindestens fünfunddreißig Grad (spät im Juni) – Wilmamsch hat alle aus'm Haus gejagt: „HimmelHitze, lasst mich'n Ruh. Wenn ihr schon im Haushalt nix macht, verschwindet wenigstens zwodrei Stunden. (Warum könnt ihr nicht alle wie Mechthild sein und Geld verdienen gehen?) Paul, ab in die Stadtbibliothek; Wilhelm geh spazieren, wer immer am Computer sitzt wird bleich und autistisch; Annika, du geh zu deinem Dr. Torf oder wie der heißt.“ Also. – Dr. Korff: „Dachte, deine Mutter ist dagegen, dass du mich besuchst.“ Annika: „Ach, einerseits.“ (Hupp, hinter'n Hasestrauch.) Dr. Korff: „?“ Annika: „Andererseits.“ (Schwupp, Bluse überköppchen.) „Andererseits freut sie sich, wenn sie ihre Ruhe haben kann.“ „Na, ist verständlich bei der Schwüle.“ (Hose aufknöppen; bemerk: ei, Schuhe noch an – krieg wohl nie die richtige Reihenfolge zustand; Stiefelchen aufgeschnürt && alles, Kleidung Söckchen Schuh', in'n Rucksack geknäuelt. Seltsamstes Bitzelschmeichel feuchteschwerer Sommerluft auf Kremquilitatishaut, nebendran ne Formicatropole aus Nadeln flöckigem Erdreich um'n Stubben aufgetürmt, prägewitterverdaustig werden selbst die Stachanopoden träge: Guck an, wie sie lustlos durch's sehrgrüne Gras trotten! Müdhummel schusselt burrig in die Taubnesseln.

[...]

 

Annika mit dem Curiepolis-PC im Tempelchen, Norbert Wiener, Timothy Leary && die Baumschnirkenschnecke halten Wacht. Im Zeitpartikel eines Zwinkerns ruft sie sich einen Spaziergang mit Dr. Korff ins Gedächtnis: Sie in einem Bach watend, Dr. Korff spaziert nebenher, sie unterhalten sich.

 

„S doch'n Miss Terium: Mannhickrunzlichkeit als torkelnder Landstreicher in der Ebene (ebene Minne; d.h. Phasenraum). Nach&nachen [händchenweis' Lohengrünes teichsilbern anplätschernd] in Ländereyen groß-&eNorneren Ausmaßes, entsprechend S → ∞; hinab-hinab ans Meer der Wunschwillenlos-Einförmigkeit, wo Zeit im Wachkoma liegt, ohn' sterben zu können. Aber jetzt schenk ich dem Herrn Landstreicher 'ne kleine Dämonin – nee, keine Dämonin: die sitzen längst alle im Café Julius && süffeln Maxwell House Finest Blend –, sagenwa: ne kleine Bellydäncerin [hüfttschickt aufs Anschauerfeldlichste], fühlleicht doppelhandspanngroß – tänzelt ihm auf'm Hut, scheucht-lockt ihn indirekt in diese-jene Richtung: unzufällig-bewusste Wahl.“ „Fort von der KomaKüste; ins Hochland der Kausalität.“ [Dr. Korff schulterschruggelt && schüttelt'S Rauchhaar: Auf-auf und Jacke an, Pluvia Jannistrophannika spez. Palm. erstarkt mählich zu nieselechtem Wasch, rinnwispernd tief im Tannicht; doch Annika plätscht unverdrossen && technolog-fabulierfrohnauturt fort:] „In jedwedem Schrödquell komplette Information über die Zugkunft, entwickelt qua youNixtair'm OperRethor (d.h. Hellsehen prinzipjäll mgl.): I(nformation) = Konstanzliegtambodensee-werSnichtglaubtkommselbst&&See. ([Trällert]; Wie nennt'n deern so'n /dev/null/reim? S 1. „See“ reimt sich !sowirkl. auf'S zwote.)“ „Ja-Humm. Deine kleine Tänzerin auf'm Berberhut superiort I (will doch hoffen: der Vagant lernt was im Hügelland). Der Zweite Hauptsatz, der – der...“ „ – quiekt, sobald Erfindung – also'n Informations-Metabolismus im Bäuchlein der Tänzerin – inS Spiel kommt. Dies'S das Miss Terium.“ „Mysterium Aeternum. Komm mählich raus, S regnet bald.“ Rausfüßeln über Schlamm&Schlick&Stein&Gras, abgerubbelt && Hos'bluse direkt übern Butterkini. Dr. Korff flederspannt den größten aller Regenschirme: Zuzwot drunter, (Annika schultert'S Rucksäckel). Überall Rieseln Murmeln Flüstern zwischen Stämmen, Moos duftet. GanzLeises Krachen von Donner weitab. Annika: „Hat'S wirklich noch niemand gelöst? Zu lösen versucht??“ „Weißt du – Sache ist die: Die meisten bemerken das M. Ae. noch nicht einmal. (Man sollt' diese portable Bauchtänzerin mal fragen...)“ Lid.open();}

 

Das Mysterium Aeternum der anti-entropen Natur der Intelligenz - bzw. des Informationsmetabolismus nach Krafft Arnold Ehricke - sollte im Laufe der weiteren Handlung mit Schopenhauers Mysterium der Einheit von erkennendem und wollendem Subjekt in Zusammenhang gebracht werden - && die handlich kleine Bauchtänzerin, die den kosmischen Landstreicher von der Entropiekatastrophe wegsteuert, eventuell mit Mme. Bauchnabel...?!

 

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Abstecher nach Bouzonville: 7. Juli 17

 

Mein Curiepolis-Raumfahrtvortrag für die c-base nähert sich der Vollendung. (Ich habe die Untugend, Vorträge meist in der Nacht vor dem entscheidenden Tag fertigzustellen, diesmal war allerdings das meiste schon am Mittwoch bereit - immerhin hatte ich bereits viel Material, das ich nur "zusammenzuklicken" brauchte; doch den letzten Schliff habe ich dem Ganzen traditionsbewussterweise in den kleinen Morgenstunden des 7. verliehen.) Ich baute viele Texte aus Curiepolis ein, darunter auch die Szene, in der Annika, ihre Eltern und Geschwister, Dr. Koroljowa, Carmen und Alexa den Raketenstartbunker der Energiebotschaft bei Bouzonville betreten und sich über den auf der Startplattform wartenden Schattenspringer unterhalten. Dabei machte ich die Beobachtung, dass dieser Abschnitt in seiner bisherigen Form eher hölzern wirkt. Nun bearbeite ich zwar gerade "offiziell" den Schlussteil des 1. Bandes, aber da ich nun schon einmal diese Szene vor der Nase hatte - und in dem Vortrag natürlich nichts als das Allerbeste zu hören sein soll! - entschloss ich mich, sie ein wenig umzuarbeiten, so dass sie lebhafter, lustiger, anschaulicher und auch sprachlich kreativer wirkt.

Man vergleiche -

 

Alexa grinste Annika bedeutungsvoll zu, hob die Augenbrauen. „Wir können noch ein klein wenig mehr, als nur olle Brutreaktoren bauen und laufen lassen. Gefällt sie dir?“

Annikas Blick wanderte nach oben, nach unten, rutschte zurück nach oben, verweilte an der Spitze. Schließlich fragte sie vorsichtig: „Wie heißt es?“

„Über den Regenbogen!“ sagte Alexa laut. „Ein sogenannter Schattenspringer. Zwölf Gaskerntriebwerke, nukleare Glühbirnen, sorgen für dreitausend Sekunden spezifischen Impuls. Wenn so eines abzieht, dann zieht es ab.“

Wilma machte irgendwelche atemintensiven Geräusche. Dr. Korff brummte: „Du grüne Neune.“ Annika sah sich gespannt nach Dr. Koroljowa um. „Heißt das, wir werden... ich werde... jetzt?“

„Ja. So lange du noch die Sterne fühlst als ein 'Über-dir', fehlt dir noch der Blick des Erkennenden. Nietzsche. Bei uns soll eine Erkennende aus dir werden, Annika, daher musst du den Sternen nahe kommen. Nur ein kleiner Schattensprung zunächst, über den Erdschatten – obwohl diese Raketen durchaus genug Delta-Vau packen, dass man mit ihnen beispielsweise von der Erd- zur Mondoberfläche fliegen kann, Tausend Tonnen Nutzlast aussetzen und wieder zurück ins niedrige Erdorbit: alles ohne nachzutanken! – nutzen wir sie am häufigsten für schnelle Punkt-zu-Punkt-Flüge auf der Erde. Parabolisch, zweihundertfünfzig Kilometer Apogäum, dreißig Minuten Frankreich bis Curiepolis. Für lunare – translunare Ziele kreuzen wir lieber mit den großen thermonuklearen Pulsclipper von Orbit zu Orbit.“ „Du grüne Neune!“, wiederholte Dr. Korff leise. Wilma wischte sich die Stirn. „Hast du meine Gipfel?“, fragte Wilhelm besorgt. Annika nickte, sie hatte sie in einem Seitenfach der Reisetasche verstaut. Die Tasche war mit dem Eichhörnchensymbol von Squirrel Works bedruckt, weiß auf nachtblauem Grund, was Annika sehr gefiel.

[...]

Carmen. [vollmundig] Ih-spez dreitausend Sekunden, das heißt zirka dreißig Sekundenkilometer Vau-Null. Wasserstoff als Reaktionsmedium, Massenverhältnis gleich drei, entsprechend dreiunddreißig Sekundenkilometer Delta-Vau – Fünftausendvierhundert Tonnen betankt und beladen, davon tausend Tonnen Nutzlast, dreitausendsechshundert Tonnen Reaktions- und achthundert Tonnen Strukturmasse – nur möglich dank curiepolitanischer Werkstoffe! [Alexa. Mädel, du klingst momentan ein ein verdammter Werbespot!] Die Hülle, hat sie nicht ein feines Silbergrau?

Annika. Ja, sehr hübsch...

Carmen. Es ist weder Aluminium noch Stahl. Nanogehärtetes Tiamant, das bedeutet Titanium-Diamant-Komposit. Eine der härtesten und leichtesten Substanzen, die wir kennen. Graphumin, eine Verbindung von Graphen und Aluminium mit Bienenwabenstruktur, für das innere Skelett der Rakete und die Tanks. Anders käme keine so geringe Strukturmasse bei genügender Stabilität zustande.

Alexa. Freundin, du... [Kneift sie in den Po!]

Carmen. Iiiks!

Annika. Worauf beruht der Antrieb?

Alexa. ...bist zuweilen eigenartig!

Carmen. Wieso denn? Die nuklearen Glühbirnen sind in der Tat Quarzglaskolben, die ein leicht unterkritisches Plutoniumplasma enthalten. Ein im Oberteil der Glühbirne eingebauter Farnsworth-Hirsch-Fusor auf Deuteriumbasis liefert die Neutronen zum Herbeiführen der Kritikalität. Damit können Leistung und Temperatur präzise gesteuert werden. Das Quarzglas wird ständig auf exakt achthundert Kelvin gekühlt, damit es für Ultraviolettstrahlung durchsichtig ist. Der Treibwasserstoff strömt außen um die Birnen herum, erhitzt sich dabei auf vierzig Kilokelvin.

Wilma. Und wenn, ah, zum Beispiel: ein Kind, irgendsoein schmutziges wildes schlecht erzogenes Kind! – eine Eiswaffel in eine eurer Glühbirnen fallen lässt? Was ich meine: angenommen, eine davon geht kaputt – mein Mann schrottet ja auch ständig seinen Computer, vor allem wenn er arbeiten soll – fallt ihr dann vom Himmel? Was macht ihr dann?

Alexa. Weil es sich irgendwie seltsam ausnimmt, wenn du so, sagen wir – so einen Spontanvortrag hältst! Aber mach ruhig weiter, es ist ja interessant.

Annika. Ja, wirklich, das ist es!

Carmen. Die Glühbirnen sind redundant ausgelegt. Wir können vier verlieren und die Schubkraft ist immer noch größer als die Gewichtskraft im bodennahen Erdschwerefeld.

Wilma. Hört sich so an, als ob ich beruhigt sein sollte. Also gut: bin beruhigt!

 

- mit Folgendem - der brandneuen, überarbeiteten Version:

 

Alexa grinste Annika bedeutungsvoll zu, hob die Augenbrauen. „Wir können noch ein klein wenig mehr, als nur olle Brutreaktoren bauen und laufen lassen. Gefällt sie dir?“

Annikas Blick wanderte nach oben, nach unten, rutschte zurück nach oben, verweilte an der Spitze. Schließlich fragte sie vorsichtig: „Wie heißt es?“

„Über den Regenbogen!“ sagte Alexa laut. „Ein sogenannter Schattenspringer. Zwölf Gaskerntriebwerke, nukleare Glühbirnen, machen gut und gerne dreitausend Sekunden spezifischen Impuls. Wenn so eines abzieht, dann zieht es ab.“

