Stade in den achtziger Jahren: wirtschaftliche Entwicklung
Zu Beginn der achtziger Jahre ist die Industrieansiedlung weitgehend abgeschlossen. Stades Industrie tritt in eine Phase der Konsolidierung und des inneren Ausbaus ein. Von Zeit zu Zeit lassen angekündigte Stellenstreichungen ahnen, dass die Phase des ungebrochenen Wachstums vorüber ist.
Unter dem Eindruck der Umweltschutzbewegung setzt ein intensives Nachdenken über die Folgelasten industriellen Wachstums ein: Die Euphorie, welche die Industrieansiedlung anfänglich begleitet hatte, weicht einer kritischen Sicht, die bis zur offenen Ablehnung reicht.
Richtet sich der Protest zunächst gegen die chemische Industrie und damit verbundene Umweltrisiken, so erhalten die Gegner der Kernenergie nach der Tschernobyl-Katastrophe im April 1986 starken Zulauf. Im Mai demonstrieren vor dem Schwedenspeicher 1500-2000 Menschen gegen die Kernenergie. Vorerst ermöglichen die CDU/FDP-Regierungen in Bund und Land den weiteren Betrieb des Kernkraftwerks. Das Ölkraftwerk Schilling hat dagegen ausgedient. Es wird 1984 stillgelegt.
Dow Chemical:
Dow Chemical erweitert in den achtziger Jahren seine Produktpalette. Weitere Anlagen werden – zumeist begleitet vom Widerstand der Umweltbewegung – in Betrieb genommen. Am 8. März 1982 blockieren Elbfischer den von Dow genutzten Schiffsanleger am Bützflether Sand, um auf eine vermeintliche Elbverschmutzung durch das Werk hinzuweisen. Dow reagiert auf die öffentlichen Debatten mit Investitionen in Technologien, die die Abfallmengen – unter anderem des anfallenden Klärschlamms - drastisch reduzieren. Nachdem der anfallende Klärschlamm kurzzeitig auf die Sondermülldeponie Schönberg (DDR) verbracht worden ist, entschließt sich das Unternehmen zur vollständigen Eigenentsorgung der anfallenden Abfälle mit Hilfe neuer Verfahren.
Ein neues Verwaltungsgebäude wird 1985 am Westeingang des Geländes eingeweiht. Gemeinsam mit den VAW droht das Unternehmen 1986 mit der Schließung des Werkes für den Fall der sofortigen Stillegung des Kernkraftwerks Stade. 1987 hingegen deutet sich eine Fortsetzung des Expansionskurses an. Dow kündigt Investitionen von 900 Mio. DM und die Schaffung von 600 Arbeitsplätzen an.
AOS und Hydro Aluminium:
Die AOS errichtet im Stader Moor eine Rotschlammdeponie, denn eine Verklappung des Rotschlamms, der bei der Gewinnung von Aluminiumhydroxid aus Bauxit übrig blieb, in der Nordsee kam wegen der geringen Wassertiefe nicht in Frage. In den achtziger Jahren war die Deponie umstritten, heute ist sie nach der Deponieverordnung klassifiziert und hält Kapazität für weitere 15 Jahre bereit. Sie entwickelt sich wider Erwarten im Laufe der Jahre zu einem wertvollen Biotop für Fauna und Flora.
Kernkraftwerk:
Stade profitiert als einer der ältesten Standorte atomarer Stromgewinnung davon, dass die Zentren der seit den siebziger Jahren anwachsenden Anti-Atomkraft-Bewegung am anderen Elbufer (Brokdorf) liegen. Erst 1986 kommt es aus der Region heraus zu größeren Protestkundgebungen.
Die Vernetzung der Industrieunternehmen an der Elbe schreitet fort: Seit 1984 verbindet ein Wärmetauscher das KKW mit der Saline: Anfallende Wärme des Kraftwerks wird zur Salzerzeugung genutzt. Seit 1987 fördert die Saline Salz aus einem Salzstock bei Harsefeld.
Airbus:
Der Stader Flugzeugproduktion geht es in den achtziger Jahren gut. Das 200. Bauteil für die Fokker 28 verlässt am 23.11.1982 das Stader Werk. Seit 1983 werden alle Airbusse mit Heckleitwerken aus Stade ausgerüstet. Die Mitarbeiterzahl erhöht sich im Laufe des Jahrzehnts von 900 auf 1400. 350 von ihnen waren zuvor arbeitslos.
Die Kehrseite industriellen Wandels: 1986 meldet die Holzhandlung Hagenah-Borcholte in der Altländer Straße Konkurs an. Das Unternehmen steht für eine Vielzahl mittelständischer Betriebe, die in den letzten 20 Jahren aus dem Stadtbild verschwunden sind. Für die Stadtplanung bedeutet dies: eine große, stadtnahe Fläche kann in die Entwürfe für eine Stadterweiterung einbezogen werden. Mit dem NOGA-Werk meldet 1987 ein weiteres Traditionsunternehmen Konkurs an: An der Bremervörder Straße, wo damals noch die alten Gebäude des NOGA-Werks standen, wird 2000 ein Alten- und Pflegeheim errichtet. Erhalten blieb einzig das Pförtnerhaus, das einem Stadtschreiber zur Verfügung gestellt werden soll.
Die Stadt Stade in den achtziger Jahren
Für die Stadt Stade sind die achtziger Jahre eine Zeit des Wohlstandes. Dank der Gewerbesteuereinnahmen durch die neuen Industriebetriebe stehen reichlich Mittel für die Stadtentwicklung bereit.
Gewerbesteuern der Stadt Stade 1974 – 2004:
Die in den siebziger Jahren begonnene Sanierung der Altstadt wird jetzt zielgerichtet vorangetrieben. Doch nicht nur alte Bausubstanz wird wiederhergestellt: Neue Verkehrsprojekte verbessern die Infrastruktur. Während über den Bau der A 26 wie schon im Jahrzehnt zuvor immer noch heftig diskutiert wird, entlastet die Ende 1987 fertiggestellte Ostumgehung das Stadtzentrum vom Verkehr in die Industriegebiete und nach Kehdingen.
Zugleich stellt das Anwachsen des Autoverkehrs die Stader Innenstadt vor immer größere Probleme. Neben der Restaurierung weiter Teile der historischen Altstadt werden wichtige modernisierende Verkehrsprojekte wie die Hansebrücke oder der Fußgängertunnel in der Bahnhofstraße vollendet. Nach dem Motto "Erhaltung und Modernisierung" wird Stade vom verschlafenen Provinznest zu einer Perle der Niederelbe und gewinnt beträchtliche Attraktivität für Touristen von nah und fern. Stades Altstadtsanierung erhält zahlreiche Landes- und Bundesauszeichnungen.
Auch der Bau eines Tagungs- und Kulturzentrums Stadeum auf den Westphalschen Wiesen zeigt, dass Tradition und Fortschritt kein Widerspruch sein müssen: In der Öffentlichkeit zunächst heiß diskutiert, ist es heute aus dem kulturellen Leben der Region nicht mehr wegzudenken.
Die Planungen für eine Hochhaussiedlung am Schwabensee werden nur zu einem Teil Wirklichkeit. Zu Beginn der achtziger Jahre entsteht zwischen Harburger Straße und B 73 ein Wohngebiet, das den Versuch darstellte, Mensch und Umwelt zu versöhnen. Daneben schreitet die Bebauung des Hohenwedel fort.
Im einzelnen profitiert das Stadtbild von folgenden Projekten: