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Griechenland: Flüchtlinge bevorzugen den "Status" der Illegalität

von Claudia Tunsch

Flüchtlinge in Griechenland bevorzugen es, im Stand der Illegalität zu leben, weil es für registrierte Flüchtlinge praktisch keine Vorteile (außer der Krankenversorgung), aber große Nachteile gibt.

So kann es kaum erstaunen, daß nach Angaben des UNHCR in Griechenland lediglich 8025 Flüchtlinge leben, davon wurden 4800 als Anerkannte (vgl. UNHCR, refugee update, Athens Juni 1995). Von Januar bis Juni 1995 betrug die Zahl der gemeldeten und damit statistisch erfaßten neu angekommenen Flüchtlinge 253 (vgl. Greek council for refugees, Faltblatt vom Dezember 1994).

Der größte Teil der im ersten Halbjahr 1995 registrierten AsylbewerberInnen kommt nach Angaben des Greek council for refugees aus dem Irak (48,2%), gefolgt von Menschen aus der Türkei (22,5%), Serbien (9,8%) und dem Iran (8,2%).

Diese Zahlen spiegeln - wie gesagt - keinesfalls die wirkliche Anzahl der Flüchtlinge in Griechenland wieder.

Spazieren TouristInnen die berühmte 'Athinás' in Athen zum Platz 'Monastiráki', müssen sie sich durch ein dichtes Gedränge von HändlerInnen und Marktständen kämpfen: ZigarettenverkäuferInnen, Uhrenhändler oder Kinder, die einzelne Packungen Papiertaschentücher verkaufen. Der Schwarzmarkt blüht; dazwischen die bettelnden Menschen, viele Invaliden darunter. Sie kommen aus verschiedenen Teilen der Welt.

Der größte Teil dieser Menschen taucht in keiner Statistik auf. Sie leben illegal.

Einen große Gruppe der nicht registrierten Flüchtlinge stellen die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien dar. Durch Urlaubsreisen hatten sich vor dem Krieg Freundschaften zwischen GriechInnen und JugoslawInnen ergeben, die für viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu einem Rettungsanker geworden sind.

Viele HändlerInnen und ArbeiterInnen kommen aus Ländern Osteuropas, wie Bulgarien, Rußland, Polen und Albanien.

Nach Schätzungen des Greek council for refugees beläuft sich die Zahl der in Griechenland lebenden AlbanerInnen auf 100.000-200.000, andere Schätzungen gehen von 500.000 aus (diese und einige der folgenden Angaben stammen aus einem Interview, das die Autorin im August 1995 mit Dr. Nikólaos-Komninós Hlépas vom Greek council for refugees geführt hat).

Nach tagelangen Märschen ohne Gepäck und Verpflegung, teilweise sogar ohne Schuhe, kommen die AlbanerInnen über die Schluchten in Epirus in die Metropolen.

Die albanischen Flüchtlinge werden zumeist polizeilich geduldet, solange sie nicht durch offensichtliche Gesetzesverletzungen auffallen. Gelegentlich werden Flüchtlinge mit Wagen zur albanischen Grenze gefahren, von wo sich die Flüchtlinge erneut auf den schweren Weg machen.

Ernstgemeinte Maßnahmen zur Verhinderung des Grenzübertritts oder Kontrollen auf Bau oder Plantagen gibt es wenig. Nur die Hauptwege, wie z.B. die 'Vicosschlucht' im Norden, werden tagsüber kontrolliert.

Das Interesse der Flüchtlinge, ihren Aufenthalt zu legalisieren, ist gering. Es gibt praktisch keine Vorteile, die ein legaler Aufenthalt gegenüber den Möglichkeiten der Illegalität bieten könnte. Die Unterstützung des griechischen Staates für Flüchtlinge begrenzt sich auf kostenlose ärztliche Versorgung und die Finanzierung eines Wohnheimes in Lavrion bei Athen, in dem 350 Flüchtlinge eine Unterkunft finden. Wohlgemerkt: es gibt nur dieses eine "Wohnheim", ansonsten übernimmt der Staat keinerlei Leistungen für Unterkunft, Verpflegung und Kleidung - weder für mittellose GriechInnen noch für Flüchtlinge.

Der UNHCR und Ehrenamtliche unterstützen die Flüchtlinge mit rechtlicher Beratung und geringen Mitteln zu lebenserhaltenden Kosten. Bis Ende 1994 erhielt kein Flüchtling eine Arbeitserlaubnis.

Der griechische Staat unterstützt Flüchtlinge wenig, verhindert aber ihre Aufnahme nicht durch restriktive Maßnahmen. Griechenland gilt als 'Transitland', d.h. als vorübergehendes Aufnahmeland für Flüchtlinge.

Das Einkommen vieler GriechInnen ist so gering, daß sie selbst auf ein zweites Einkommen durch Schwarzarbeit angewiesen sind, und somit die größte Gruppe der albanischen ArbeiterInnen und HändlerInnen eine unbeliebte Konkurrenz darstellt. Sie gelten in der Bevölkerung einerseits als Wirtschaftsflüchtlinge und stoßen auf viel Ablehnung; andererseits stellen sie einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor dar, da ihre Löhne (sie sind überwiegend in der Landwirtschaft und auf dem Bau beschäftigt) weit unter dem üblichen Lohnniveau liegen.

Vor allem die Saisonarbeit stößt bei der griechischen Bevölkerung auf Unmut. Durch das weitgehende Fehlen sozialer Leistungen von seiten des Staates gibt es zudem viele Obdachlose und BettlerInnen, durch die sich die einheimische Bevölkerung belästigt fühlt. Die Akzeptanz gegenüber Flüchtlingen schwindet, die Feindlichkeit gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen nimmt zu.

Die Schwarz- und Saisonarbeit floriert mit Duldung der griechischen Regierung. Zwar gehen dem griechischen Staat auf diese Weise große Mengen von Steuergeldern verloren, zugleich aber spart er durch das sehr grobmaschige Netz sozialer Leistungen.

Der Weg aus der Illegalität würde wenig an der realen Situation der

Flüchtlinge ändern

Zu den geringen Vorteilen, die sich durch Legalisierung ergeben, kommen internationale Abkommen hinzu, die faktisch den "Stand der Illegalität" zu dem begehrten "Status" in Griechenland machen. Durch das 'Schenger Abkommen' ist es Flüchtlingen verwehrt, nach einem Asylgesuch in Griechenland in einem anderen europäischen Staat um Aufnahme zu ersuchen.

Aufgrund von geringen Sozialleistungen ist Griechenland als Aufnahmeland nur für Flüchtlinge attraktiv, die trotz der harten Konkurrenz die lebenserhaltenden Kosten aufbringen können und für solche, die mit einer Ablehnung in anderen Staaten rechnen müssen bzw. bereits abgelehnt wurden.

Der Weg aus der Illegalität würde wenig an der realen Situation der Flüchtlinge ändern. Aber die Statistiken sähen anders aus.

Die Entwicklung der Illegalität unter Flüchtlingen muß vor allem in einem europäischen Zusammenhang gesehen werden. Denn vor allem durch das 'Schenger Abkommen' ergeben sich für Flüchtlinge bei Registrierung große Nachteile. Die sozialen Folgen sind sowohl für die Flüchtlinge als auch für die Einheimischen schwerwiegend.

Der Sozialdarwinismus wächst, Alte und Schwache drohen in das soziale Abseits zu geraten, Konkurrenz, mafiaähnliche Zustände und Prostitution finden neuen Nährboden. Zudem sind die psychischen Folgen, die durch den Druck, das bloße Überleben zu sichern, entstehen können, kaum absehbar. Aus Seiten der Einheimischen ist eine verstärkte Ausprägung von Feindlichkeiten gegenüber Flüchtlingen unübersehbar.

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