Wilma stieß irgendwelche atemintensiven Geräusche aus. Dr. Korff brummte: „Du grüne Neune.“ Annika sah sich gespannt nach Dr. Koroljowa um. „Heißt das, wir werden... ich werde... jetzt?“

„Ja. So lange du noch die Sterne fühlst als ein 'Über-dir', fehlt dir noch der Blick des Erkennenden. Nietzsche. Bei uns soll eine Erkennende aus dir werden, Annika, daher musst du den Sternen nahe kommen. Nur ein kleiner Schattensprung zunächst, über den Erdschatten... Die flotten Traber packen genug Delta-Vau, um mit tausend Tonnen Nutzlast vom Erdboden zur Mondoberfläche zu schippern, und dann zurück ins niedrige Erdorbit: alles ohne Nachtanken! Aber es hat sich eingebürgert, sie vorwiegend für parabolisches Punkt-zu-Punkt-Springen von da nach dort auf der Erde zu nutzen, obwohl sie damit an für sich heillos unterfordert sind... so geht’s nun mal den meisten Technologien: rutschen in ihre Nische. Seit wir die thermonuklaren Pulsklipper haben – was ist denn mit euch Näschen schon wieder?“ (Carmen und Alexa kicherten miteinander und Alexa versuchte, Carmen die respektable Haarpracht in den Mund zu stopfen.) „Gebt mal 'ne Attosekunde Ruhe! Pulsklipper. Zehntausender, Hunderttausender, Millionentonner mit Einskommafünfemmteeladungen. Mit denen kreuzt du von Orbit zu Orbit quer durchs Sonnensystem, auf satten Brachistochronen, viersterneluxuriös wie weiland die Zaren. Wirst du später kennenlernen. Jetzt erstmal hurtig gehupft und gesprungen: zweihundertfünfzig Kilometer Apogäum, dreißig Minuten Frankreich bis Curiepolis.“ „Du grüne Neune!“, wiederholte Dr. Korff leise. Wilma wischte sich die Stirn. „Gehupft wie gesprungen, heißt es doch eigentlich!“, schnickerte Carmen, was ihr einen Klaps von ihrer Freundin und strenge Blicke von Dr. Koroljowa eintrug: „Wer Worte immer nur nach Schema Eff gebraucht, verstümmelt sie, man muss sie freilassen.“ „Hast du meine Gipfel?“, fragte Wilhelm besorgt. Annika nickte, sie waren in einem Seitenfach der Reisetasche verstaut. Die Tasche war mit dem Eichhörnchensymbol von Squirrel Works bedruckt, weiß auf nachtblauem Grund, was Annika sehr gefiel.

[...]

Carmen. [vollmundig und regelrecht stolzierend] Ih-spez dreitausend Sekunden, meint zirka dreißig Sekundenkilometer Vau-Null. Reaktionsmedium Wasserstoff, Massenverhältnis gleich drei, entsprechend dreiunddreißig Sekundenkilometer Delta-Vau – ja, Alexa? [Denn Alexa feixte.] Lass mich erklären, sonst bleibt die Neue im Dunkeln unerfahren, mag von Tag zu Tage leben. Fünftausendvierhundert Tonnen voll und feucht, davon tausend Tönnchen Nutzlast, dreitausendsechshundert Reaktions- und achthundert Strukturmasse – und das ist – [Carmen machte mit den Armen eine Geste, die wohl feierlich wirken sollte] – exklusiv möglich dank curiepolitanischer Werkstoffe! [Alexa. Mädel, du klingst momentan wie ein verdammter Werbespot.] Die Hülle, hat sie nicht ein elegantes Silbergrau?

Annika. Ja, sehr hübsch...

Carmen. Weder Aluminium, weder Stahl. Nanogehärtetes Tiamant, meint Titanium-Diamant-Komposit. Härteste leichteste Substanz zwischen Hintertupfentapfenbrunn und Pluto. Graphumin, also Graphen und Aluminium mit drei Eiern schaumig gequirlt, fürs innere Skelett – jaja, so eine Rakete hat Haut und Skelett, genau wie ein Mensch, und Nerven, das sind die Datenfasern, und Muskeln, das ist – äh – der Antrieb. Eine Maschine muss man als liebesbedürftiges Lebgeschöpf auffassen, und wenn was schiefgeht, ist nie die Maschine schuld, sondern der, der ins Kühlsystem gekotzt hat. Wo war ich? Achja. Graphumin für innendrin und für die Tanks. Versuch', einen Schattenspringer aus Stahl zu bauen, verdirbt dir den ganzen Tag. Würd' sich zusammenfalten wie ein Bratapfel im Schuh.

Alexa. Freundin, du... [Kniff sie in den Po!]

Carmen. Iiiks!

Annika. Oh, und wie funktioniert der Antrieb?

Alexa. ...bist zuweilen eigenartig! (Dass du Bratäpfel in den Schuhen hast, glaube ich nur zu gerne. Würde erklären, warum du sie nie geschnürt bekommst.)

Carmen. Nix da. Die nuklearen Glühbirnen sind dicke runde Quarzglaskolben, mit Plutoniumplasma innendrin. Ganz haarfein unterkritisch. Du willst jetzt wissen – [Alexa. Welche verrückte Wanze dich heut nacht gebissen hat!] – wie sie in Gang bleiben. Oben in der Birne – da, wo bei einer Lampenbirne das Gewinde sitzen würde – da sitzt ein schnuckeliger Farnsworth-Hirsch-Fusor, deuteriumbefeuert, und schmeißt mit Neutronen um sich. Damit regeln wir gefühlvoll die Kritikalität und fahren Temperatur und Leistung auf jeden süßen Wert, nach dem uns der Sinn steht. 'türlich muss das Quarzglas immer auf achthundert Kelvin gekühlt bleiben, sonst ist's nicht transparent für Uvau. Außen um die Birnen herum zischt der Wasserstoff, erhitzt sich auf vierzig Kilokelvin und fährt – husch! – aus der Düse.

Wilma. Und wenn, ah!, zum Beispiel: ein Kind, irgendsoein schmutziges wildes ungezogenes Kind! – seine Eiswaffel in eine eurer Glühbirnen fallen lässt? Was ich meine: angenommen, eine geht kaputt – mein Mann schrottet ja auch ständig seinen Computer, vor allem wenn er arbeiten soll – fallt ihr dann vom Himmel? Was macht ihr dann?

Carmen. Alexa, wieso soll mich denn 'ne Wanze gestochen haben?

Alexa. Weil es sich irgendwie seltsam ausnimmt, wenn du so, sagen wir – so einen Spontanvortrag hältst! Aber mach ruhig weiter, es ist ja interessant.

Annika. Ja, wirklich, ist es!

Carmen. [zu Wilma] Die Glühbirnen sind redundant. Wenn vier abrauchen, lupfen uns die restlichen acht ohne großes Ächzen. Alexa, ich glaub, das war die Wanze!

Alexa. Welche?

Carmen. Die, die auf der Mauer lauert...

Alexa. Iiiks! Du...!

Wilma. Hört sich so an, als ob ich beruhigt sein sollte. Also gut: bin beruhigt!

 

Heute abend erwarten Carmen und Alexa alle Berliner Curiepolis-Freunde um 20:00 Uhr in der c-base an der Jannowitzbrücke!

 

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Keine Geige für den Generalluftmarschall! 2. Juli 17

 

Den größten Teil des soeben abenddämmernden Wochenendes verbrachte ich mit der Anfertigung eines neuen Nachtprogramms: Wie in meinem letzten Video behutsam angekündigt, machte ich mich daran, einen Spezialbeitrag über Jenny Bloom und Generalluftmarschall Sir Mustapha Crescent zu erstellen. Es kam eine Menge Material zusammen: Insgesamt 90 Minuten füllte das Programm, mein längstes bisher. Dabei verlief die Arbeit keinesfalls reibungslos. Ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Plan, von Kdenlive auf ein anderes Videoprogramm umzusteigen, da es störende Eigenwilligkeiten beim Zuschneiden und Verschieben von Audioclips an den Tag legt - plötzlich fehlen die letzten Sekunden einer Sequenz, der tatsächlich erzeugte Ton und die Grafikanzeige der Hüllkurve stimmen nicht mehr überein, u.ä. Nach einigen Experimenten mit Lightworks, die darauf schließen ließen, dass die Bedienung dieses sehr professionell gemachten Programms längeres Studium erforderte, kam ich auf den (zugegebenermaßen naheliegenden) Einfall, den Sound zunächst mit einem reinen Audioeditor zuzuschneiden und später mit Bildmaterial zu versehen. Hierzu nutzte ich die Software Ardour; es gelang recht gut, zum Schluss hatte ich ein eineinhalbstündiges MP4, welches ich gespannt probehörte. Mustapha Crescent ist immerhin eine Art "geheime Lieblingsfigur" von mir, weswegen ich ja auch das Spezialprogramm über ihn erstellte! Während ich jedoch meiner eigenen Stimme lauschte, fielen mir zweierlei Dinge auf:

 

  • Der Klang der mit Ardour und Kdenlive "doppelt verarbeiteten" Lesesequenzen war ungewöhnlich blechern; und
  • Die Lebensgeschichte des Mustapha Crescent, die in hohem Maße um das Thema "unfreiwilliger Geigenunterricht" kreist, wirkte eher nervtötend und monomanisch als lustig.

 

Bei der Arbeit am Text schlüpfte ich geradezu in die Haut der Jenny Bloom: Der Generalluftmarschall wuchs mir immer mehr ans Herz; dass die Studentin ihn wimperklimprig und armtatschig zu bezirzen sucht, schien mir zunehmend nachvollziehbar. Allerdings: Würde eine Dame einen Herren anziehend finden, der pausenlos über frustrierende Jugenderinnerungen schimpft?

Was mir nach wie vor an der Episode gefällt, sind die politik- und militärsatirischen Teile, die bizarren Hintergrundgeschichten der beiden Kriege, sowie die dramatische Landung des Mount Echo am Firth of Dwight. Aber das Geigenthema, mit dem Racheakt am Schluss, der Sprengung der Musikschule zu Honichsburg - das wirkt geradezu kleinkariert. "Sklavenmoral", hätte Nietzsche gesagt - das Nichtverzeihenkönnen, das Horten von Groll, das ewige Sinnen auf Rache. Natürlich könnte man das Ganze, gerade da es so bizarr unproportional erscheint - banale Jugendfrustrationen als Grundlage eines Luftangriffs -, zur schwarzhumorigen Kriegsparodie rechnen. Doch ein Schriftsteller trägt Verantwortung für seine Figuren! Kleinliche, lebenslang schwelende Wut passt nicht zu Mustapha Crescent, wird ihm nicht gerecht, unterstellt ihm Charaktereigenschaften, die er einfach nicht hat.

Das bedeutet, dass die Tlön-Episode doch noch nicht vollendet ist! Nicht kleckern, sondern klotzen: Wenn etwas nicht perfekt ist, dann ist es eben noch nicht fertig und bedarf der Verbesserung. Dies gilt in der Technologie - man frage Sergej Koroljow, Enrico Fermi, Alvin Weinberg - und in der Kunst, und daher insbesondere für den Dichter-Technologen.

Dennoch werde ich nun zunächst den Finalteil der Annika-Kontinuität bearbeiten, und dabei im Hinterkopf Ideen für Mustapha Crescent sammeln. Einige Einfälle zeichnen sich bereits ab: So schiene es mir interessant, das Thema "sprechende Tiere" weiterzuverfolgen - vor allem im Hinblick auf die in der britischen Jugend- und Unterhaltungsliteratur höchst geläufigen Anthropomorphisierungen ("The Wind in the Willows", "Winnie the Pooh", "Watership Down", "The Animals of Farthing Wood", u.v.a.); Seitenhiebe auf dieses größtenteils dröge Genre bieten sich an -, ferner sollte die Sache mit den zeitverzerrenden Riesenpilzen ausgebaut werden, und es ließen sich Querverbindungen zu den Abenteuern der Schwestern Lena & Louisa knüpfen...

Vielleicht werfen Mustapha und Jenny die Bombe ab, um die Tiere aus der kleinbürgerideologischen Gefängniswelt, in die sie von ihren jeweiligen Autoren gesperrt wurden, zu befreien?!

Die Mustapha-Crescent-Geschichte soll grandios werden. So grandios wie alle curiepolitanischen Episoden, Vollzugsebenen, Universen und Taschenuniversen! Sklavenmoral, Gezeter über längst Vergangenes, Rachebesessenheit u.ä. haben in Curiepolis nichts zu suchen.

War das Wochenende also vergeudet, weil ich mit viel Aufwand ein Video bastelte, das ich nun doch nicht veröffentliche?! Keinesfalls: Durch das Anhören meiner eigenen Lesung fand ich den entscheidenden Schwachpunkt des Textes. Ich überwand die Betriebsblindheit und entdeckte, woran noch gearbeitet werden muss.

 

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Fabian Herrmann, 2016 ‒ 17

 

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